Bundesregierung will Erdogan im Konya-Streit keine Frist setzen
Türkei erlaubt keinen Abgeordnetenbesuch auf dem Stützpunkt – SPD hält einen Abzug der deutschen Soldaten für möglich
BERLIN - Angela Merkel legt sich fest – einerseits: „Das Besuchsrecht ist nicht verhandelbar“, lässt die Kanzlerin am Montag Regierungssprecher Steffen Seibert ihre Haltung im Streit über den türkischen Nato-Stützpunkt Konya bekräftigen.
Aber eine Frist für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, bis wann spätestens die Abgeordneten des Bundestages die deutschen Soldaten in Konya besucht haben müssen? Fehlanzeige, die Kanzlerin weicht aus: „Ich halte es nicht für sinnvoll, jetzt hier Zeiterwartungen in den Raum zu stellen oder Zeitfristen zu nennen“, erklärt ihr Sprecher. „Das Ganze ist misslich, ausgesprochen misslich“, sagte Merkel selbst in ihrem ARD-Interview am Sonntagabend, einen politischen Handel lehne sie „rundweg“ab.
Eine für Montag geplante Visite in Konya musste in letzter Minute abgesagt werden, weil die Türkei um eine „Verschiebung“gebeten hatte. Das wird als Retourkutsche für das Redeverbot für Erdogan am Rand des G20Gipfels in der vergangenen Woche interpretiert. Folgt auf den Abzug aus Incirlik nun wömöglich auch der Abzug aus Konya, von wo aus sich die Nato mit Awacs-Flugzeugen am Kampf gegen den „Islamischen Staat“beteiligt? Die SPD versucht, aus dem Streit mit Erdogan politisches Kapital zu schlagen, Merkel in die Zwickmühle zu treiben: „Bis zur nächsten Sitzungswoche des Bundestages im September müssen wir wissen, was Sache ist. Das ist unsere Frist“, forderte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, am Montag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Wenn es im September noch keine Möglichkeit gibt, die Soldaten in Konya zu besuchen, müsste Merkel mit der Nato „über den Abzug der deutschen Truppen reden“, sagte Arnold weiter. Druck macht auch Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages: „Wenn die Türkei nicht einlenkt, sollte der Nato-Stützpunkt in ein anderes Partnerland verlegt werden“, fordert er.
Redeverbot für Erdogan
Für Merkel ein heikler Streit. Vor dem G20-Gipfel hatte sie nach langem Zögern Erdogan ein Redeverbot in Deutschland erteilt, dabei wohl auch die Erdogan-kritische deutsche Bevölkerung im Blick. Sollte sie nun keine harte Haltung gegenüber Ankara zeigen, würde ihr das schnell als Lavieren ausgelegt werden. Doch anders als in Incirlik geht es in Konya um einen Nato-Einsatz, der durch einen Abzug der deutschen Awacs-Besatzung auf dem Spiel stünde.
Hans-Peter Uhl (CSU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, warnt davor: „Auf gar keinen Fall sollten wir die deutschen Soldaten abziehen“. Uhl will lieber auf das Besuchsrecht verzichten: „Dieses Recht ist nicht so wichtig in dem Fall, um die Nato-Bündnistreue zu opfern.“Die Forderung der SPD zum Abzug sei „kursichtig und gefährlich“, kritisierte auch der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte (CDU).
Merkels Hoffnung dürfte nun auf Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ruhen, der als Vermittler aktiv wird. Am Freitag führte er erste Gespräche mit Ankara. Stoltenberg müsse Erdogan „klar machen, welchen langfristigen Schaden sein Verhalten für die türkische Stellung in der Militärallianz anrichten würde“, sagte SPD-Verteidigungsexperte Arnold.