„Jetzt dagegen halten, damit übermorgen nichts anbrennt“
Kreistag diskutiert über die ärztliche Versorgung auf dem Land – Kreis entwickelt Konzept, muss aber Problem in Bopfingen sofort lösen
AAALEN - „Wir müssen jetzt dagegen halten, damit übermorgen nichts anbrennt.” So hat Landrat Klaus Pavel am Dienstag im Sozial- und Gesundheitsausschuss des Kreistags seinen Vorschlag begründet, die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung weiterhin zu einem wichtigen kreispolitischen Ziel zu erklären. Die Kreisverwaltung wurde auf seinen Vorschlag damit beauftragt, innerhalb des kommenden halben Jahres ein Konzept zu erarbeiten. Kurzfristig, innerhalb der nächsten zehn Tage, muss laut Pavel dagegen das Problem der frauenärztlichen Versorgung in der Raumschaft Bopfingen gelöst werden.
Die Schließung der dortigen Frauenarztpraxis habe ihn veranlasst, die Frauenärzte aus dem ganzen Kreis zusammenzurufen, berichtete Pavel. Er habe hören wollen, wie die Perspektiven seien. Die Antworten seien „richtig, richtig ernüchternd“gewesen, fügte der Landrat hinzu.
Aber auch sonst seien die Aussichten nicht sonderlich rosig, betonte Pavel mit Blick auf die Altersstruktur der Ärzteschaft in der Region. Bei den Hausärzten und bei einigen Facharztgruppen ist nahezu jede dritte Medizinerin beziehungsweise jeder dritte Mediziner 60 Jahre oder älter. 56 Prozent der Hausärzte sind über 55 Jahre alt, 36 Prozent über 60. Dabei kommt auf jeweils 1566 Ostälblerinnen und Ostälbler ein Hausarzt.
Der demografische Wandel stellt nach Pavels Worten „die größte Herausforderung“dar. Der Versorgungsbedarf einer älter werdenden Gesellschaft steige trotz rückläufiger Bevölkerungszahl.
Pavel: Ellwangen ohne Kinderarzt wäre undenkbar
Noch funktioniere die ärztliche Versorgung. Sie sei ein zentraler Standortfaktor für den ländlichen Raum. Denn vor allem in kleinen Gemeinden brächen viele Angebote weg, die früher selbstverständlich gewesen seien – von den Einkaufsmöglichkeiten bis zum eigenen Pfarrer.
Der Verlust des Hausarztes in Tannhausen habe 2009 die sich abzeichnende Hausärzteproblematik deutlich gemacht. Ein damals erarbeitetes Positionspapier habe zwar die ärztliche Versorgung im Kreis weitergebracht. Viele Forderungen seien jedoch auch acht Jahre später noch unverändert aktuell, etwa die nach einer Erhöhung der MedizinStudienplätze, nach der Erarbeitung einer integrierten Weiterbildungskonzeption zum Facharzt für Allgemeinmedizin, die der Kreis fortgeschrieben habe, oder zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Ärztinnen und Ärzte. Außerdem sehe man die Sicherstellung der ärztliche Versorgung weiterhin auch als kommunale Aufgabe an. Hierzu gehöre inzwischen auch die grundständige fachärztliche Versorgung der einzelnen Raumschaften. Dies gelte zum Beispiel aktuell für eine frauenärztliche Praxis in Bopfingen. Zwei Männer für ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) stünden bereit, es sei jedoch extrem schwierig, eine Frauenärztin zu finden.
Auch Kinderärzte und Internisten gehören für Pavel zu einer grundständige fachärztlichen Versorgung. Es sei auch schon die Frage aufgetaucht, wann es keinen Kinderarzt mehr in Ellwangen gebe. Die Antwort des Landrats: „Das geht gar nicht!“
Daher schlug er vor, im nächsten halben Jahr eine Konzeption zu entwickeln, um eine flächendeckende Versorgung mit Fachärzten sicherzustellen und sich auch um Investoren zu kümmern. Den Kreis sah er dabei in der Rolle des Steigbügelhalters. „Wir müssen das anstoßen, damit etwas passiert.“In Bopfingen etwa gebe es nur die Alternative MVZ oder es komme gar nichts. Pavel wurde deutlich: „Wenn wir nichts machen, beweisen wir, dass wir ängstlich sind.“
Das wollten die Ausschussmitglieder nicht sein. Allgemeinmediziner und Kreisrat Peter Högerle (CDU) legte ein eigenes Konzept für eine „GesundRegio Ostalb“vor. Bernhard Richter (SPD) forderte mutige Entscheidungen und Bernhard Ritter (Freie Wähler) kündigte mutige Entscheidungen an.
Ritter: Ärztemangel darf nicht zum Ärztenotstand werden
„Wir dürfen nicht warten, bis aus dem Ärztemangel ein Ärztenotstand wird“, meldete sich Elmar Hägele (Grüne) zu Wort. Rainer M. Gräter, der Sprecher der Kreisärzteschaft Aalen, sagte zwar, manchmal tue sich eine Tür auf, aber Nachfolger für die Hausärzte seien nicht auf dem Markt. Und wenn doch, dann könne es gehen wie in seinem Fall: Er hätte einen Nachfolger gehabt, aber mit einer Oberarztstelle habe das Krankenhaus seine besseren Karten ausspielen können.
In Bopfingen sei der Notstand jetzt schon da, drängte Josef Mischko (SPD) auf eine rasche Entscheidung. Dies sei vielleicht der Auslöser für die Überlegungen gewesen, konterte der Landrat. Bopfingen werde binnen zehn Tagen gelöst sein müssen, im Ausschuss gehe es jedoch um eine längerfristige Konzeption, die die Verwaltung ausarbeiten müsse. Pavel: „Wir sind in einem knallharten Wettbewerb um gute Köpfe.“
Die einmütige Zustimmung des Ausschusses zu seinen Vorschlägen kommentierte er so: „Das gibt einen spannenden Prozess!“