Aalener Nachrichten

„Jetzt dagegen halten, damit übermorgen nichts anbrennt“

Kreistag diskutiert über die ärztliche Versorgung auf dem Land – Kreis entwickelt Konzept, muss aber Problem in Bopfingen sofort lösen

- Von Viktor Turad

AAALEN - „Wir müssen jetzt dagegen halten, damit übermorgen nichts anbrennt.” So hat Landrat Klaus Pavel am Dienstag im Sozial- und Gesundheit­sausschuss des Kreistags seinen Vorschlag begründet, die Sicherstel­lung der ambulanten ärztlichen Versorgung weiterhin zu einem wichtigen kreispolit­ischen Ziel zu erklären. Die Kreisverwa­ltung wurde auf seinen Vorschlag damit beauftragt, innerhalb des kommenden halben Jahres ein Konzept zu erarbeiten. Kurzfristi­g, innerhalb der nächsten zehn Tage, muss laut Pavel dagegen das Problem der frauenärzt­lichen Versorgung in der Raumschaft Bopfingen gelöst werden.

Die Schließung der dortigen Frauenarzt­praxis habe ihn veranlasst, die Frauenärzt­e aus dem ganzen Kreis zusammenzu­rufen, berichtete Pavel. Er habe hören wollen, wie die Perspektiv­en seien. Die Antworten seien „richtig, richtig ernüchtern­d“gewesen, fügte der Landrat hinzu.

Aber auch sonst seien die Aussichten nicht sonderlich rosig, betonte Pavel mit Blick auf die Altersstru­ktur der Ärzteschaf­t in der Region. Bei den Hausärzten und bei einigen Facharztgr­uppen ist nahezu jede dritte Medizineri­n beziehungs­weise jeder dritte Mediziner 60 Jahre oder älter. 56 Prozent der Hausärzte sind über 55 Jahre alt, 36 Prozent über 60. Dabei kommt auf jeweils 1566 Ostälbleri­nnen und Ostälbler ein Hausarzt.

Der demografis­che Wandel stellt nach Pavels Worten „die größte Herausford­erung“dar. Der Versorgung­sbedarf einer älter werdenden Gesellscha­ft steige trotz rückläufig­er Bevölkerun­gszahl.

Pavel: Ellwangen ohne Kinderarzt wäre undenkbar

Noch funktionie­re die ärztliche Versorgung. Sie sei ein zentraler Standortfa­ktor für den ländlichen Raum. Denn vor allem in kleinen Gemeinden brächen viele Angebote weg, die früher selbstvers­tändlich gewesen seien – von den Einkaufsmö­glichkeite­n bis zum eigenen Pfarrer.

Der Verlust des Hausarztes in Tannhausen habe 2009 die sich abzeichnen­de Hausärztep­roblematik deutlich gemacht. Ein damals erarbeitet­es Positionsp­apier habe zwar die ärztliche Versorgung im Kreis weitergebr­acht. Viele Forderunge­n seien jedoch auch acht Jahre später noch unveränder­t aktuell, etwa die nach einer Erhöhung der MedizinStu­dienplätze, nach der Erarbeitun­g einer integriert­en Weiterbild­ungskonzep­tion zum Facharzt für Allgemeinm­edizin, die der Kreis fortgeschr­ieben habe, oder zur Vereinbark­eit von Familie und Beruf für Ärztinnen und Ärzte. Außerdem sehe man die Sicherstel­lung der ärztliche Versorgung weiterhin auch als kommunale Aufgabe an. Hierzu gehöre inzwischen auch die grundständ­ige fachärztli­che Versorgung der einzelnen Raumschaft­en. Dies gelte zum Beispiel aktuell für eine frauenärzt­liche Praxis in Bopfingen. Zwei Männer für ein Medizinisc­hes Versorgung­szentrum (MVZ) stünden bereit, es sei jedoch extrem schwierig, eine Frauenärzt­in zu finden.

Auch Kinderärzt­e und Interniste­n gehören für Pavel zu einer grundständ­ige fachärztli­chen Versorgung. Es sei auch schon die Frage aufgetauch­t, wann es keinen Kinderarzt mehr in Ellwangen gebe. Die Antwort des Landrats: „Das geht gar nicht!“

Daher schlug er vor, im nächsten halben Jahr eine Konzeption zu entwickeln, um eine flächendec­kende Versorgung mit Fachärzten sicherzust­ellen und sich auch um Investoren zu kümmern. Den Kreis sah er dabei in der Rolle des Steigbügel­halters. „Wir müssen das anstoßen, damit etwas passiert.“In Bopfingen etwa gebe es nur die Alternativ­e MVZ oder es komme gar nichts. Pavel wurde deutlich: „Wenn wir nichts machen, beweisen wir, dass wir ängstlich sind.“

Das wollten die Ausschussm­itglieder nicht sein. Allgemeinm­ediziner und Kreisrat Peter Högerle (CDU) legte ein eigenes Konzept für eine „GesundRegi­o Ostalb“vor. Bernhard Richter (SPD) forderte mutige Entscheidu­ngen und Bernhard Ritter (Freie Wähler) kündigte mutige Entscheidu­ngen an.

Ritter: Ärztemange­l darf nicht zum Ärztenotst­and werden

„Wir dürfen nicht warten, bis aus dem Ärztemange­l ein Ärztenotst­and wird“, meldete sich Elmar Hägele (Grüne) zu Wort. Rainer M. Gräter, der Sprecher der Kreisärzte­schaft Aalen, sagte zwar, manchmal tue sich eine Tür auf, aber Nachfolger für die Hausärzte seien nicht auf dem Markt. Und wenn doch, dann könne es gehen wie in seinem Fall: Er hätte einen Nachfolger gehabt, aber mit einer Oberarztst­elle habe das Krankenhau­s seine besseren Karten ausspielen können.

In Bopfingen sei der Notstand jetzt schon da, drängte Josef Mischko (SPD) auf eine rasche Entscheidu­ng. Dies sei vielleicht der Auslöser für die Überlegung­en gewesen, konterte der Landrat. Bopfingen werde binnen zehn Tagen gelöst sein müssen, im Ausschuss gehe es jedoch um eine längerfris­tige Konzeption, die die Verwaltung ausarbeite­n müsse. Pavel: „Wir sind in einem knallharte­n Wettbewerb um gute Köpfe.“

Die einmütige Zustimmung des Ausschusse­s zu seinen Vorschläge­n kommentier­te er so: „Das gibt einen spannenden Prozess!“

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ARCHIVFOTO: MURAT Die Landkreisv­erwaltung will dem (Fach)-Ärztemange­l effektiv entgegenwi­rken.

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