Der Hüter des Enzians
Achim Labers Beruf ist der Naturschutz – Für viele ist er einfach der „Feldberg-Ranger“
FELDBERG - Es ist eine ganz und gar typische Frage, so wie sie ihm häufig gestellt wird: Eine Gruppe von Wanderern erkundigt sich nach der gelben Pflanze, die mit hochschießendem Stil fast überall auf der Wiese zu sehen ist. Der Gelbe Enzian, um den es sich dabei handelt, sei die bei ihm „am meisten nachgefragte Pflanze“, sagt Achim Laber. Er lacht: früher habe Enzian vor allem als „Rohstoff für Schnaps“gedient. Nirgendwo gibt es die seit 1909 unter Schutz stehende krautige Blume der Gattung Enziangewächse so häufig wie am Feldberg.
Der Horizont ist es an diesem Tag diesig, trotz des herrlichen Sonnenscheins. Auf dem als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Plateau knapp unterhalb der Marke von 1500 Höhenmetern beeindruckt bei freier Sicht das Alpenpanorama: vom 246 Kilometer entfernten Mont Blanc, weit südlich in den französischen Savoyen, bis zur Zugspitze an der deutsch-österreichischen Grenze. Neben dem Gelben Enzian wächst auf Baden-Württembergs höchstem Berg auch der Bärwurz und Scheuchzers Glockenblume, die mit der blau-violetten Krone einen markanten Kontrast bietet zum Gelb des Enzians.
Kellner oder Förster
Hier, wenige Hundert Meter oberhalb des Titisees und des künstlich aufgestauten Schluchsees, ist der Arbeitsplatz von Achim Laber. Er ist in vielem ein Pionier. Seit fast 28 Jahren ist er Ranger am Feldberg im ältesten Naturschutzgebiet des Landes. Der inzwischen 54-jährige Laber war der erste Ranger in Baden-Württemberg. Während die im Amtsdeutsch früh bekannten Naturschutzwarte oft ehrenamtlich arbeiten, ist ein Ranger ein speziell geschulter Schutzgebietsbetreuer und dabei meist zugleich noch Fremdenführer.
Für viele ist Laber, mit seinem deutlich vernehmbaren alemannischen Zungenschlag, der im benachbarten Höhenluftkurort Hinterzarten aufwuchs und in Titisee zur Schule ging, einfach nur „der Feldberg-Ranger.“ Und: Er ist der Ranger in Deutschland mit dem höchst gelegenen Arbeitsplatz. Das macht ihm so schnell keiner nach, so nahe dem Firmament und, laut Statistik, bei 1700 Sonnenstunden im Jahr. Einst verriet er seine Berufsalternativen. Laber ist in der Tourismusregion aufgewachsen: „Wenn Du hier bleiben willst, musst Du entweder Kellner oder Förster werden.“
Er hatte dann zwar Forstwirtschaft studiert in Rottenburg am Neckar. Doch die Realität holte ihn bald ein, wie er einräumt: eine Tätigkeit als Förster wäre ihm „viel zu einsam“. Nur ein Jahr hatte er ein Revier in der Ortenau. Die Stelle als Ranger scheint für Laber wie geschaffen, da kann der kommunikative Schwarzwälder seine Kreativität ausleben, die in ihm steckt seit er im Zivildienst erstmals das Thema „Naturschutz“schnupperte. Der Feldberg sei an vielen Stellen „runtergewirtschaftet“gewesen, als er seine Stelle antrat, erzählt Laber: „Ein Rummelgebiet, vor allem im Bewusstsein der Besucher“. Heute sehe der Gipfel anders aus als vor 28 Jahren. „Besser“, sagt er. Das sei nicht allein sein Verdienst. „Das Naturschutzgebiet ist ein Baby mit vielen Vätern.“Er zeigt den Menschen die Besonderheiten des Berges, klärt bei geführten Wanderungen auf.
Am Feldberg bedeutete das Jahr 1990 eine radikale Kehrtwende. Rund 3200 Hektar umfasste das in Vorkriegszeiten ausgewiesene Schutzgebiet und mitten drin lag eine Art „Insel“: der Seebuck, mit dem Feldbergturm auf der Bergkuppe, als der wenige hundert Meter südöstlich des Feldberg-Gipfels gelegene zweite Gipfel des Gebiets, an dem sich um 1891 erste Skifahrer tummelten. Und wo sich im Laufe der Jahre Liftanlagen und Abfahrtspisten häuften. Erst vor zwei Jahren kam ein viel diskutiertes Parkhaus mit 1200 Stellplätzen hinzu - und bereits zu Beginn der 2000-er-Jahre sorgte ein neuer Sechser-Sessellift für Furore.
