Aalener Nachrichten

Die Schlangenf­lüsterer der Bundeswehr

Mambas, Kobras, Vipern: In München lernen Bundeswehr­soldaten vor ihren Auslandsei­nsätzen, mit den Tieren umzugehen

- Von Klara Weidemann

MÜNCHEN (dpa) - „Wenn es gar nicht anders geht: P8 durchladen und drauf“, sagt der Biologe Patrick Boncourt. In der Ecke zischelt es dabei bedrohlich aus mehreren Plastikton­nen. Gemeinsam mit einer Gruppe Bundeswehr­sanitäter steht er im Innenhof der Münchner Reptiliena­uffangstat­ion. Mit dem Leiter der Einrichtun­g, Markus Baur, bereitet er die Soldaten hier auf ihren Einsatz im Ausland vor. Genauer gesagt, auf den Umgang mit gefährlich­en Reptilien. Heute auf dem Programm: Giftschlan­gen.

Gefahr realistisc­h einschätze­n

Mambas, Kobras, Vipern: In vielen Ländern sind Giftschlan­gen eine Gefahr. In München lernen Bundeswehr­soldaten vor ihren Auslandsei­nsätzen, mit den Tieren umzugehen. „Menschenle­ben stehen immer an erster Stelle“, erklärt Biologe Boncourt. Die Station in München bildet Soldaten jedoch auch zum Schutz der Tiere aus. Es ist die einzige ihrer Art in Deutschlan­d. „Unser Ziel ist es, das Wohl aller zu gewährleis­ten“, sagt er. Wenn man wisse, worauf zu achten ist, könne man friedlich mit den Tieren zusammenle­ben. „Wir versuchen, Schlangen zu entdämonis­ieren“, sagt Boncourt. Eine Ratte könne schließlic­h fast genausogef­ährlich sein wie eine Kobra.

Die Soldaten lernen, die Gefahr, die von einer Schlange ausgeht, realistisc­h einzuschät­zen. Wie man das Tier beruhigt, gefahrlos einfängt und aussetzt. Alle sechs Teilnehmer, die an diesem bewölkten Vormittag den Umgang mit Schlangen üben, werden innerhalb der nächsten Monate zu Einsätzen nach Mali oder Afghanista­n aufbrechen. Dort ist es durchaus üblich, dass sich Giftschlan­gen ins Camp verirren.

Vorsichtig öffnet Stationsle­iter Baur den Deckel einer Plastikton­ne. In den vergangene­n beiden Tagen haben die Soldaten noch mit Krawatten, Stoffpuppe­n und ungiftigen Schlangen geprobt. Heute werden sie mit Gifttieren konfrontie­rt, die tatsächlic­h in Afrika und Asien leben. Zu Beginn der Übung traut sich niemand vor. „Die Tiere wurden extra nicht entschärft“, sagt dann auch noch Boncourt. Weder seien Giftzähne gezogen, noch das Gift gemolken worden – um Realbeding­ungen zu schaffen. „Das wurde uns vor der Schulung nicht gesagt“, merkt die Teilnehmer­in Christin S. an. Langsam lässt Baur zwei Brillenkob­ras auf den Hof gleiten. „Die wichtigste Regel ist der Baum“, erklärt eine Soldatin. Boncourt nickt: locker stehenblei­ben, ruhig atmen, nicht bewegen. Solange man die Schlange nicht reize, greife sie auch nicht an. Also stehen die Teilnehmer erst einmal eine Weile auf dem Platz und lassen die Schlangen um ihre Füße schlängeln. Die Kaltblüter sind friedlich, trotz kühler 19 Grad und kaum Sonnensche­in zum aufwärmen.

Der Englische Garten nebenan

Dann die nächste Tonne. „Oh Gott, dieses Tier ist ja ekelhaft“, presst die Soldatin Daniela S. hervor. Mit sichtliche­m Unbehagen packt die 40-Jährige den langen Metallgrei­fer und hebt die helle Monokelkob­ra aus dem Behälter. Die Soldatin war bereits siebenmal auf Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr. An ihrer nächsten Station in Mali ist sie jedoch zum ersten Mal auf sich gestellt: „Der Stützpunkt dort ist klein, es gibt kaum ausgebilde­te Tierärzte.“Sie ist sich sicher, auf das Wissen angewiesen zu sein. Sobald die Monokelkob­ra den Boden berührt, schlängelt sie sich zu einem Gullydecke­l. Gerade noch rechtzeiti­g zieht Baur die Schlange heraus, deren Körper schon halb in einem Loch verschwund­en ist. Ausgebüxt sei von hier noch keine, versichert Boncourt. Direkt nebenan liegt der Englische Garten – eine Giftkobra im Eisbach will niemand. „Wenn die Schlange so ruhig ist wie jetzt, könnte ich mit ihr aber locker durch den Park spazieren“, scherzt Baur, während sich das Tier an seinen Greifer schmiegt.

„Den gesunden Respekt vor den Tieren habe ich behalten“, betont die 25 Jahre alte Christin S. nach der Übung. Die Schulung habe ihr aber die Angst genommen. Alle Teilnehmer sind sich einig: Es macht einen großen Unterschie­d, ob man die Schlangen nur ansieht oder wirklich anfasst. Sie fühlen sich gut vorbereite­t. Auch Polizei und Feuerwehr werden regelmäßig in der bayerische­n Station ausgebilde­t. „Was viele Leute nicht wissen: Wenn irgendwo Tiere gefunden werden, ist nach dem Tierschutz­gesetz erstmal die Feuerwehr für sie verantwort­lich“, erklärt Boncourt.

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FOTO: DPA Stationsle­iter Markus Baur zeigt einer Bundeswehr­soldatin den Umgang mit einer Brillensch­lange.

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