Schwaben-Duo lässt Geist aus der Flasche
Theater Lindenhof präsentiert im Schlosshof „Kenner trinken Württemberger“
AALEN-WASSERALFINGEN - Was ist denn bitte ein „Molière-Nägele“? Der steckt in der Bühne im Schloss Wasseralfingen. An den hängt Bernhard Hurm seinen Hut, bevor er so richtig loslegt. Am Freitag ist hier auf der höfischen Rampe Premiere von „Molière!“des Theaters der Stadt Aalen. Drei Tage vorher nutzte er sie mit Uwe Zellmer, um ganz tief in die schwäbische Seele zu tauchen. Mit Stücken von Paulus bis Uhland. Das geht auch bei den beiden vom Theater Lindenhof natürlich nur mit einem gelegentlichen Viertele Trollinger in der Hand. Schon weil die Sache „Kenner trinken Württemberger“heißt – es ist die szenische, stimmige, nahezu geniale Weiterführung der Ausstellung „S’Ländle“.
Das Stück des Ensembles aus Melchingen ist ein echter Klassiker seit 20 Jahren, unzählige Male gespielt und eine echte Marke. So wie eben der Werbespruch, dem Richard Kenner in der Kelter in Untertürkheim an einem weinseligen Heiligabend 1961 einfiel und dessen stilisiertes Konterfei jahrelang die Flaschen der Württemberger Weingärtnergenossenschaft zierte. Hurm ist Intendant und im Ensemble Lindenhof, Zellmer Gastspieler. Im gut besetzten Schloss-Innenhof bringt dieses Duo den Schwaben und seine Dichter und Denker auf den Punkt. Mal so karg und kauzig, wie diese Landsmannschaft eben sein kann. Dann fast schon Trunken an der Liebe oder an der Sommerfrische. Sie können beides, mal so richtig albern sein („Dann isch Mai – Heidanei“) oder die schwäbischen Revolutionäre und kantigen Philosophen zitierend. Ganz oberflächlich betrachtet sind es „nur“Kabinettstückchen schwäbischen Humors. Aber ihr Programm ist äußerst subtil arrangiert. Sie bringen ein Gedicht von Sebastian Blau, der eigentlich Josef Eberle hieß. Oder die „Sommerfrische“(„Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß“) von Joachim Ringelnatz, der eigentlich Hans Gustav Bötticher hieß. Die braunen Machthaber brachten Eberle ins KZ, er überlebte. Ringelnatz‘ Bücher brannten. Mit Berufs- und Auftrittsverbot waren sie ohnehin belegt. Dann kommt bei den beiden auf der Bühne Hölderlin ins Spiel. War sein Wahnsinn nur gespielt, um der Repression zu entgehen, wie Professor Hermann Bausinger kürzlich bei der „Einweihung“der „Hölderlin“-Wand am Kocher anspielte?
Wagenblast’s Botschaft
Genial jedenfalls, wie sich hier der Kunst-Literatur-Kreis schließt in der Serie „S’Ländle“des Bunds für Heimatpflege und mit der Ausstellung im Museum Wasseralfingen quasi als „Keimzelle“. Zwischen Wurstsalat (natürlich schwäbisch und mit Schwarzwurst angereichert) und den Lindenhofern war Ausstellungsmacher Joachim Wagenblast auf die Bühne getreten. Wie man erwarten durfte, nicht ohne Botschaft: „S‘Ländle“sei auch eine Gegenveranstaltung zum Globalisierungswahn, ein Stück weit der Versuch, Identität mit der Heimat zu schaffen. Und er hatte sich ans Auditorium gewandt: Noch keine einzige Aalener Schulklasse habe die Ausstellung bislang besucht – weil man „bei diesen Lehrern ganz schlechte Karten hat.“Quittiert wurde das mit „Oho“-Rufen, Pfiffen und Klatschen. Und so kam zur Kunst und zum Wurstsalat noch die Kritik dazu im Schlosshof.