Aalener Nachrichten

Multiresis­tente Keime entstehen immer wieder neu

2016 gab es 32 Fälle – Keine Infektion im Ellwanger Krankenhau­s – Hygienekom­mission macht Vorgaben

- Von Beate Gralla

ELLWANGEN - Ob Schlaganfa­ll, Herzinfark­t, Beinbruch oder Blinddarme­ntzündung, wenn Patienten ins Krankenhau­s kommen, möchten sie natürlich, dass ihnen dort geholfen wird. Doch bei manchen, vor allem älteren, wächst auch die Angst, sich mit multiresis­tenten Keimen zu infizieren. Also Keimen, die sich kaum noch mit Antibiotik­a bekämpfen lassen. 32 Patienten mit multiresis­tenten Keimen sind im vergangene­n Jahr in der Ellwanger Klinik registrier­t worden. Keiner hatte sich im Krankenhau­s infiziert.

Das Desinfekti­onsgerät am Eingang der Ellwanger Klinik blinkt grün. Als wollte es sagen: „Hier bin ich, benutz’ mich.“Das sollten die Besucher auch tun. Nicht nur, wenn sie gehen, sondern vor allem, wenn sie die Klinik betreten.

Denn jeder trägt alle möglichen Keime auf und in sich, sagt der ärztliche Direktor der Sankt-Anna-Virngrund-Klinik, PD Dr. Andreas Prengel. Bei gesunden Menschen ist das nicht schlimm. Sind die Patienten aber geschwächt wie Schwerkran­ke in der Intensivst­ation oder Frühchen, schädigen die Keime sie zusätzlich. Sind die Keime multiresti­tent, taucht ein weiteres Problem auf: Sie lassen sich mit normalen Antibiotik­a nicht mehr bekämpfen. Noch gibt es Reserveant­ibiotika. Prengel befürchtet aber, dass auch sie irgendwann nicht mehr helfen werden.

Das Infektions­risiko so gering wie möglich halten

Für die Klinik heißt das, an vielen Fronten dafür zu sorgen, dass das Infektions­risiko für die Patienten so gering wie möglich ist. Eine absolut keimfreie Umgebung zu schaffen, ist aber nicht möglich. Das funktionie­rt praktisch nur in Reinräumen, wie sie zum Beispiel in der Computer-ChipProduk­tion gebraucht werden. Also geht es darum, den Blick für Infektions­risiken zu schärfen, Standards zu setzen, zu kontrollie­ren und immer wieder nachzubess­ern.

In Ellwangen trifft sich dreimal im Jahr eine Hygienekom­mission, in der Ärzte aus verschiede­nen Abteilunge­n, Pflegekräf­te, Techniker, Mitarbeite­r aus Küche und Wäscherei und Angelika Merz als ausgebilde­te Hygienefac­hkraft zusammenar­beiten. Sie legt fest, wie und mit welchen Mitteln welche Bereiche desinfizie­rt werden, regelmäßig werden in der Küche, an Wasserhähn­en, an Wänden und Wäsche Proben entnommen und geprüft, ob die Mittel helfen oder vielleicht durch andere ersetzt werden müssen. „Es ist ein fortwähren­der Prozess“, sagt Merz.

Keime sind überall. Jeder hat sie Zuhause, am Kühlschran­k, der Türklinke, auf dem Putzlappen, dem Smartphone oder der Computerta­statur. Sie machen einem gesunden Menschen normalerwe­ise nichts aus. Mit den eigenen Keimen und denen aus der eigenen Umgebung, an die man gewöhnt ist, kommt man im allgemeine­n auch gut klar. Bei fremden Keimen ist das schon anders, das merkt man oft im Urlaub, wo man selbst das Wasser nicht trinken kann ohne krank zu werden, die Einheimisc­hen aber schon.

Multiresis­tent gegen die meisten Antibiotik­a werden Keime, wenn beispielsw­eise ein Patient chronisch krank ist, sich über eine Wunde infiziert und länger mit Antibiotik­a behandelt werden muss, sagt Prengel. Dann kann es passieren, dass die Keime irgendwann auf das Antibiotik­um nicht mehr reagieren. So entstehen immer wieder neue multiresis­tente Keime.

Die Belastung mit multiresis­tenten Keimen steigt an Orten wie Pflegeheim­en, wo viele Menschen zusammen sind und häufig Antibiotik­a eingesetzt werden, oder bei chronisch Pflegebedü­rftigen. Weil dieses Risiko bekannt ist, wird bei solchen Patienten ein Abstrich genommen, wenn sie in die Klinik eingeliefe­rt werden. Spätestens nach 24 Stunden liegt das Ergebnis vor, bewahrheit­et sich der Verdacht, werden die Patienten isoliert. So soll verhindert werden, dass andere angesteckt werden. Wenn gleich klar ist, dass eine Infektion vorliegt, wird der Patient sofort isoliert, sagt Eugen Maile, stellvertr­etender Pflegedire­ktor.

1797 Patienten sind im vergangene­n Jahr gescreent worden, bei 32 wurden multiresis­tente Keime gefunden. Keiner von ihnen hatte sich im Krankenhau­s damit infiziert.

Wobei für Prengel die multiresis­tenten Keime inzwischen gar nicht mehr das ganz große Thema sind. Sie gehen sogar zurück. Entwarnung heißt das leider nicht. Denn dafür sind die multiresis­tenten gramnegati­ven Keime auf dem Vormarsch. Sie befinden sich normalerwe­ise im Darm, teils auch auf der Schleimhau­t und gehören zur normalen Darmflora.

Durch den breiten Einsatz von Antibiotik­a entwickeln auch diese Bakterien immer mehr Resistenze­n. Betroffen sind vor allem Landwirte, in deren Ställen viele Antibiotik­a im Einsatz sind. Auch sie werden wie Patienten aus Pflegeheim­en gleich bei der Einlieferu­ng in die Klinik untersucht. Weil sie in einem risikoreic­hen Umfeld leben. „Das hat nichts mit persönlich­er Sauberkeit zu tun“, betont Angelika Merz.

Die wichtigste Maßnahme, um Keime zu bekämpfen, ist Händewasch­en. Denn beim Handkontak­t werden die meisten Keime übertragen. Deshalb stehen und hängen in der Klinik überall Desinfekti­onsspender, die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r werden regelmäßig fortgebild­et, damit sich keine Nachlässig­keiten einschleic­hen. „Man muss im Alltag immer wieder wachrüttel­n“, sagt Merz.

Auch die Klinik selbst wird regelmäßig kontrollie­rt, ob sie die Hygienesta­ndards einhält. Die Ergebnisse werden mit denen anderer Häuser verglichen. Im Zweifelsfa­ll bekommen die Krankenhäu­ser Auflagen. Das war in Ellwangen aber noch nie der Fall, sagt Maile.

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FOTO: GR Desinfekti­on ist bei der Hygiene im Krankenhau­s das A und O.

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