Mit Wut im Bauch an die Instrumente
Warum Unzufriedenheit der Motor für britischen Punkrock ist, zeigen The King Blues
NEUHAUSEN OB ECK - „Ratet mal, wer zurück und immer noch wütend ist?“Mit dieser Ankündigung vor eineinhalb Jahren auf Facebook haben The King Blues aus London ihre Fans begeistert. Nach einer Pause haben sich die Musiker wieder zusammengeschlossen. Auf ihrem Album „The Gospel Truth“, das sie im April veröffentlicht haben, halten sie ihr Wut-Versprechen. Doch (Sprech-) Sänger Jonny Fox schlägt auch ruhigere Töne an – vor allem in seinem Lieblingslied auf der Platte, wie er der „Schwäbischen Zeitung“verrät.
Seit 2004 singt Jonny Fox gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt an - zuerst solo, dann ließ er seine Band nach und nach wachsen. Bei seinem richtigen Namen nennt ihn eigentlich niemand. Sein Rufname ist „Itch“, und der drückt das aus, was er sein will. Itch heißt auf Deutsch Juckreiz. Itch will das lästige Jucken der Mächtigen sein, die sich die Welt aufteilen und die Bedürfnisse der Schwächeren ignorieren. Klingt nach Punkrock, ist es auch. Mit ihrer Musik stehen The King Blues in der traditionsreichen Nachfolge britischer Bands wie The Clash.
Wie politisch Itch denkt, zeigt sich nicht nur an seinen Texten, sondern auch in seinen anderen Aktionen. Etwa 2008, als die Band für die Werbung ihres neuen Albums eine Plakatwand am Londoner Finanzbezirk zur Verfügung gestellt bekommen hat. Itch und seine Bandmitglieder Jazz und Fruitbag sprayten einen offenen Brief an den damaligen Premierminister Gordon Brown auf die Fläche. Darin kritisierten sie Kriegstreiberei der Regierung, die Einschränkung von Freiheitsrechten und die Missachtung der Unterschicht. Und heute? „Großbritannien ist in einem schlechten Zustand“, sagt Itch. „Die Menschen sind wie Truthähne, die für Weihnachten stimmen.“Itch meint damit das Brexit-Votum. „Die Politiker haben die Menschen glauben gemacht, dass es gut sei, die EU zu verlassen.“Und sie durften alle ihre Jobs behalten, obwohl längst klar sei, dass der Austritt böse Folgen für sein Land haben werde.
Es tut sich etwas
Doch Itch sieht auch Hoffnung: Etwa darin, dass die jüngeren Briten vorwiegend den Hauptgegner von Premierministerin Theresa May, Jeremy Corbin von der Labour-Partei, unterstützten. Er sei der Grund dafür, dass in der Gesellschaft über die Themen Wohnungsnot und bezahlbare, gute Bildung gesprochen werde. „Das ist eine ganze Bewegung, die da gerade entsteht. Es könnte sein, dass wir in den nächsten vier Monaten schon die nächste Wahl haben“, sagt Itch. Und das, obwohl die Briten gerade erst Neuwahlen hatten.
Was all das mit Musik zu tun hat? „Wir sind eine Punkrockband“, sagt Itch, „Unsere Philosophie ist es, die Welt zu verändern.“Das heißt: Jeder sollte alles in seiner Macht stehende tun, damit das Leben besser wird. Das Problem, das Itch dabei sieht, heißt Kapitalismus. Statt Leben zu retten, arbeiteten die besten Ärzte in der plastischen Chirurgie, Medikamente machten die Menschen nicht gesund, sondern süchtig.
Um die Auswüchse des Kapitalismus geht es auch im Lied „Nike Town“. Es ist das nachdenklichste, ruhigste Lied auf der aktuellen Platte der Band – und zugleich das Lied, das Itch am meisten bedeutet. Die Inhalte seines Sprechgesangs klingen nicht nur politisch, sondern auch sehr persönlich. Und sie sind es auch: „An dem Lied schreibe ich seit 15 Jahren, aber ich habe es nie vollendet.“Was als Gedicht begann, landete nun als Song auf „The Gospel Truth“. Itch singt darin über sein Leben, die Fehler, die er begangen hat. Das Gefühl, das er dabei vermittelt, trägt er auch in sich, wie er sagt. „Ich kümmere mich nicht mehr so sehr darum, was andere Leute sagen.“
Ungerechtigkeit anprangern
Konzentration auf das, was zählt. Etwa auf die Band, die gerade wieder zusammengefunden hat. „Es hat Spaß gemacht, das neue Album aufzunehmen“, sagt er. Und es scheint nicht das letzte gewesen zu sein. Denn solange es noch Ungerechtigkeit in der Welt gibt, hat The King Blues einen Existenzgrund. „In einer perfekten Welt würde es uns nicht geben“, sagt Itch. „Und ich wäre absolut glücklich, arbeitslos zu sein.“