Mit der 1990 erlassenen neuen Schutzgebietsverordnung kam „die Trennung“. Die Skihänge und ein Teil der Freizeitflächen der Insel mitten im Schutzgebiet fielen raus. Gleichzeitig erweiterte man das Schutzgebiet an den Rändern um etwa 1000 Hektar. Für Achim Laber war das „eine pragmatische Entscheidung“. Manche Konflikte hätten sich seitdem entspannt, sagt er. Aber es war wohl höchste Zeit, einzugreifen. Bilder aus dem Jahr 1975 zeigen die zunehmende Erosion. Auch für Wanderer war der Feldberg immer schon beliebtes Ziel, nicht nur der Aussicht wegen.
Vor allem ging es damals, mit der neuen Verordnung, auch mehr denn je um Besucherlenkung: Das ist gleichzeitig ein Hauptanteil der Arbeit von Achim Laber. Etwa auf die Nutzung der ausgewiesenen Wanderwege zu achten. Da gehe es nicht um den drohenden Zeigefinger. „Nur wenn die Menschen verstehen, funktioniert Naturschutz.“Von Verbotsschildern ist er inzwischen weit entfernt. Gut sei es, wenn Aufklärung helfe, bestehende Schäden zu minimieren. Und doch ist Laber auch „eine Art Naturschutz-Polizei“. Bußgelder würden am häufigsten im Winter fällig und oft „bei solchen die es eigentlich wissen müssten“.
Teamwork für Naturschutz
Der Ranger hat im Verlauf der Jahre kräftig Unterstützung bekommen. Seit 2001 steht am Fuß des Seebuck das imposante hölzerne „Haus der Natur“, dessen Leiter Stefan Büchner mehrere feste Mitarbeiter in seinem Team zählt. Sie haben ihr Büro vis-àvis von Laber auf der gleichen Etage. Dazu kommen seit jüngerer Zeit je zwei Stellen im Bundesfreiwilligendienst und für das Freiwillige Ökologische Jahr. Auch die Geschäftsstelle des Naturparks ist dort. Alle haben sie die Gratwanderung zwischen Naturschutz und Tourismus Tag für Tag vor Augen: Die Liftanlagen sind von den Büros aus gut sichtbar.
Achim Laber erscheint wie ein gut eingespielter Teamworker. Mit seinen Mitstreitern im Haus der Natur verbindet ihn ein gemeinsames Ziel. Vor gut zehn Jahren stellte er selbst besondere Kreativität unter Beweis: mit der Konzeption eines Naturerlebnispfades für Familien mit Kindern - gegenüber dem Seebuck. Ein rot gewandeter „FeldbergWichtel“führt durch die Geschichte des „Postler-Wichtel“, der einen Brief überbringen soll für Auerhahn Anton. Das Auerhuhn ist – neben den seltenen Pflanzenarten – eines der Sorgenkinder von Naturschützer Laber. 30 000 Besucher zähle der ein Kilometer lange Familien-Parcours jedes Jahr, sagt er.
Die Wichtel-Geschichte hat er selbst geschrieben – so wie viele der Drehbuchideen des so genannten „Styropor-Kopf-Rangers“, einer Videoanimation im Haus der Natur. Er stellt typische Fragen zum Schutzgebiet und bekommt sie dann draußen in gespielten Szenen auf dem Seebuck oder Feldberg beantwortet. Die teilweise skurril anmutenden VideoClips entstanden unter Regie eines Freiburger Filmemachers und werden oft bestaunt von den Besuchern. Der Ranger ist gleichzeitig der Hauptdarsteller der Clips. Dafür erhielt Laber 2016 einen Sonderpreis des Bundesverbands Beruflicher Naturschutz. Die Jury war besonders „von der Kreativität und den naturschutzpädagogischen Fähigkeiten“des Feldberg-Rangers beeindruckt. Vielleicht wurde er deshalb noch gar nicht so lang her auch als Nebendarsteller in die Fernsehserie „Die Fallers“eingeladen: in Staffel 23, Folge 902 - in der Rolle seines Lebens, der des Feldberg-Rangers. Der Rolle, die ihn nun schon mehr als die Hälfte seines Lebens ausfüllt.