Millionen von Zeitbomben im Wohnzimmer
Ramschelektronik verursacht Brände und stört Funk – Zahl der gefährlichen Geräte seit 2014 verdoppelt
BONN (dpa) - Der Einbaustrahler aus einem Kölner China-Markt kostet nur 2,50 Euro – ein Zehntel des Preises für eine Markenlampe. Dafür könnte das Billig-Netzteil in der Lampe Störfrequenzen erzeugen, warnt Kontrolleur Uwe Saalmann von der Bundesnetzagentur. Die Wärme staut sich im Plastik des Ramschprodukts – Brandgefahr. Eine verständliche Gebrauchsanweisung und die vorgeschriebene CEHersteller-Kennzeichnung fehlen sowieso. Die Marktüberwachung der Bundesnetzagentur zog die Lampe aus dem Verkehr.
Lampen und Funkkopfhörer, Drohnen, Steckdosenleisten, Handfunkgeräte und sogenannte FMTransmitter, die Musik vom Smartphone zum Radio übertragen: Störanfällige Billig-Elektroprodukte – oft, aber nicht immer aus China – überschwemmen seit Jahren zunehmend den Markt. Das hängt auch damit zusammen, dass immer mehr Kunden im Internet einkaufen, wobei Lieferungen schwer zu kontrollieren sind. Die Bonner Bundesnetzagentur, die über einen störungsfreien Funk- und Radiobetrieb wacht, der Zoll und die regionalen Aufsichtsbehörden führen angesichts der Importschwemme einen schwierigen Kampf.
„Der Vertrieb übers Netz drückt immer mehr rein“, sagt ein Behördensprecher. „Das ist wie Don Quichotte – in manche Läden können Sie jede Woche wieder gehen“, sagt Saalmann, der von Dortmund aus in fast ganz Nordrhein-Westfalen kontrolliert. Bei der Bundesnetzagentur überwachen bereits mehr als 400 Mitarbeiter an 20 Standorten den Markt und beheben Funkstörungen. „Angesichts der wachsenden Flut unsicherer Produkte werden wir unsere Arbeit vor allem im OnlineHandel weiter intensivieren“, sagt Behördenchef Jochen Homann.
Die Aufsichtsbehörde stellt ab heute in einer Wanderausstellung besonders gefährliche Geräte aus, die in manchen Fällen wie Zeitbomben im Wohn- oder Schlafzimmer wirken: Ein Film in der Ausstellung zeigt, wie eine Funksteckdose aus Billigmaterial im Versuchslabor unter Stromlast erst Funken schlägt und dann Feuer fängt. Der Brand wäre unter realen Bedingungen wohl lebensgefährlich.
Eine dänische Design-Glühbirne – zu Tausenden am deutschen Markt vertrieben – stört so stark den Radioempfang, dass man in der Ausstellung ein direkt danebenstehendes Radio kaum noch verstehen kann. Ersatzlos vom Markt genommen wurde auch eine Haar-Glättbürste aus den Niederlanden – sie brachte nicht nur allzu lockiges Haar auf Temperatur und dann in Form, sondern produzierte mangels ausreichender Abschirmung auch am Griff noch 121,5 Grad Celsius.
Mehr Marktüberwachung
Die Zahl der aus dem Verkehr gezogenen Produkte hat sich in kurzer Zeit mehr als verdoppelt: Von 530 000 Geräten 2014 wuchs sie nach neuesten Zahlen der Netzagentur im vergangenen Jahr auf rund 1,25 Millionen. Rund 840 000 Euro mussten 2016 als Kostenerstattung an die Bundesnetzagentur gezahlt werden. Der Elektro-Branchenverband ZVEI fordert noch mehr Engagement von den Kontrolleuren: „Die Behörden müssen konsequenter gegen solche Machenschaften vorgehen. Seit vielen Jahren fordern wir, die staatliche Marküberwachung zu stärken“, sagt Haimo Huhle, beim Verband zuständig für Produktsicherheit.
Unter den verbotenen Produkten sind auch Spionage-Artikel – zum Beispiel die sprechende und vermeintlich harmlose Puppe „Cayla“laut Werbung „fast wie eine richtige Freundin“, die über eine britische Spielzeugfirma in Deutschland angeboten wurde. Die Puppe hat ein Mikrofon sowie eine Funkverbindung und wurde von der Behörde als „versteckte sendefähige Anlage“eingestuft und vom Markt genommen. Denn schließlich kann die Puppe Gespräche im Kinderzimmer aufzeichnen; obendrein ließ sich die Funkverbindung leicht knacken, sodass Externe mithören konnten.
In der Ausstellung sind neben verbotenen Knopfloch-Kameras zum heimlichen Filmen auch illegale Handy-Störsender (Jammer) zu sehen – getarnt etwa als Zigarettenschachtel. Solche Handyblocker sind streng verboten, weil sie den Mobilfunkverkehr im Umkreis des Nutzers ausschalten. Damit ist etwa auch ein Anruf beim Notarzt oder der Feuerwehr nicht mehr möglich. Es drohen fünfstellige Bußgelder – im Internet gibt es die Geräte dennoch für teils unter 100 Euro zu kaufen.
Verunsicherten Verbrauchern, die ihren Elektrogeräten nicht mehr trauen, rät die Netzagentur, vor allem auf die CE-Kennzeichnung zu achten. Sie enthält zwar auch nur eine Selbsterklärung des Unternehmens, EU-weite Normen zu erfüllen – bei falschen Angaben haftet die Firma aber dafür. In Sonderfällen wie der Puppe „Cayla“greift die Bonner Behörde dagegen zu härteren Mitteln: Hier riet sie den Verbrauchern Mitte Februar dieses Jahres schlicht und einfach, die Puppe zu zerstören.