Viele Gewinner für Jogi
Der Bundestrainer hat nach dem erfolgreichen Sommer mit zwei Titeln die Qual der Wahl – Nur noch sieben Weltmeister gesetzt
Ist Joachim Löw nun der größte Gewinner oder der größte Verlierer der vergangenen Wochen? Zugegeben, die Frage ist polemisch: Wer den amtierenden Weltmeister, Silbermedaillengewinner bei Olympia, U21-Europameister und seit Sonntag nach dem bravourös erkämpften 1:0 gegen Chile auch noch den Confed-Cup-Sieger stellt, muss sich keine allzu großen Sorgen um den Zustand des deutschen Fußballs machen. Und wer ein lange auch vom Bundestrainer selbst als überflüssig und lästig empfundenes Turnier konsequent dazu nutzt, ein paar interessante Spieler anzuleiten, und mit dieser radikal jungen Truppe auch noch ein paar „magische“Momente (Löw) erlebt, der ist natürlich die Steigerung eines Gewinners.
Andererseits hat Löw nun endgültig die Qual der Wahl für die Mission WM-Titelverteidigung nächstes Jahr in Russland. Da darf Löw immer noch nur 23 Spieler mitnehmen, inklusive drei Torhüter. Zur Verfügung stehen ihm aber, je nach Zählweise, zwischen 51 (amtierende Nationalspieler und beste U21-Spieler) und 66 (inklusive aller U21-Europameister und bisheriger DFB-One-HitWonder) auf höherem Niveau DFBerprobte Spieler.
Sicher in Russland mit dabei sein dürften, sollten sie gesund sein, nur noch sieben Weltmeister von 2014: Neben den Bayern Manuel Neuer, Mats Hummels, Jérôme Boateng und Thomas Müller dürften dies die drei Legionäre von Weltrang Sami Khedira (Juventus), Mesut Özil (Arsenal) und Toni Kroos (Real Madrid) sein. Zu ihnen dürften sich ziemlich sicher noch Barcelonas Marc-André ter Stegen, der sich nach dem Confed Cup als deutscher Keeper Nr. 2 fühlen darf, Löws Lieblingsschüler und DFB-Immerspieler Joshua Kimmich und Confed-Cup-Kapitän Julian Draxler gesellen.
Doch die drei sind nicht die einzigen Confed-Cup-Teilnehmer, die sich berechtigte Hoffnungen machen dürfen, nächsten Sommer wieder in Sotschi, Kasan oder Sankt Petersburg zu spielen. „Jeder Spieler, der hier war, hat jetzt ein besseres Standing als vor dem Turnier“, sagte Löw.
Um weitere Einsätze im Adlertrikot bangen müssen spätestens seit Sonntag dagegen die erfahrenen Sportskameraden Mario Gomez, Benedikt Höwedes oder André Schürrle. Selbst die verletzungsanfälligen Ilkay Gündogan, Mario Götze und Marco Reus dürften angesichts der Alternativen nicht mehr außer Diskussion stehen – selbst, wenn sie fit sein sollten. Und von Kevin Volland, Marcel Schmelzer, Christopher Kramer oder den Bender-Zwillingen redet momentan ohnehin keiner mehr.
„Es gibt wenige Unantastbare. Jogi hat eine reiche Auswahl“, sagte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff. Zumal auch einige U21Europameister ins Team drängen. „Mit der Anzahl junger Spieler können wir in Deutschland sehr zufrieden sein, da bin ich ein Stück weit ruhiger geworden“, sagte Löw.
Die größten Gewinner des Nationalmannschafts-Sommers:
Joshua Kimmich: In den letzten 19 ● Länderspielen stand der aus Bösingen bei Rottweil stammende 22-Jährige bei Anpfiff immer auf dem Platz. Bei Abpfiff übrigens auch noch. Kimmich ist sozusagen der einzige echte Stammspieler der DFB-Elf. Als Rechtsverteidiger gesetzt. Löw traut ihm eine „Riesenkarriere“zu. Am Sonntag legte er sich sogar mit Bayernkollege und Meisterraufer Arturo Vidal an – der Youngster als Leader. Auch beim FC Bayern will Trainer Carlo Ancelotti nunmehr auf ihn setzen. Timo Werner: Vom etwas leichtgewichtigen ● Angreifer mit Hang zur Fallsucht zum deutschen Sturmführer: Timo Werner darf sich von allen Gewinnern durchaus als einer der größeren fühlen. Ab dem dritten Spiel stand der gebürtige Stuttgarter beim Confed Cup in der Startelf, dank seiner drei Treffer gewann er den Goldenen Schuh als bester Torschütze des Turniers. „Er ist ein talentierter junger Spieler mit unglaublichem Zug zum Tor. Er gibt Tiefe. Er gibt Schnelligkeit. Er hat den nötigen Biss. Mit drei Toren hat er das schon gut untermauert“, sagte Bierhoff, einst selbst ein Topstürmer. Der 21-Jährige ist ein weit modernerer Mittelstürmer als Mario Gomez oder Sandro Wagner.
Leon Goretzka: Erzielte wie Werner ● drei Tore. Löw traut dem dynamischen Mittelfeldspieler zu, Sami Khedira Konkurrenz zu machen. „Leon hat das Turnier bei der AMannschaft besonders gutgetan“, so Bierhoff. Auch Bayerns Präsident Uli Hoeneß lobte den 22-jährigen (Noch?-)Schalker am Montag nicht zum ersten Mal. Serge Gnabry: Den Neu-Bayer ● hatte man eigentlich auch im Confed-Cup-Kader erwartet. Doch Löw schickte den gebürtigen Stuttgarter zur U21, um die Elf als Führungsspieler zum Titel zu führen. Mision erfüllt. Jeremy Toljan: Stammt wie Werner, ● Gnabry und Kimmich aus der VfB-Jugend, spielt in Hoffenheim im rechten Mittelfeld und auf beiden Außenverteidigerpostionen. Bei der U21-EM war er als Rechtsverteidiger gesetzt – und überzeugte vor allem offensiv. Soll beim FC Chelsea auf der Wunschliste stehen und könnte in der DFB-Elf eine Alternative zum einzigen Linksverteidiger Jonas Hector werden.