Abgründiges im lauschigen Palaisgarten
Es ist wieder Zeit für die beliebten Geschichten zur guten Nacht beim Sommer in der Stadt
ELLWANGEN - Was wäre der Sommer in der Stadt ohne die Geschichten zur guten Nacht. Seit 18 Jahren erfreuen sie sich steigender Beliebtheit. Am ebenso einfachen wie genialen Rezept gibt es nichts zu verbessern. Für sieben Abende im August nehme man jeweils drei Literaturfans, die ausgewähltes Lesefutter vorstellen. Weitere Zutaten sind ein bequemer roter Ohrensessel, eine nostalgische Leselampe, ein Mikrofon und ein Tischchen für gute Bücher, mit denen die Vorleser belohnt werden. Wenn dann noch das Wetter mitspielt, ist das Ellwanger Sommerleseglück perfekt.
So war’s zum Auftakt am Montagabend. Als liebenswürdiger Gastgeber begrüßte Jürgen Volmer die große Schar erwartungsvoller Leseratten im Garten des Palais Adelmann. Er erinnerte an den letzten Fürstpropst Clemens Wenzeslaus von Sachsen, der zum Abschluss einer gepflegten Tafel nicht heißen Mokka, sondern Bowle aus Wein oder Sekt mit Zitronensaft als „kaltes Ende“servieren ließ. Deshalb gab’s zum ersten Mal „Kalte Ente“am Marktstand der bewirtenden Theatermenschen. Auch Sparschwein Luise (Leser unterhalten im Sommer Ellwangen) hat überwintert und freut sich über Spenden.
Den Lesereigen eröffnete Krimifan Ursula Ermisch. Seit 17 Jahren gehört sie zur Stammbelegschaft der Gute-Nacht-Geschichten und begeistert mit ihrer Vortragskunst. Für Volmer hatte sie einen burmesischen Gong mitgebracht. Der legte zwar das Mikro lahm, läutete aber weithin hörbar das Pausenende ein. Ermisch stellte Sunil Manns hintergründigen Kurzkrimi „Eine Frage der Zeit“vor. Der in Zürich lebende Sohn indischer Einwanderer ist bekannt für durchdachte Erzählungen. Ermischs Pokerface verriet nichts vom überraschenden Schluss der zunächst harmlos anmutenden Geschichte.
Märchenfan Marion Mantel nahm zum neunten Mal im roten Ohrensessel Platz. Sie las „Die Mutter und ihre Kinder“des österreichischen Historikers und Autors Ernst Joseph Görlich. Eine berührende Erzählung über aufopferungsvolle Mutterliebe im Kaiserreich Trapezunt.
Fantastisches zwischen Mystik und Horror
Dritte im Bunde und zum dritten Mal dabei war Jutta Krebs. Sie entschied sich kurzfristig um und präsentierte die abgründige Geschichte „Nachbarn“von Walter de la Mare aus dem Sammelband „Elf ersprießliche Geschichten für die schöne Gärtnerin.“Der Brite hatte eine Vorliebe für Fantastisches zwischen Mystik und Horror. Zwei von ihrer sinnlosen Feindschaft und vom Wettstreit um den schönsten Garten besessene alte Jungfern bekriegen sich bis aufs Messer: ein glänzend gelesener literarischer Leckerbissen.
Der stimmungsvolle Leseabend machte Appetit auf mehr. Gelegenheit ist am heutigen Mittwoch ab 20 Uhr. Es lesen Marie-Luise Ilg, Susan Mangold und Robert Ziegler.
gibt es am Donnerstag und dann wieder von Montag bis Mittwoch, 21. und 23. August, um 20 Uhr, im Garten Palais Adelmann.