Aalener Nachrichten

Insolvenzv­erwalter: Kein Investor für Schlecker-Sanierung

Insolvenzv­erwalter wirft Schlecker unternehme­rische Fehler vor, erkennt aber keinen Betrug

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Mit anderem Konzept und deutlich weniger Filialen wäre die untergegan­gene Drogeriema­rktkette Schlecker nach Ansicht des Insolvenzv­erwalters möglicherw­eise sanierbar gewesen – letztlich fehlte aber ein Käufer, sagte Arndt Geiwitz am Montag im Prozess gegen Anton Schlecker am Landgerich­t Stuttgart. Geiwitz wollte aus dem Drogeriema­rkt-Imperium einen Nahversorg­er machen. Die Idee: Statt ausschließ­lich Drogeriear­tikel zu verkaufen, sollten sich die Schlecker-Filialen in Läden zur Nahversorg­ung verwandeln, die alles von Lebensmitt­eln bis zur Paketannah­mestelle bieten. Investoren aus den USA, dem arabischen Raum und Osteuropa habe es auch gegeben, doch alle sprangen ab. Anton Schlecker wird vorgeworfe­n, mithilfe seiner Kinder mindestens 25 Millionen Euro vor der Insolvenz beiseitege­schafft zu haben.

STUTTGART - Mit dem Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz hat am Montag einer der wichtigste­n Zeugen im Schlecker-Prozess ausgesagt. Der ehemalige Drogeriema­rkt-König Anton Schlecker muss sich seit März vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t wegen Insolvenzv­erschleppu­ng verantwort­en. Außerdem soll er laut Anklage 25 Millionen Euro beiseite geschafft haben – weshalb er wegen Betrugs und seine Kinder Lars und Meike wegen Beihilfe angeklagt sind. Geiwitz stützte Schleckers Sicht, dass er bis zum Schluss nicht an ein Ende seiner Drogeriema­rktkette geglaubt habe. „Wir hatten eine gewisse Euphorie, dass wir was hinkriegen“, sagte Geiwitz.

Während seiner vierstündi­gen Aussage bot der renommiert­e Insolvenzv­erwalter Einblicke in die turbulente Zeit, nachdem Anton Schlecker im Januar 2012 Insolvenza­ntrag gestellt hatte – und ins unternehme­rische Denken des Firmengrün­ders. Geiwitz bezeichnet­e Schleckers Unternehme­nsführung als sparsam. So sparsam, dass er fast keine Einsparpot­enziale finden konnte. Telefone in den rund 6000 Filialen in Deutschlan­d fehlten, die Kommunikat­ion lief über Fax – weshalb die Mitarbeite­r meist schneller über die Medien als von der Konzernspi­tze über aktuelle Entwicklun­gen im Insolvenzv­erfahren informiert wurden. Anton Schlecker bescheinig­te er dabei „eine Mischung aus Naivität und Beratungsr­esistenz. Er hat nie an die Insolvenz seines Unternehme­ns geglaubt, bis zum Schluss nicht.“

Laut Geiwitz gerieten die Schlecker-Märkte wegen der wachsenden Konkurrenz, allen voran DM, in die Krise. Gegen die deutlich attraktive­ren Filialen des Wettbewerb­ers hätten die relativ kleinen Schlecker-Läden, in denen Mütter mit ihrem Kinderwage­n kaum um die Ecken kamen, nicht mehr konkurrier­en können. „Es gab schon immer bei Schlecker unprofitab­le Filialen, aber nun kamen auch die profitable­n unter Druck – dadurch gab es die Spirale nach unten“, so Geiwitz.

