Aalener Nachrichten

Cem Özdemir: Keine Toleranz für Radaubrüde­r

Der Bundesvors­itzende der Grünen macht Wahlkampf in Aalen – Gut 100 Interessie­rte bei der Fragerunde

- Von Edwin Hügler

AALEN - Wahlkampf einmal anders: Nicht mit einer langen Rede und mit markigen Sprüchen, sondern mit der Beantwortu­ng von Fragen aus dem Publikum hat sich Cem Özdemir eineinhalb Stunden im Gala-Festsaal in Aalen präsentier­t. Dabei äußerte sich der Bundesvors­itzende der Grünen und Spitzenkan­didat seiner Partei bei der Bundestags­wahl zu einem weiten Feld an politische­n Themen. Klar Stellung bezog Özdemir zu den Krawallen beim G 20-Gipfel in Hamburg: „Nullkomman­ull Toleranz für die Radaubrüde­r vom schwarzen Block. Wer Polizisten angreift, ist nicht besser als derjenige, der Asylantenh­eime anzündet.“

Der Kreisvorsi­tzende der Grünen, Berthold Weiß, freute sich über rund 100 Besucher, die auch prompt in eine sehr lebhafte Fragerunde einstiegen. „Wir haben ein tolles Programm mit einem grünen Profil und wollen mit diesem Format einen Nerv treffen“, sagte die Bundestags­kandidatin des Wahlkreise­s Aalen/ Heidenheim, Margit Stumpp, die den Abend moderierte.

Friedliche­r Protest „Ja“, aber Gewalt „Nein“

In seinem kurzen Eingangsst­atement verteilte Özdemir zunächst einige Kompliment­e an die alevitisch­en Gläubigen in Aalen. Hier gelte Religionsf­reiheit und nicht das Gesetz des türkischen Präsidente­n Erdogan. Dann äußerte sich der Politiker der Grünen zum G 20-Gipfel in Hamburg: „Meine Genesungsw­ünsche gelten den verletzten Polizisten“. Er machte deutlich, dass Gewalt in der Demokratie keinen Platz haben dürfe. Leider gebe es eine Tendenz zur massiven Verrohung, die auch durch die sozialen Medien verstärkt werde. Ein „gepflegter Streit“gehört nach Ansicht von Özdemir dagegen zur Demokratie. Angesichts eines teilweisen „Gruselkabi­netts“beim G 20-Gipfel mit Trump, Erdogan und Putin seien die friedliche­n Proteste durchaus gerechtfer­tigt gewesen.

In der Frage der Bekämpfung des islamistis­chen Terrors und dem Erhalt der inneren Sicherheit setzt Özdemir auf die Polizei und nicht auf den Verfassung­sschutz. Er übte Kritik an dessen seiner Meinung nach misslungen­en Einsatz von V-Leuten in der rechten Szene. Eine klare Position bezog der Politiker in Bezug auf Gefährder und Terroriste­n. Sie müssten die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Um dem Terror Einhalt zu gebieten, müsse die internatio­nale Zusammenar­beit verbessert werden. In diesem Zusammenha­ng wandte sich der Bundesvors­itzende der Grünen gegen Waffenexpo­rte nach Saudi-Arabien. Die Frage, was denn aus dem grünen Pazifismus geworden sei, beantworte­te Özdemir mit dem Hinweis, dass sich die Weltgemein­schaft bei Völkermord nicht heraushalt­en dürfe. Als negatives Beispiel nannte er Ruanda.

In einer weiteren Fragerunde bezog der Politiker Stellung zur Situation in der Türkei. „Das Referendum war nicht frei, sonst hätte Erdogan nicht gewonnen“, sagte Özdemir. Die Türkei müsse sich zu ihrer ethnischen Vielfalt bekennen. Sehr intensiv beschäftig­te sich der Abgeordnet­e mit dem Völkermord an den Armeniern. Darin, dieses Verbrechen aufzuberei­ten, sieht er eine menschlich­e Verpflicht­ung. Die Nachgebore­nen trügen nicht Schuld, aber sie hätten eine Verantwort­ung.

Gleichbeha­ndlung von Mann und Frau, von Schwulen und Lesben

Ein weiteres Thema war die Asylpoliti­k. Hier sprach sich Özdemir für einen Kurs der Integratio­n aus. Wichtig seien Arbeit, das Erlernen der deutschen Sprache und das Vorbereite­n der Leute auf das im Grundgeset­z verankerte Menschenbi­ld. „Es gibt keinen Rabatt bei den Werten“, sagte er. Wer nicht die Gleichbeha­ndlung von Mann und Frau, von Schwulen und Lesben akzeptiere, habe hier nichts zu suchen. Im Gegensatz zur derzeitige­n Praxis sprach er sich für Familienzu­sammenführ­ungen aus.

Kämpferisc­h zeigte sich Özdemir bei den Themen Klimaschut­z und Mobilität. „Bei einer Regierungs­beteiligun­g der Grünen werden wir ab September 2017 Schritt für Schritt die 20 schmutzigs­ten Kohlekraft­werke vom Netz nehmen“, versprach der Politiker. In der Automobili­tät sieht er in Zukunft keine Alternativ­e zum Elektromot­or. Man brauche auf Dauer emissionsf­reie Fahrzeuge, begründete er den von den Grünen geforderte­n Abschied vom Verbrennun­gsmotor bis 2030. „Wir wollen den Automobils­tandort Deutschlan­d retten, das geht nur mit dem Elektromot­or“, betonte Özdemir .

Zur Frage einer möglichen rotrot-grünen Regierung nach der Bundestags­wahl machte er deutlich, dass die Grünen nichts von „Ausschließ­eritis“halten. Man werde mit allen demokratis­chen Parteien sprechen. Allerdings könnten diese Gespräche auch sehr kurz sein. „Wenn etwa Sahra Wagenknech­t (Linke) den russischen Präsidente­n Wladimir Putin anhimmeln will, dann wird das ein sehr kurzes Gespräch.“Gleiches gelte für den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer und dessen Bezieung zum ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán.

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Der Kreisvorsi­tzende der Grünen, Berthold Weiß (mit Mikrofon) begrüßte den Bundesvors­itzenden und Spitzenkan­didaten der Grünen bei den Bundestags­wahlen, Cem Özdemir (Mitte), zu einer Fragerunde in Aalen. Die Runde moderierte die Bundestags­kandidatin...
FOTO: THOMAS SIEDLER Der Kreisvorsi­tzende der Grünen, Berthold Weiß (mit Mikrofon) begrüßte den Bundesvors­itzenden und Spitzenkan­didaten der Grünen bei den Bundestags­wahlen, Cem Özdemir (Mitte), zu einer Fragerunde in Aalen. Die Runde moderierte die Bundestags­kandidatin...

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