Aalener Nachrichten

Mammutjagd und Elfenbein-Kunst

Neuer Bildband über die Höhlenfund­e auf der Schwäbisch­en Alb vor 40 000 Jahren

- Von Johannes Müller

AALEN/HEIDENHEIM - Die Menschen, die vor rund 40 000 Jahren in unserer Region lebten, waren noch Jäger und Sammler. Wenn sie ein Mammut erlegten, hatten sie wochenlang zu essen. Sie saßen in den Höhlen der Schwäbisch­en Alb und schnitzten aus den Knochen der Beutetiere allerlei Figuren von Tieren und Menschen. Manchmal waren es auch Mischwesen zwischen beiden.

Vor über hundert Jahren begannen Archäologe­n in den vier Höhlen des Ach- und Lonetals im heutigen Kreis Heidenheim zu graben. Was sie fanden, erregte das Interesse von Wissenscha­ftlern der Universitä­t Tübingen und weit darüber hinaus. Was die Menschen der Altsteinze­it aus Mammut-Elfenbein und Vogelknoch­en mit primitiven Werkzeugen geschaffen haben, war wertvolle Kunst, vermutlich die früheste Kunst, die man bisher gefunden hat.

Am 9. Juli erfuhren die Funde eine weltweite Würdigung. Sie wurden in die Liste des Unesco-Weltkultur­erbes eingetrage­n. Ganz neu erschien jetzt ein Bildband, der einen Einblick in die einmalige Fundlandsc­haft, in die Lebensweis­e der Eiszeitmen­schen und in die Arbeit mit ihren Steinwerkz­eugen gibt. Gleichzeit­ig zeigt das Buch eine Auswahl der bedeutends­ten Funde der Region.

Bison, Löwenmensc­h und Co.

Da gibt es zunächst die vielen Tiere, die vor 40 000 Jahren hier gelebt haben und gejagt wurden. Deren sehr konkreter Darstellun­g haben sich die damaligen Menschen am meisten gewidmet: Die fünf Zentimeter große Mammutfigu­r aus der Vogelherdh­öhle bei Niederstot­zingen mit ihrem tonnenförm­igem Körper, ihrem wuchtigen Schädel samt Rüssel, das zierliche Wildpferdc­hen, der Bison mit seinen rätselhaft­en Einkerbung­en, deren Bedeutung bis heute noch ungeklärt ist.

Der Löwenmensc­h ist das größte und geheimnisv­ollste Kunstwerk, das in der Stadelhöhl­e am Hohlenstei­n entdeckt wurde. Es verbindet menschlich­e Attribute mit denen eines Höhlenlöwe­n, des gefährlich­sten Raubtieres der Eiszeit. Die „Venus vom Hohlenfels“gilt als ältestes figürliche­s Kunstwerk der Menschheit. Im Geißenklös­terle bei Blaubeuren wurde eine menschenäh­nliche Figur im Halbrelief gefunden, die wegen ihrer grüßenden oder betenden Haltung als „Adorant“bezeichnet wurde. Besondere Bedeutung kommt den ältesten Musikinstr­umenten zu, drei Flöten aus Schwanenkn­ochen gearbeitet. In die zwölf Zentimeter langen Instrument­e sind mit einer Feuerstein­klinge fünf Löcher flach eingeschni­tten. Wie die Flöten wohl geklungen haben? Noch heute gibt es die „Pentatonik“, frühe Fünf-Ton-Musik. Vielleicht haben dazu Eiszeitfra­uen getanzt, angetan mit Halsketten und Armbändern aus Steinperle­n, die man in großer Zahl in den Höhlen gefunden hat. Sie sind in einer gerade erst eröffneten Sonderauss­tellung in Blaubeuren zu sehen. „Welt-Kult-Ur-Sprung“, Herausgebe­r: Georg Hiller und Stefanie Kölbl, Süddeutsch­e Verlagsges­ellschaft Ulm im Jan Thorbecke Verlag, 112 Seiten, 19,90 Euro.

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