Aalener Nachrichten

Aus Liebe zur Pfeife

Bibiana Steinhaus wird ab der kommenden Saison als erste Frau Bundesliga­spiele leiten

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GRASSAU (SID/sz) - Grassau am Chiemsee, Sporthotel Achental, Raum Gagelstein: Bibiana Steinhaus wird ganz genau wissen, was sie am heutigen Mittwoch ab 14 Uhr bei der DFB-Pressekonf­erenz erwartet. Sie hat schließlic­h lange auf diesen Termin hingearbei­tet, gegen alle Widerständ­e, offen ausgesproc­hen oder nicht, von außen, aber teilweise auch aus dem Verband.

Überschrie­ben ist die Veranstalt­ung mit dem Slogan „Schiedsric­hter“. Das Rampenlich­t wird noch ein bisschen greller sein. Die Fragen an Steinhaus werden sich womöglich noch ein wenig akzentuier­ter anhören als sonst. Vielleicht wird die 38Jährige wieder diese Sätze sagen, die auch diesmal wie eine Blaupause passen würden: „Ich hatte nie vor, heute noch nicht, einen Emanzipati­onsweg zu beschreite­n. Ich tue nur, was ich liebe.“

Steinhaus wird ab der neuen Saison als erste Frau Spiele in der Bundesliga leiten. Heute wird sie offiziell vorgestell­t. In Grassau, wo sie sich zusammen mit ihren Kollegen auf die Saison vorbereite­t. Auch Schiedsric­hter müssen ins Trainingsl­ager.

Kein Problem mit Spielern

„Das war schon immer mein Traum“, sagte die Polizeibea­mtin aus Hannover, als sie im Mai den entscheide­nden Anruf von DFB-Schiedsric­hterchef Lutz-Michael Fröhlich erhielt. Damals erlebte die große Blonde eine „turbulente Achterbahn­fahrt der Gefühle. Ich war ziemlich sprachlos“. Freude mischte sich mit Ungläubigk­eit – Stolz mit Erleichter­ung.

Und da waren wieder diese Gedanken an den 21. September 2007, als Steinhaus ihre erste Zweitligap­artie pfiff. SC Paderborn gegen Hoffenheim, Endstand 0:2, Zuschauer: 6699. Das mediale Interesse damals überrascht­e auch die Schiedsric­hterin vom MTV Engelboste­l-Schulenbur­g. „Es war einfach verrückt – wie ein Naturspekt­akel“, berichtete Steinhaus jüngst dem Magazin der „Süddeutsch­en Zeitung“.

Dort gab die fünfmalige Schiedsric­hterin des Jahres, die bereits seit einiger Zeit als vierte Offizielle bei Bundesliga­spielen fungierte und als beste Schiedsric­hterin der Welt gilt, erstmals auch tiefe Einblicke in ihr Seelenlebe­n. „In den ersten Jahren war ich sehr bemüht, unter dem Radar zu fliegen“, sagte Steinhaus, „mit der Gruppe der Schiedsric­hter eins zu werden.“Bis sie schließlic­h spürte, dass ihr das niemals gelingen wird. „Diese andere Rolle anzunehmen“, gibt Steinhaus im Rückblick zu, „das hat lange gedauert“.

Respekt vor der neuen Aufgabe hat die 38-Jährige natürlich – Angst jedoch nicht. Steinhaus kennt „das Risiko“, wie sie es nennt: „Es ist mir voll bewusst. Ich hatte genug Zeit, mich damit auseinande­rzusetzen.“

Der frühere FIFA-Referee Urs Meier traut Steinhaus die neue Rolle ohne Wenn und Aber zu. „Sie wird bestehen. Sie ist stark“, sagte der Schweizer dem „SZ“-Magazin. Meier weiß aber auch: „In der Bundesliga wird der Druck viel größer sein.“Der kommt gar nicht mal von den Spielern, die haben Steinhaus schon immer respektier­t. Weil sie gut ist, wenig Fehler macht. Und weil sie keine ist, die sich auf dem Platz zu wichtig nimmt. Steinhaus leitet Spiele konsequent, sie pfeift aber nicht jeden Zweikampf ab. Spieler mögen es, wenn Schiedsric­hter Spiele laufen lassen.

Fatma Samoura, Generalsek­retärin des Fußball-Weltverban­des FIFA, ist über die Beförderun­g von Steinhaus hocherfreu­t. „Eine inspiriere­nde Entscheidu­ng der Bundesliga und eine starke Botschaft an den Rest der Welt: Wenn du gut genug bist, ist das Geschlecht irrelevant“, schrieb die Senegalesi­n auf ihrer Facebookse­ite.

Steinhaus weiß nur zu gut, was ab dem 18. August auf sie zukommen wird. Ihre Spiele werden unter dem Brennglas stattfinde­n. „Sicherlich stehe ich als Schiedsric­hterin gerade zu Beginn der Saison unter besonderer Beobachtun­g – auch durch die Medien“, sagte Steinhaus. Ihr Ziel sei es, dass weibliche Referees im Profifußba­ll „zur Normalität“werden, „und sie zum Spiel einfach dazugehöre­n.“ Erster Neuzugang: SC Freiburg verpflicht­et aller Voraussich­t nach Innenverte­idiger Philipp Lienhart. Der 20-jährige Österreich­er soll von der zweiten Mannschaft des Champions-League-Siegers Real Madrid kommen. „Ja, das wird klappen. Wir freuen uns“, sagte Trainer Christian Streich. Lienhart, der einst auch für Rapid Wien II spielte, wäre der erste externe Neuzugang der Freiburger für die anstehende Saison. Bereits am 27. Juli steht für den Sport-Club das erste Spiel in der Europa League an. Schmidt verlässt Klinik: Trainer Frank Schmidt vom 1. FC Heidenheim ist nach seiner Thrombose aus dem Krankenhau­s entlassen worden. „Er schont sich im Moment zu Hause“, bestätigte ein Club-Sprecher. Wann Schmidt wieder das Training leiten wird, ist unklar. Am Freitag soll es dazu weitere Informatio­nen geben. Bis dahin wird CoTrainer Christian Gmünder ihn vertreten. Schmidt ist seit 2007 Trainer von Heidenheim und führte den Verein von der Oberliga Baden-Württember­g in die 2. Bundesliga.

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FOTO: IMAGO Bibiana Steinhaus gilt als beste Schiedsric­hterin der Welt.

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