Die Dauerausstellung bleibt geöffnet
Tennis-Legende Roger Federer macht weiter – womöglich sogar bis 40
LONDON (SID/dpa) - Selbst der unverwüstliche Roger Federer sah etwas angeschlagen aus, als er in Wimbledon nach einer kurzen Nacht noch mal vor die Weltpresse trat. „Wir haben bis fünf Uhr morgens in einer Bar gefeiert“, sagte der Maestro, aber nicht nur wegen des Schlaf-defizits war er am Montagvormittag ein wenig blass um die Nase. Er habe „eine gute Zeit“gehabt mit „30, 40 Freunden“, dabei habe es „viele und zu viele unterschiedliche Drinks“gegeben: „Ich bin mit Kopfweh aufgewacht.“
Nach seinem historischen achten Triumph beim wichtigsten Tennisturnier der Welt ließ es der bald 36 Jahre alte Vater von vier Kindern also krachen, doch Partynächte werden die Ausnahme bleiben. Schließlich trägt der Schweizer mehr als nur die Verantwortung für seine eigene Karriere auf den Schultern.
„Das achte Weltwunder“(„Times“) ist das globale Aushängeschild der Tennistour. Weltweit wird Federer verehrt, oft als „unbestritten der Größte der Geschichte“(„Daily Mail“) bezeichnet. Für den „Telegraph“ist der nun 19-malige Grand-Slam-Sieger und älteste Wimbledon-Champion der Profiära „Teil der britischen Sportgeschichte, eine Dauerausstellung, von der man sich wünscht, sie würde nie geschlossen“. Nach seinem Rekordsieg am Sonntag wurde Federer gefragt, ob er es sich vorstellen könne, auch mit 40 Jahren noch in Wimbledon zu spielen. Federer antwortete: „Das glaube ich schon, wenn die Gesundheit mitmacht. Und ich vor Wimbledon 300 Tage Pause mache, mich in eine Gefriertruhe packe, rauskomme und ein bisschen trainiere.“
Mit anderen Worten: Ewig wird Federer nicht mehr spielen, und den meisten Fans und vielen Kollegen und Kolleginnen auf der Tour graut es vor dem Tag, wenn er unwiderruflich aufhört. Nach der 131. Auflage der Championships, die Federer wie noch nie zuvor dominiert und erstmals ohne Satzverlust gewonnen hatte, wurde er mit Liebe überschüttet. Von Herzogin Kate bekam er drei Küsschen, von seinen Anhängern unzählige Glückwünsche über die Sozialen Medien. Stets verbunden mit der Hoffnung, Federer möge noch lange weiterspielen.
Versprechen wollte der 19-malige Grand-Slam-Sieger allerdings nichts, wie sollte er auch nach dem vergangenen Jahr, in dem er sich sechs Monate von seinen Knie- und Rückenproblemen erholen musste. „Das Ziel“, sagte er, „ist definitiv, im nächsten Jahr zurückzukommen und zu versuchen, den Titel zu verteidigen“. Zwölf Monate, weiter nach vorne will der älteste Wimbledonsieger in der Geschichte des Profitennis nicht mehr blicken, am liebsten würde er nur von Tag zu Tag planen.
In dieser Saison hat Federer gerade erst Schwung aufgenommen, die Pause während der Sandplatzsaison wirkte wie ein Jungbrunnen. Die nächsten Ziele liegen in Nordamerika, vielleicht in Montreal, auf jeden Fall aber in Cincinnati und bei den US Open in New York. Auch dort wird Federer der Mann sein, den es zu schlagen gilt, seine bisherigen Auftritte in diesem Jahr mit den Titeln in Melbourne, Indian Wells, Miami, Halle und Wimbledon haben der Konkurrenz wieder das Fürchten gelehrt. Auch ein Sprung an die Spitze der Weltrangliste ist wieder möglich: Dritter ist Federer nun hinter Andy Murray und Rafael Nadal und vor Novak Djokovic, die „Big four“sind also wieder zusammen.
Während seine Kontrahenten Murray und Djokovic mit Blessuren und Verschleißerscheinungen ihres Körpers zu kämpfen haben und möglicherweise länger pausieren müssen, wirkt Federer, als stünde die Quelle der ewigen Jugend bei ihm zu Hause in der Schweiz. „Er steht weniger als einen Monat vor seinem 36. Geburtstag, aber die letzten zwei Wochen hat er über die Tennisplätze getanzt wie ein Teenager in der Disco“, schrieb „The Independent“.
„Rogers Geheimnis ist sein Familienleben“, analysierte Boris Becke., Federer bestätigte das: „Meine Frau ist komplett einverstanden damit, dass ich noch immer spiele. Sie ist mein größter Fan. Sie ist unglaublich.“Federer hat die Balance gefunden zwischen Wohnzimmer und Tennisplatz und besitzt die Gabe, mit weniger Aufwand maximalen Erfolg zu erzielen. „Ich habe den Eindruck, gerade fast halbtags zu arbeiten“, sagte er: „Und das ist ein tolles Gefühl.“Das jedoch selbst bei ihm nicht mehr ewig anhalten wird.