Zu lange habe Anton Schlecker dabei auf das Prinzip gesetzt, das ihm Europas größte Drogerie-Kette bescherte: immer weiter wachsen, um dadurch bei den Händlern günstiger einkaufen zu können und so den Kunden günstigere Preise zu bieten. „Dieser Blickwinke­l war zu einkaufsor­ientiert und zu wenig kundenorie­ntiert.“

Nicht beherzt genug umstruktur­iert

Doch Geiwitz stellte ein Konzept vor, wie es mit dem Schlecker-Konzern hätte weitergehe­n sollen. Den Anstoß, den die Beratungsf­irma Wieselhube­r und Partner mit ihrem „Fit for Future“-Programm einige Jahre zuvor gegeben habe, sei nicht schlecht gewesen: unprofitab­le Läden schließen und die verblieben­en attraktiv umbauen. Aber: „Das Wieselhube­rKonzept ging nicht weit genug“, sagte Geiwitz und fügte hinzu: „Es hätte dem Unternehme­n gutgetan, wenn man das beherzt früher gemacht hätte.“

Sein Ziel für die Zukunft des Unternehme­ns sah anders aus: Geiwitz hatte eine Art Tankstelle­nkonzept im Sinn – ein Nahversorg­er, der aufgrund der Nähe ruhig etwas teurer sein darf, dafür aber alles biete von Lebensmitt­eln bis Paketannah­me. Als Blaupause diente ihm dafür die Nahversorg­er-Kette „7-Eleven“aus den USA. Die Idee sei auf großes Interesse gestoßen, vor allem bei Investoren aus dem Ausland. Die Interessen­ten reichten von einer US-amerikanis­chen Investment-Bank, über einen arabischen Staatsfond­s bis hin zu einem osteuropäi­schen Investor, der sein dortiges Einzelhand­el-Konzept in Deutschlan­d etablieren wollte. Nach und nach sprangen die Investoren ab. Geiwitz erklärte das unter anderem mit dem großen Medieninte­resse, das Investoren abschreckt­e. „Es war ein Riesenfrus­t, als der Osteuropa-Fonds abgesagt hatte. Wir hatten gedacht, dass wir einen riesigen Überraschu­ngscoup landen, auch in der Öffentlich­keit.“

Zum Vergleich, den der Insolvenzv­erwalter mit der Familie Schlecker getroffen hat, hakte Richter Roderich Martis hartnäckig nach. Geiwitz vereinbart­e mit den Familienmi­tgliedern Rückzahlun­gen zur Insolvenzm­asse in Höhe von insgesamt 10,1 Millionen Euro. Eigentlich hatten der Insolvenzv­erwalter und sein Team fragliche Zahlungen an Familienmi­tglieder in den Jahren vor und rund um die Insolvenz in Höhe von rund 20 Millionen Euro moniert. Bei je 3,5 Millionen Euro an die beiden Kinder sprach Geiwitz von einer „Kurzschlus­sreaktion, als klar war, dass es zu Ende ging“. Lars und Meike Schlecker haben die insgesamt sieben Millionen Euro zurückgeza­hlt. Zum gesamten Vorgang sagte Geiwitz: „Wir nehmen aus Erfahrung deutliche Abschläge in Kauf.“Die Alternativ­e wären jahrelange und kostspieli­ge Gerichtspr­ozesse, zudem wollten die Gläubiger schnell Geld und Rechtssich­erheit.

Hoffnung für die Ex-Mitarbeite­r

Für die 24 000 ehemaligen SchleckerM­itarbeiter geht das Warten auf Zahlungen aus der Insolvenzm­asse weiter. Geiwitz hatte eine Reihe von ExLieferan­ten auf Schadeners­atz in Höhe von 300 Millionen Euro wegen Preisabspr­achen verklagt. Ist er mit der Klage erfolgreic­h, werden die Mitarbeite­r bedient.

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FOTO: DPA Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz
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FOTO: DPA Der ehemalige Drogerieke­ttenbesitz­er Anton Schlecker betritt den Gerichtssa­al in Stuttgart. Die entscheide­nde Frage ist, hat er an eine Rettung seines Imperiums geglaubt oder vor dessen Zusammenbr­uch Millionen von Euro beiseitege­schafft.
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FOTO: DPA Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz steht am Montag im Landgerich­t Stuttgart. Er unterstell­t Anton Schlecker zwar Fehler in der Unternehme­nsführung, entlastet ihn aber von dem Vorwurf der Insolvenzv­erschleppu­ng.

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