Warum Gleichstellung kein reines Frauen-Thema ist
Die Beauftragte für Chancengleichheit Katharina Oswald redet im Interview über den ersten Bürgerdialog
AALEN - Katharina Oswald ist Beauftragte für Chancengleichheit. Im Interview mit unserer Redakteurin Eva-Marie Mihai redet sie über die Gleichstellung im Ostalbkreis und den Ablauf ihres ersten Bürgerdialogs in Aalen.
Die Besucher des ersten Bürgerdialogs waren mit etwa 20 Teilnehmern überschaubar. Haben Sie eine größere Resonanz erwartet?
Ja, wir hatten uns mehr erhofft. Es war an dem Tag schönes Wetter, gerade sind ja auch viele Feste, wo die Leute hingehen. Aber solche Gründe, nicht zu kommen, wird es immer geben. Vielleicht muss man auch mal darüber nachdenken, ob man mehr dezentrale Angebote macht.
Hätten Sie sich auch mehr männliche Beteiligung erhofft?
Es waren ein paar Männer da, aber klar erhofft man sich mehr Männer. Es war aber auch schön, dass zum Beispiel Menschen mit Behinderung da waren.
Ist Gleichstellung ein Frauen-Thema?
Das ist geschichtlich bedingt, früher hieß meine Stelle auch „Frauen-Beauftragten-Stelle“, deshalb verknüpfen das die Menschen heute noch oft mit der Gleichstellung. Das ist aber aus meiner Sicht absolut gar nicht mehr so. Meine Intention ist es, Männer anzusprechen, auch Menschen mit Fluchterfahrung oder Migrationshintergrund oder behinderte Menschen. Und das ist ja auch die Intention der Landkreisverwaltung, deshalb hat ja auch der Herr Landrat eine Stabstelle aus der Flüchtlingsbeauftragten, Behindertenbeauftragten und Beauftragten für ChanPersonen cengleichheit gegründet, dass wir für die Vielfalt des Landkreises stehen und alle Gruppen vertreten.
Welche Ergebnisse kamen beim Bürgerdialog heraus?
Eines der Ergebnisse war, dass man darüber nachdenken muss, Bürgerdialoge dezentral zu machen. Oder, dass es vielleicht Sinn macht, Juniorund Seniordays in Unternehmen zu etablieren. Es gibt ja schon Boys- und Girlsdays, aber im Bezug auf den demografischen Wandel könnte man solche Tage in Unternehmen etablieren. Das macht auch im Hinblick auf Wissensmanagement und Wissenstransfer Sinn. Ein großes Thema war auch das Bürgertaxi, das es in manchen Gemeinden ja schon gibt. Die Idee war, dass man das vielleicht flächendeckend nutzen sollte. Und es vielleicht auch für alleinstehende anbietet, die auch nicht so mobil sind, wie ein alleinstehender Vater beispielsweise.
Hat Integration eine Rolle gespielt?
Die einfache Sprache war auch ein großer Punkt. Wir hier im Landratsamt sind gerade an der Umsetzung der Leichten Sprache und machen auch Schulungen mit unseren Mitarbeitern. Ich weiß es ja selbst, wie es ist, wenn ich Post bekomme vom Finanzamt, das muss ich manchmal zwei- bis dreimal lesen, bis ich das versteh. Dann war noch ein Vorschlag, dass man vielleicht ein Schulfach anbietet mit dem Thema Familie. Ein Fach, in dem man lernt: Was ist eigentlich eine Lohnsteuererklärung oder was ist eigentlich eine Steuer-ID-Nummer oder wie geht eigentlich eine Waschmaschine.
Spielt auf dem Ostalbkreis Gewalt eine Rolle?
Im Gespräch wurde klar, dass der Ostalbkreis hier eigentlich schon relativ gut aufgestellt ist. Wir sind ja der einzige Landkreis in BadenWürttemberg, der dieses zentrale Angebot hat mit dem Frauenhaus und dann gibt es noch das dezentrale Angebot mit den Schutzwohnungen in Aalen und Ellwangen. Dann haben wir „Frauen helfen Frauen“in Schwäbisch Gmünd oder die Familienund Erziehungsberatungsstelle die in Sachen sexueller Gewalt berät. Einzige Beanstandung war, dass man das vielleicht ein bisschen mehr vermarkten muss, weil es vielleicht viele auch nicht wissen. Deshalb haben wir schon Flyer gemacht und Plakate, aber vielleicht ist es einfach noch nicht so ganz drin bei allen, dass man da vielleicht noch mehr macht oder dass man vielleicht auch auf die Vereine zugeht und denen Informationen gibt. Katharina Oswald
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf im Ostalbkreis?
Der Themenbereich Barrierefreiheit und leichte Sprache ist ein großer Block. Auch die Mobilität ist ein großes Thema und diese Idee mit Juniorund Seniordays in Unternehmen, die fand ich auch total klasse. Wir planen eine Implementierung eines Wissensmanagement im Landratsamt. Teilhabe am Erwerbsleben spielt immer eine Rolle. Es ist immer noch oft so, dass viele Mädels doch typische Mädelsberufe machen, viele Jungs typische Jungsberufe. Hier sollte man noch eine Schnittmenge bilden, dass sich etwas ändern kann. Wir haben ja diese tolle Hochschule, die technisch versiert ist, da kann man sicher noch in diese Richtung gemeinsam arbeiten.
Wie gehen Sie jetzt weiter damit vor?
Die Ideen des Bürgerdialogs werden der Gleichstellungskommission vorgestellt, dann wird entschieden: Was können wir machen, was macht Sinn? Und was verschieben wir ein bisschen weiter nach hinten. Der Aktionsplan steht jetzt erst mal bis 2019. Aber angedacht ist, dass man nächstes Jahr nochmals einen Zwischenbericht macht, und dann gibt es eine Fortschreibung des Aktionsplans spätestens 2019. Vielleicht auch etwas früher. Da wird geschaut, welche Maßnahmen haben wir umgesetzt, wo gibt es neuen Handlungsbedarf? Das ist ein fortlaufender Prozess.
„Es ist immer noch oft so, dass viele Mädels typische Mädelsberufe machen“
Wäre es erstrebenswert, dass man eines Tages gar keine Gleichstellungsbeauftragte mehr bräuchte, weil alles so gerecht zugeht?
Ja, das wäre natürlich schön und das ist auch das oberste Ziel, die Frage ist nur, ob das passiert. Die Gesellschaft wandelt sich zwar und wird frei und liberal. Aber wenn man dann doch in ein paar andere Länder schaut, dann hat man das Gefühl, das dreht sich alles wieder rückwärts. Deshalb sehe ich meinen Job erst mal nicht gefährdet.