Faszinierende Improvisationen
„Bach & Blues“aus Dresden und Aalener Kinder in der Stadtkirche
AALEN - Auch das dritte Konzert zum Reformationsjubiläum in der Stadtkirche ist gut besucht gewesen. Am Sonntagabend sangen die Kinder der Mädchen-, Knaben- und Jugendkantorei unter Leitung von Bezirkskantor Thomas Haller engagiert und begeistert Luther-Lieder. Dazu improvisierte das Dresdner Duo Bach & Blues in ungewöhnlicher, aber faszinierender Weise.
Dekan Ralf Drescher erinnerte im Grußwort an den konkreten Anlass der drei Konzerte: Reformator Jakob Andreä hatte am 29. Juni 1575 die erste evangelische Predigt in Aalen gehalten. Wahrscheinlich hätten schon Bach und Luther den Blues erfunden, meinte Drescher humorvoll. Deshalb seien jazzige Klänge bei diesem besonderen Konzert durchaus angebracht.
Kräftige Cello-Striche und glockenreine Vibraphonklänge aus dem zentralen Altarraum stimmten die Besucher auf das ungewohnte Klangerlebnis ein. Die große Schar der Kinder zog singend von der Sakristei auf die Empore und sammelte sich um ihren Dirigenten am Flügel. „Nun freut euch ihr lieben Christen“erklang als erstes der Luther-Lieder.
Das Cello nahm die Melodie auf, das Vibraphon setzte helle Lichter auf. Schon die ersten Takte verrieten, dass hier Meister der Improvisation zugange waren. Ulrich Thiem (Violoncello) und Andreas Scotty Böttcher (Vibraphon und Orgel) haben sich mit kreativen, an die Strukturen des Jazz, aber auch an Johann Sebastian Bach angelehnten Interpretation auf internationaler Ebene einen Namen gemacht. Thiems sachkundige Kommentare erschlossen Herkunft und Hintergrund der Lieder. Auch Martin Luther habe, wenn er altkirchliche Weisen aufgriff und seinen Texten anpasste, gewisse Regeln der Improvisation angewendet. Auf diesem Weg kühn fortschreitend scheuten sich die Dresdner nicht, das spätere Luther-Lied „Die beste Zeit im Jahr ist mein“mit munterem Pfeifen zu verfremden.
Da wollten auch die Kinder nicht zurückstehen und würzten Luthers „Vom Himmel hoch“und sein ZehnGebote-Lied „Mensch willst du leben seliglich“mit Handtrommeln und Rumba-Kugeln. Thomas Haller verstand es, vom Flügel aus die Kinderstimmen fein zu lenken.
Höhepunkt des instrumentalen Teils war eine ausgedehnte Improvisation des Duos über Elemente zur Zeitgeschichte der Reformation. Da wurde der Kampf gegen Papst und Kirche lebendig, zur Zeit, als die evangelische Kirche und damit die Spaltung entstand, „die Luther eigentlich gar nicht wollte“, kommentierte Ulrich Thiem. Sein Duo-Partner Böttcher bewies, daß er außer dem Vibraphon auch die Orgel improvisierend beherrschte.
Wenn Kinder so sperrige LutherLieder wie „Wir glauben all an einen Gott“singen wollen und können, dann bringe ihn das zu höchstem Staunen, lobte Thiem die Aalener Jugendkantorei. Und wenn inzwischen auch Katholiken Luthers Trostlied „Ein feste Burg ist unser Gott“lauthals mitsingen, dann beweise dies eine gute Ökumene, hob Thiem hervor. Nach Luthers Abendsegen und einem meditativen Nachspiel bedankten sich die begeisterten Zuhörer mit lang anhaltendem Beifall.