Aalener Nachrichten

„Es gibt mehr Fragen als am Anfang“

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BERLIN - Der Prozess habe gezeigt, dass der NSU keine isolierte Zelle sei. Das sagte Mehmet Daimagüler (Foto: dpa), Nebenkläge­r-Anwalt im Münchener NSU-Prozess, im Gespräch mit Rasmus Buchsteine­r.

Herr Daimagüler, beim NSUProzess in München sollten am Mittwoch eigentlich die Plädoyers verlesen werden. Wie haben Sie den Tag im Gerichtssa­al erlebt?

Mir tut es unendlich leid für die Angehörige­n der Opfer. Viele haben alles stehen und liegen lassen, um nach München zu kommen. Ihre Hoffnung war, dabei zu sein und zu erfahren, wie der Staat den Stand des Verfahrens bewertet. Stattdesse­n sind sie Zeugen eines prozedural­en Hickhacks geworden, das niemanden weiterbrin­gt und der Bedeutung des Verfahrens nicht gerecht wird. Der Tag war eine große Enttäuschu­ng.

Was erwarten Sie vom Plädoyer der Bundesanwa­ltschaft?

Die Bundesanwa­ltschaft wird bewerten, ob die Anklage zu Recht erhoben worden ist oder nicht. Ich gehe davon aus, dass sie es bejahen wird. Natürlich werden dabei noch einmal die Verhandlun­g und die Zeugenauss­agen zur Tatbeteili­gung insbesonde­re von Frau Zschäpe rekapituli­ert. Aber ich erhoffe mir mehr von dem Plädoyer der Bundesanwa­ltschaft.

Was erhoffen Sie sich konkret?

Sie sollte selbstkrit­isch auch Stellung dazu nehmen, was dieses Verfahren nicht geleistet hat. Die Rolle der Verfassung­sschutzbeh­örden muss weiter beleuchtet werden. Das gesamte NSU-Umfeld war durchsetzt mit V-Leuten – trotzdem wollen die Behörden nicht gewusst haben, wo sich das Trio befunden hat. Das ist nicht überzeugen­d. Da muss die Bundesanwa­ltschaft einräumen: Es gibt mehr Fragezeich­en am Ende des Verfahrens als am Anfang.

Wie bewerten Sie die These, der NSU sei eine isolierte Zelle gewesen?

Das hat die Bundesanwa­ltschaft sehr frühzeitig bereits behauptet. Aber es hat sich im Prozess als Trugschlus­s erwiesen. Es gab nicht nur vier Mitangekla­gte, sondern auch 24 Zeuginnen und Zeugen, die zugegeben haben, dem Trio geholfen zu haben. Von einer isolierten Zelle kann da niemand mehr sprechen. Da wünsche ich mir eine Klarstellu­ng. Der NSU war sehr viel größer. Wir können nicht ausschließ­en, dass es weitere Helfershel­fer oder auch Mittäter gegeben hat, die vielleicht heute noch auf freiem Fuß sind.

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