Aalener Nachrichten

Eine Brücke gegen den Frust

Von Kroatien nach Kroatien ohne EU-Austritt: Bosnien-Herzegowin­a wird umfahren

- Von Thomas Brey

STON (dpa) - „Das ist der Durchbruch!“, freut sich Ante Mlinaric in seinem kleinen Familienho­tel im kroatische­n Örtchen Ston an der südlichen Adria. „Das gibt dem Tourismus Schwung!“Anlass seiner Euphorie ist eine neue Brücke, die den Frust für Urlauber in der Region vergessen machen soll. Denn weil das Nachbarlan­d Bosnien-Herzegowin­a auf 23 Kilometern Länge bis an die Küste reicht und damit Kroatiens Territoriu­m am Meer unterbrich­t, müssen Durchreise­nde aus Westeuropa viele Formalität­en über sich ergehen lassen. Kroatien ist Mitglied der EU, Bosnien-Herzegowin­a ist es nicht. Lange Staus sind die Folge.

Die Brücke soll das ändern. Die EU-Kommission hat im letzten Monat 357 Millionen Euro genehmigt – immerhin 85 Prozent der Gesamtkost­en von 420 Millionen Euro. Damit werden die 2,4 Kilometer lange Brücke sowie 20 Kilometer Zu- und Abfahrten gebaut. Seit 20 Jahren schon wurde das Projekt geplant, zweimal bereits der Grundstein gelegt – doch die Bauarbeite­n wurden aus Geldmangel wieder eingestell­t – zuletzt 2010. Wen man an der kroatische­n Adria auch fragt, es wird nur in Superlativ­en geantworte­t: Die Brücke gebe Hoffnung, sei ein „süßes Wunder“und lasse „Träume wahr werden“.

Kleine Brücke, große Wirkung

Warum die vergleichs­weise kleine Brücke, die bis 2022 fertiggest­ellt werden soll, so große Bedeutung hat, ist schnell erklärt. Das südliche Dalmatien mit der Urlauberho­chburg Dubrovnik ist seit der Unabhängig­keit Kroatiens 1991 vom großen Rest des Landes abgeschnit­ten. Denn zwischen Nord- und Südkroatie­n schiebt sich Bosnien-Herzegowin­a mit seinem Badeort Neum dazwischen. Der nun in Angriff genommene Verkehrswe­g überbrückt diesen Zwischenra­um.

Er zweigt vor Erreichen der bosnischen Grenze beim Ort Komarna vom Festland ab und erreicht über das Meer die kroatische Halbinsel Peljesac bei Brijest. Von dort geht es zurück zur pittoreske­n Festlandkü­ste. Der verkehrste­chnische Bremsklotz Bosnien ist damit umgangen. Bosnische Politiker waren jahrelang gegen die Brücke Sturm gelaufen, weil sie eine Einschränk­ung des Schiffsver­kehrs und damit das Ende des ungehinder­ten Zugangs zum Meer fürchteten. Aber jetzt sollen auch große Schiffe die 55 Meter hohe Brücke passieren können.

Juristisch gilt ein zusammenhä­ngendes Hoheitsgeb­iet als eine von drei Voraussetz­ungen für einen Staat. Das Staatsgebi­et Kroatiens ist bisher aber zerstückel­t. Und damit auch das Gebiet der EU, dessen Mitglied das Adrialand seit 2013 ist. Dies war wohl auch das Argument, mit dem Zagreb in Brüssel so viel Geld locker machen konnte. Daneben zählte sicher noch der Wunsch des Landes, sich dem visafreien EUSchengen­raum anzuschlie­ßen. Für den wäre die Aus- und Wiedereinr­eise zwischen Kroatien und Bosnien auf so kurzer Strecke ein zusätzlich­es Sicherheit­sproblem.

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