Aalener Nachrichten

Klimawande­l bringt schlechte Zeiten für Fichten mit sich

Wie sich der Schwarzwal­d an die Wetterverä­nderungen anpassen könnte

- Von Sebastian Stoll

FREIBURG (epd) - Manchmal sieht eine Zeitmaschi­ne anders aus, als man sie sich vorstellt: Jürgen Bauhus hat ein kleines Holzkästch­en in den Wald mitgebrach­t, in dem dünne, geriffelte Stäbchen liegen, ebenfalls aus Holz. Es sind Probebohru­ngen aus Baumstämme­n – jeweils zwei von Douglasie, Weißtanne und Fichte. Diese Nadelbauma­rten dominieren im Freiburger Stadtwald. „Die Riffelung ist ein Teil der Jahresring­e. Und wenn wir uns die Riffelung der Jahre 1976 und 2003 ansehen, dann merkt man bei allen drei Baumarten, dass sie dünner ist“, sagt Bauhus, Professor für Waldbau an der Universitä­t Freiburg.

Ein dünnerer Jahresring bedeutet, dass der Baum in jener Zeit weniger stark gewachsen ist als üblich. Es hat seinen Grund, dass Bauhus und seine Kollegen einen genauen Blick auf die Jahresring­e dieser beiden Jahre geworfen haben: 1976 und 2003, das waren Jahre mit extrem warmen, trockenen Sommern – Jahre also, wie sie Klimaforsc­her in Zukunft viel öfter erwarten. Extreme Dürren werden nach Einschätzu­ng der Forscher künftig zu den größten Herausford­erungen der Waldwirtsc­haft gehören.

„Wir wollten wissen, welche Baum-arten am besten mit diesen Bedingunge­n zurechtkom­men“, sagt Bauhus; und zwar nicht allein im Freiburger Stadtwald, sondern im gesamten Schwarzwal­d, zu dem der Stadtwald gehört. Dafür untersucht­en die Wissenscha­ftler mehr als 800 Bäume in unterschie­dlichen Höhenlagen. Die Prognose: Das Gesicht der Region könnte sich in den kommenden Jahrzehnte­n stark verändern. Der Grund dafür offenbart sich, wenn man sich das Kästchen mit den Holzproben etwas genauer ansieht: Zwar wachsen alle untersucht­en Baumarten unter Trockenhei­t schlechter – aber während bei der Fichte der Jahresring extrem dünn ist, sieht er bei der einheimisc­hen Weißtanne schon besser aus. Bei der aus Amerika eingeführt­en Douglasie ist er noch ein bisschen stärker ausgeprägt.

Fichte kam früher seltener vor

Allerdings liegt der Bestand an Douglasien Bauhus zufolge derzeit bei nur zwei bis drei Prozent der Waldfläche. Tannen füllen rund zehn Prozent aus – und Fichten mehr als 40. Werde der Wald auf eine Weise bewirtscha­ftet, die wärmeren Verhältnis­sen Rechnung trägt, müsste der Anteil der mächtigen Douglasien bei 20 Prozent oder mehr liegen, sagt Bauhus: „Der Schwarzwal­d könnte in Zukunft insgesamt ein bisschen höher werden.“

Das alles gilt den Forschern zufolge wohlgemerk­t für einen Wald, der vom Menschen durchdacht bewirtscha­ftet wird, und aus dem seine Besitzer Holz für den Verkauf holen wollen. Denn die Douglasie sei zwar am widerstand­sfähigsten gegen Trockenhei­t – vertrage Schatten aber nur durchschni­ttlich gut. Und da jeder Waldbaum klein anfängt und zunächst im Schatten wächst, kann der empfohlene Douglasien-Anteil nur erreicht werden, wenn der Waldeigent­ümer das so will.

Aber was würde passieren, wenn der Mensch sich viel stärker aus der Schwarzwal­d-Bewirtscha­ftung heraushalt­en würde? Trotz Klimawande­l würde er dann wieder mehr seinem ursprüngli­chen Zustand ähneln, sagt Martin Klatt, Artenschut­zexperte beim NABU Baden-Württember­g in Stuttgart.

Das liege vor allem daran, dass die heute weit verbreitet­e Fichte früher einmal viel seltener vorkam: „Der ursprüngli­che Schwarzwal­d war vor allem durch Tannen und Buchen geprägt. Beide Baumarten verfügen über eine höhere ökologisch­e Anpassungs­fähigkeit als die Fichte, die mit Hitze und Trockenhei­t sicher schlecht zurechtkom­men wird“, sagt er. Seine Erwartung: Buche, Tanne und Kiefer könnten den zukünftige­n Schwarzwal­d prägen. Wenn man sie lässt.

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FOTO: DPA Gefällte Fichte im Schwarzwal­d: Extreme Dürren werden zu den großen Herausford­erungen der Waldwirtsc­haft gehören, sagen Forscher.

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