In der Schwebe
Die erste Seilbahn auf den Pfänder fuhr vor 90 Jahren – Betrieb seit drei Generationen in Familienhand
BREGENZ - Leise öffnen sich die Schiebetüren, ebenso leise setzt sich die Kabine in Gang. Die Haltegriffe braucht es nicht – die Bahn gleitet ganz ruhig hinauf. Nur hinter dem Masten schwankt sie einmal, ganz sacht. Unter der Gondel erstrecken sich Bregenz, die Alpen, der Bodensee mit Lindau und Friedrichshafen. Mit jedem der rund 600 Höhenmeter, die die Bahn während der sechsminütigen Fahrt auf dem Weg zur Bergstation zurücklegt, wird das Panorama größer, weiter und erhabener. Fast 36 Millionen Menschen haben diesen Anblick in den vergangenen 90 Jahren aus der Gondel der Pfänderbahn gesehen.
Die Familie Kinz lebte schon vor 500 Jahren auf dem Berg
„Auf dem Pfänder oben war vor 500 Jahren eine Bauersfamilie namens Kinz. Und die ist im Grunde immer noch oben. Nur hat sie inzwischen die Seilbahn, die die Gäste und sie selbst hinauf- und hinunterbringt“– so fasst Thomas Kinz die lange Geschichte seines Familienunternehmens zusammen. Er ist seit 16 Jahren Vorstand der Pfänderbahn AG und Chef in dritter Generation.
Die Geschichte der Bahn ist zugleich die Geschichte seiner Familie. Sein Großvater Ferdinand Kinz hatte als damaliger Bürgermeister entscheidenden Anteil am Bau der Seilschwebebahn und gründete mit seinen Brüdern und verschiedenen Partnern die Pfänderbahn AG.
Ferdinands Sohn Hubert Kinz leitete das Unternehmen nach ihm 48 Jahre lang, sein anderer Sohn Ferdinand Anton führte unter anderem die Pfänderdohle und das Berggasthaus an der Bergstation auf dem Pfänder. Weitere Familienmitglieder waren in verschiedenen Ämtern über alle drei Generationen hinweg für die Pfänderbahn aktiv.
Kinz weiß, was das Geheimnis für den Erfolg der Bahn ist: „Sie hat ein irres Glück, dass sie am richtigen Standort ist. Sie ist dort, wo man den besten Blick auf den Bodensee und die Alpen hat“, sagt er. „Die Spannung zwischen den Bergen, die mit schneebedeckten Gipfeln herschauen, und auf der anderen Seite die Weite und die Schönheit des Schwäbischen Meers – das ist der Hauptvorteil der Pfänderbahn.“
Der Blick über den ganzen See und auf – angeblich – 240 Gipfel der Alpen, der Skilift und das Berggasthaus locken nicht nur Wanderer, Wintersportler und Gleitschirmflieger an, sondern auch Familien. Denn Bahn, Gastronomie, Wildpark und Spielplatz sind mit Kinderwagen problemlos zu erreichen.
Kein Vergleich zu den Zeiten, in denen der Tourismus am Berg seinen Anfang nahm: 1860 eröffnete das erste Gasthaus, zehn Jahre später das erste Hotel am Berg. Doch der Zugang war mühsam. Wer hinauf wollte, musste den Weg mit Ochsenkarren, Maultieren oder zu Fuß über die Fluh antreten. Und so sannen die Menschen nach Möglichkeiten, bequemer auf den Pfänder zu gelangen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg wollte ein Schweizer Unternehmen eine Zahnradbahn bauen. Doch dann kam der Krieg dazwischen, die Idee wurde nie in die Tat umgesetzt.
„Dann entdeckte ein Seilbahnbauer, dass man die Seile spannen kann und weniger Stützen braucht“, berichtet Kinz von der entscheidenden Idee. Mit diesem Wissen wurde die Pfänderbahn erbaut, als dritte Seilschwebebahn in Österreich: „Die Rax, die österreichische Zugspitze und die Pfänderbahn. Drum haben wir heute noch im Ministerium die Firmennummer drei.“Zehn Monate dauerte die Bauzeit, bis die Bahn im Frühjahr 1927 in Betrieb ging.
„Wir begannen mit einer Holzkabine, aber die war zu schwer und konnte zu wenig Leute fassen“, blickt Kinz zurück. Thomas Kinz’ Vorfahren überlegten, woher sie eine leichtere Kabine bekommen könnten. Der Luftschiffbauer Zeppelin lag buchstäblich nahe. „Also hat mein Großvater in Friedrichshafen die erste Leichtmetallkabine bauen lassen.“1938 wurde sie installiert, statt 25 konnten nun 29 Menschen auf einmal hinauffahren.
Die Bahn überstand den Zweiten Weltkrieg fast unbeschadet: Lediglich ein Zugseil war von einem Granatsplitter getroffen worden und musste ausgetauscht werden.
Einer der berühmtesten deutschsprachigen Schlager entstand kurze Zeit später am Pfänder: Franz Winkler komponierte 1948 „Die Fischerin vom Bodensee“in seinem Haus in Lochau.
In den 1950er- und 1960er-Jahren blieb die Bahn ein beliebtes Ausflugsziel. Deshalb erfolgte 1959 ein Umbau der Anlage und neue, größere Leichtmetallkabinen gingen in Betrieb. In den 1980er-Jahren stiegen die Fahrgastzahlen immer weiter an. 1985 verzeichnete die Bahn den 20millionsten Fahrgast. Zu dieser Zeit mussten die Besucher teilweise zweieinhalb Stunden auf die Bergfahrt warten. Das änderte sich mit dem erneuten Umbau der Bahn 1995. Seitdem fährt die große Gondel in Stoßzeiten alle sechs Minuten bis zu 80 Personen gleichzeitig den Pfänder hinauf. An Sommertagen nutzen täglich bis zu 4200 Menschen die Bahn in eine Richtung. „Im Großen und Ganzen läuft es einfach spitze“, sagt Vorstand Kinz. Noch in diesem Sommer soll die 36-Millionen-Besucher-Marke geknackt werden.
Stromaggregat und Seilwinden für den Notfall
Strom aus Wasserkraft treibt die Bahn an. Für den Notfall gibt es ein mit Diesel betriebenes Aggregat, das die beiden Kabinen bei einem Stromausfall sicher in die Stationen bringt. Nach der letzten Fahrt abends um sieben findet täglich eine Wartung statt, in regelmäßigen Abständen weitere Überprüfungen von Technik und Material. Im Frühling dieses Jahres ist die gesamte Steuerung erneuert worden.
Tagsüber steht die Pfänderbahn nur bei Sturm. Doch durch die Lage hinter dem Gebhardsberg bekomme die Bahn nicht viel vom Föhn ab: „Wenn es mal richtig pfeift oder es ein richtiges Gewitter gibt, machen wir eine kurze Pause.“Für den Notfall gibt es in den Kabinen Seilwinden, mit denen die Fahrgäste abgeseilt werden könnten. Jedes Jahr übt das Team der Bahn dieses Szenario – nötig war es bisher noch nie.