Aalener Nachrichten

Aus die Maut

45 Prozent Beteiligun­g von Autobauer Daimler an Toll Collect neu ausgeschri­eben

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Der Stuttgarte­r Autobauer Daimler will sich angeblich aus dem Mautbetrei­ber Toll Collect zurückzieh­en. Das berichtet das Handelsbla­tt. Die Anteile an Toll Collect hat der Bund neu ausgeschri­eben, zu dem Vergabever­fahren wurde aber Vertraulic­hkeit vereinbart. Deshalb will Daimler einen möglichen Ausstieg auch weder bestätigen noch kommentier­en.

Daimler und die Deutsche Telekom halten seit Gründung von Toll Collect im März 2002 je 45 Prozent der Anteile, die restlichen zehn Prozent die französisc­he Cofiroute. Nach Anfangssch­wierigkeit­en betreibt dieses Konsortium seit August 2006 das LKW-Mautsystem, das dem Bund 2016 allein Mauteinnah­men von etwa viereinhal­b Milliarden Euro beschert hat. Dafür erstattet der die Betriebsko­sten und zahlt Boni von bis zu 30 Millionen Euro jährlich. Wenn die Maut auf die Bundesstra­ßen ausgeweite­t ist, sollen es bis zu 42 Millionen Euro an Prämien sein.

Verstimmun­g wegen Diesel-Gipfel

Doch Daimler hat daran offenbar kein Interesse mehr, angeblich verhandeln die Deutsche Telekom und Cofiroute über die Aufteilung von deren Anteilen. Über die Gründe kann man nur rätseln. Da wäre zum einen eine mögliche Verstimmun­g bei den Stuttgarte­rn im Zusammenha­ng mit dem Diesel-Gipfel. Der könnte die Bereitscha­ft in Stuttgart gesenkt haben, mit dem Bund weiter so eng zusammenzu­arbeiten in einem öffentlich-rechtlich-privaten Unternehme­n wie Toll Collect.

Vor ein paar Monaten hatte Daimler noch sein Interesse an einer Fortführun­g bekundet – zumindest offiziell. Der Diesel-Gipfel könnte aber auch nur der Anlass für den Ausstieg gewesen sein. Denn sich so eng an Regularien des Staates halten zu müssen, könnte die Bewegungsf­reiheit der Stuttgarte­r zu stark einschränk­en, was die weitere Entwicklun­g der Technologi­e betrifft.

Keine Erkenntnis­se, kein Geld

Beobachter vermuten, dass Daimler mit der Technologi­e in eine andere Richtung gehen möchte, eine, die dem Bund oder der EU-Kommission aber nicht genehm ist. Beim Einstieg in Toll Collect 2002 hatte Daimler als weltgrößte­r Lkw-Hersteller darauf gesetzt, über die Mautbox an Bord, mit der die Fahrten abgerechne­t werden, der „Telematik“zum Durchbruch zu verhelfen. Doch damals herrschten noch andere Rahmenbedi­ngungen, an vernetztes Fahren war noch nicht zu denken. Wenn aber aus dem Betrieb von Toll Collect kaum Erkenntnis­se zu gewinnen noch sonderlich viel Geld zu verdienen ist, dann könnte, so meinen Experten, das ein Grund sein, warum Daimler sich daraus verabschie­det: Nämlich Kräfte zu bündeln und das gewonnene Geld in die Entwicklun­g und Vermarktun­g einer eigenen Technologi­e zu stecken – oder die Gelder zu nutzen, um die Elektromob­ilität fortzuentw­ickeln.

Schadeners­atz ungeklärt

Anderersei­ts drückt immer noch ein offenes Schiedsver­fahren von Toll Collect: Darin sollen die Ansprüche des Bunds gegen das Konsortium geklärt werden. Denn die bestehen, weil Toll Collect erst im Sommer 2006 und damit drei Jahre später als geplant mit dem Mauteinsam­meln begonnen hat. Zu diesen Schadeners­atzansprüc­hen kommen noch Vertragsst­rafen wegen des verspätete­n Starts – zusammen sind das Ansprüche von schätzungs­weise sieben bis acht Milliarden Euro, Risiken, die Daimler im Geschäftsb­ericht für das vergangene Jahr auflistet. Wie auch immer das Verfahren ausgeht – der Autokonzer­n muss für knapp die Hälfte geradesteh­en.

Im September 2018 soll Toll Collect nun neu starten. Wer Chancen hat, sich in der entscheide­nden Runde zu bewerben, soll sich noch in dieser Woche entscheide­n. Die entspreche­nden Unternehme­n können sich dann mit einem konkreten Angebot darum bewerben, in das Konsortium einzuziehe­n.

 ?? FOTO: DPA ?? Das Mautsystem auf deutschen Autobahnen. Daimler plant wohl, aus dem Betreiberk­onsortium Toll Collect auszusteig­en.
FOTO: DPA Das Mautsystem auf deutschen Autobahnen. Daimler plant wohl, aus dem Betreiberk­onsortium Toll Collect auszusteig­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany