Die Wandlung des Chris Froome
Die „engste Tour“seiner Karriere scheint den Seriensieger menschlicher gemacht zu haben
PARIS (dpa) - Das erste Glas Champagner gab es, so will es die Tradition, schon auf dem Rad. Während der letzten Etappe der Tour de France stieß Chris Froome lächelnd mit Teamkollegen an – auf den vierten Gesamtsieg bei der Tour, auf sein Team, auf sich. Er gab sich als Mister Nice-Guy und es scheint, als ob er endlich so wahrgenommen wird, wie er es sich wünscht. Ok, eine Romanze wird das wohl nicht mehr zwischen ihm und dem französischen Publikum. Aber am Sonntag gab sich das Publikum zumindest freundlich. Das war schon mal anders, 2015 war er mit einem Urinbecher beworfen worden.
Die gellenden Pfiffe im Stade Vélodrome beim Zeitfahren am vorletzten Tag in Marseille, bei dem Froome seinen Vorsprung an der Spitze gegen Rigoberto Uran auf 54 Sekunden und gegen Romain Bardet auf 2:20 Minuten ausbaute, nahm er sportlich. „Ein französischer Fahrer war beim Start 23 Sekunden hinter mir. Wir fahren im Herzen von Marseille und kommen in einem Fußballstadion ins Ziel. Ich werde ihnen vergeben“, sagte Froome generös.
Bei dieser Tour, die nach den Siegen in 2013, 2015 und 2016 wieder Froomes Handschrift trug, ging es knapp zu wie nie zuvor. „Das war meine engste Tour“, gab er zu. Noch dazu gewann der 32-Jährige keine einzige Etappe. In den Pyrenäen und den Alpen, in den Vogesen und dem Zentralmassiv fuhr die Konkurrenz auf Augenhöhe. „Die Mannschaft und das Zeitfahren haben den Unterschied gemacht“, analysierte Sky-Boss Sir Dave Brailsford. Fragen wirft aber weiter der Umgang der Equipe mit Dopingfragen auf. Sogar das britische Parlament untersucht undurchsichtige Medikamentenlieferungen im Teamauftrag.
Doch schlechte Presse vor der Tour – das tangiert Froome nicht: „Ich war darin nicht involviert. Für mich ging es darum, rechtzeitig zur Tour vorbereitet zu sein“. Und zum Saisonhöhepunkt war er topfit und konnte sich sogar eine kleine Krise in den Pyrenäen erlauben. „Da habe ich 25 Sekunden verloren. Normalerweise verliert man an einem schlechten Tag in den Bergen Minuten“, gab er zu bedenken. Doch Froome kann sich auf eine Mannschaft verlassen, die es so vielleicht – abgesehen von den unseligen Armstrong-Zeiten – noch nie gab. Ex-Weltmeister Michal Kwiatkowski verausgabte sich für seinen Kapitän völlig. Mikel Landa fuhr selbst um einen Podestplatz – und blieb trotzdem loyal. Der 1,94 Meter große Christian Knees bot auf flachen Passagen Windschutz.
Jetzt ist der schmale Brite, bei 1,84 Meter Körpergröße keine 70 Kilo schwer, am Fuß der Tour-Denkmäler angelangt.
„Es ist eine große Ehre, im gleichen Atemzug mit den Größten der Tour-Geschichte genannt zu werden. Ich habe großen Respekt vor ihnen“, sagte Froome und verwies auf die Fünffachsieger Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain. Im nächsten Jahr könnte er zu ihnen aufschließen. 104. Tour de France, 20. Etappe, Einzelzeitfahren in Marseille (22,5 km): 1. Bodnar (Polen/ Bora-hansgrohe) 28:15 Min., 2. Kwiatkowski (Polen/Sky) 0:01 Min. zurück, 3. Froome (Großbritannien/Sky) 0:12, 4. T. Martin (Cottbus/ Katjuscha-Alpecin), 5. Impey (Südafrika/OricaScott) 0:20, 6. Contador (Spanien/Treg-Segafredo) 0:21, 7. Arndt (Buchholz/Sunweb) 0:28, 8. Urán (Kolumbien/Cannondale-Drapac) 0:31, 9. Küng (Schweiz/BMC Racing) 0:34, 10. Chavanel (Frankreich/Direct Energie) 0:37, 12. Sütterlin (Freiburg/Movistar) 0:42, 13. Politt (Köln/Katjuscha-Alpecin) 0:43, 64. Wagner (Magdeburg/LottoNL-Jumbo) 2:19, 72. Buchmann (Ravensburg/Bora-hansgrohe) 2:26, 73. Burghardt (Zschopau/Bora-hansgrohe) gleiche Zeit, 85. Martens (Rostock/LottoNL-Jumbo) 2:36, 95. Geschke (Berlin/Sunweb) 2:47, 110. Knees (Bonn/Sky) 3:07, 111. Selig (Zwenkau/ Bora-hansgrohe) gleiche Zeit, 119. Zabel (Unna/Katjuscha-Alpecin) 3:18, 124. Greipel (Rostock/Lotto-Soudal) 3:22, 144. Degenkolb (Gera/Trek-Segafredo) 3:44. 21. und letzte Etappe, Montgeron – Paris, Champs-Élysées (103 km): 1. Groenewegen (Niederlande/LottoNL-Jumbo) 2:59,39 Stunden, 2. Greipel (Rostock/Lotto-Soudal), 3. Boasson Hagen (Norwegen/Dimension Data), 4. Bouhanni (Frankreich/Cofidis), 5. Kristoff (Norwegen/Katjuscha-Alpecin), 6. Bozic (Slowenien/Bahrain-Merida), 7. Cimolai (Italien/FDJ), 8. Perichon (Frankreich/Fortuneo), 9. Selig, 10. Bennati , ... 27. Arndt , ... 39. Sütterlin, ... 102. Knees, ... 106. Buchmann alle gleiche Zeit. Endstand Gesamtwertung: 1. Froome (Großbritannien/Sky) 86:20:55 Stunden, 2. Uran (Kolumbien/Cannondale-Drapac) 0:54 Minuten zurück, 3. Bardet (Frankreich/AG2R) 2:20, 4. Landa (Spanien/Sky) 2:21, 5. Aru (Italien/Astana) 3:05, 6. Martin (Irland/Quick StepFloors) 4:42, 7. Yates (Großbritannien/OricaScott) 6:14, 8. Louis Meintjes (Südafrika/UAE Team Emirates) 8:20, 9. Contador 8:49, 10. Barguil (Frankreich/Sunweb) 9:25, ... 15. Buchmann 33:21, ... 64. Geschke 2:28:57 Stunden zurück. – Sprintwertung (Grünes Trikot): 1. Matthews 370 Punkte, 2. Greipel 234, 3. Boasson Hagen 220. – Bergwertung (Gepunktetes Trikot): 1. Barguil 169 Punkte, 2. Primoz Roglic (Slowenien/LottoNL-Jumbo) 80, 3. Thomas De Gendt (Belgien/Lotto-Soudal) 64. – Nachwuchswertung (Weißes Trikot): 1. Yates 86:27:09 Stunden, 2. Meintjes 2:06 Minuten zurück, 3. Buchmann 27:07. – Teamwertung: 1. Sky 259:21:06 Stunden, 2. AG2R 7:14 Minuten zurück, 3. TrekSegafredo 1:44:46 Stunden zurück.