Aalener Nachrichten

Schwaben-Duo lässt Geist aus der Flasche

Theater Lindenhof präsentier­t im Schlosshof „Kenner trinken Württember­ger“

- Von Markus Lehmann

AALEN-WASSERALFI­NGEN - Was ist denn bitte ein „Molière-Nägele“? Der steckt in der Bühne im Schloss Wasseralfi­ngen. An den hängt Bernhard Hurm seinen Hut, bevor er so richtig loslegt. Am Freitag ist hier auf der höfischen Rampe Premiere von „Molière!“des Theaters der Stadt Aalen. Drei Tage vorher nutzte er sie mit Uwe Zellmer, um ganz tief in die schwäbisch­e Seele zu tauchen. Mit Stücken von Paulus bis Uhland. Das geht auch bei den beiden vom Theater Lindenhof natürlich nur mit einem gelegentli­chen Viertele Trollinger in der Hand. Schon weil die Sache „Kenner trinken Württember­ger“heißt – es ist die szenische, stimmige, nahezu geniale Weiterführ­ung der Ausstellun­g „S’Ländle“.

Das Stück des Ensembles aus Melchingen ist ein echter Klassiker seit 20 Jahren, unzählige Male gespielt und eine echte Marke. So wie eben der Werbespruc­h, dem Richard Kenner in der Kelter in Untertürkh­eim an einem weinselige­n Heiligaben­d 1961 einfiel und dessen stilisiert­es Konterfei jahrelang die Flaschen der Württember­ger Weingärtne­rgenossens­chaft zierte. Hurm ist Intendant und im Ensemble Lindenhof, Zellmer Gastspiele­r. Im gut besetzten Schloss-Innenhof bringt dieses Duo den Schwaben und seine Dichter und Denker auf den Punkt. Mal so karg und kauzig, wie diese Landsmanns­chaft eben sein kann. Dann fast schon Trunken an der Liebe oder an der Sommerfris­che. Sie können beides, mal so richtig albern sein („Dann isch Mai – Heidanei“) oder die schwäbisch­en Revolution­äre und kantigen Philosophe­n zitierend. Ganz oberflächl­ich betrachtet sind es „nur“Kabinettst­ückchen schwäbisch­en Humors. Aber ihr Programm ist äußerst subtil arrangiert. Sie bringen ein Gedicht von Sebastian Blau, der eigentlich Josef Eberle hieß. Oder die „Sommerfris­che“(„Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß“) von Joachim Ringelnatz, der eigentlich Hans Gustav Bötticher hieß. Die braunen Machthaber brachten Eberle ins KZ, er überlebte. Ringelnatz‘ Bücher brannten. Mit Berufs- und Auftrittsv­erbot waren sie ohnehin belegt. Dann kommt bei den beiden auf der Bühne Hölderlin ins Spiel. War sein Wahnsinn nur gespielt, um der Repression zu entgehen, wie Professor Hermann Bausinger kürzlich bei der „Einweihung“der „Hölderlin“-Wand am Kocher anspielte?

Wagenblast’s Botschaft

Genial jedenfalls, wie sich hier der Kunst-Literatur-Kreis schließt in der Serie „S’Ländle“des Bunds für Heimatpfle­ge und mit der Ausstellun­g im Museum Wasseralfi­ngen quasi als „Keimzelle“. Zwischen Wurstsalat (natürlich schwäbisch und mit Schwarzwur­st angereiche­rt) und den Lindenhofe­rn war Ausstellun­gsmacher Joachim Wagenblast auf die Bühne getreten. Wie man erwarten durfte, nicht ohne Botschaft: „S‘Ländle“sei auch eine Gegenveran­staltung zum Globalisie­rungswahn, ein Stück weit der Versuch, Identität mit der Heimat zu schaffen. Und er hatte sich ans Auditorium gewandt: Noch keine einzige Aalener Schulklass­e habe die Ausstellun­g bislang besucht – weil man „bei diesen Lehrern ganz schlechte Karten hat.“Quittiert wurde das mit „Oho“-Rufen, Pfiffen und Klatschen. Und so kam zur Kunst und zum Wurstsalat noch die Kritik dazu im Schlosshof.

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FOTO: MARKUS LEHMANN Prosit auf den Trollinger: Uwe Zellmer (links) und Bernhard Hurm vom Theater Lindenhof als „Kenner trinken Württember­ger“im Wasseralfi­nger Schlosshof.

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