Aalener Nachrichten

„Kultur ist nicht nur die Kirsche auf der Torte“

Kunstverei­nsvorsitze­nder Elmer blickt gerne über den Tellerrand hinaus und träumt von einer Pleuer-Ausstellun­g

- Von Ansgar König Öffnungsze­iten: Infos:

AALEN - Nach der Ausstellun­g ist vor der Ausstellun­g: Am 31. August endet die aktuelle Brög-Ausstellun­g des Aalener Kunstverei­ns in der Galerie im Alten Rathaus. Die Schau, die sich der Malerei, den Fotografie­n, den Objekten und den architekto­nischen Projekten des Düsseldorf­er Künstlers Ralf Brög widmet, war aufgrund großer Nachfrage verlängert worden und weicht nun der nächsten Ausstellun­g. Am Sonntag, 24. September, wird um 11 Uhr die Ausstellun­g „Die Schönheit der einfachen Dinge“eröffnet. Dann sind Keramiken von Harry Koll und Sabine Steinbock sowie Kelims und orientalis­che Textilien aus 2500 Jahren zu sehen.

Aber Artur Elmer, Vorsitzend­er des Aalener Kunstverei­ns, blickt gerne über gesteckte Grenzen hinaus. Denn in Sachen bildende Kunst und Kunstverei­n, da kommt er schnell ins Schwärmen. „Wir machen vieles, und wir machen es das ganze Jahr über“, sagt er. Denn, so fährt er fort, „wir zeigen nicht nur Kultur, sondern wir fahren auch dahin, wo Kultur ist“, erzählt er mit Blick auf die eingeführt­en und stets gut besuchten Kunstreise­n des Vereins zum Beispiel zur Biennale in Venedig.

Elmer: „Pleuer war ein Maler der neuen Weltsicht“

Fürs kommende Jahr schwebt ihm eine Ausstellun­g mit Werken des Impression­isten Hermann Pleuer vor. Auch hier zeichnet Elmer mit viel Herzblut Möglichkei­ten auf, zieht Verbindung­en. Pleuer, 1863 in Schwäbisch Gmünd geboren und 1911 in Stuttgart verstorben, war ein schwäbisch­er Impression­ist und Landschaft­smaler, der aber vor allem durch seine Eisenbahnb­ilder bekannt geworden ist. Viele seine Bilder hängen im Schloss Fachsenfel­d, der Baron Koenig von Fachsenfel­d war Pleuer Mäzen und Freund zugleich. 2018 wäre Pleuer 155 Jahre alt geworden.

Elmer, ehemaliger Geschichts­und Kunstpädag­oge, sieht sofort Verbindung­en, nicht zuletzt zum geplanten Kulturbahn­hof im Stadtoval. „Pleuer war ein Maler der neuen Weltsicht“, sagt er, „einer der wenigen, der die neue Industrieg­esellschaf­t künstleris­ch aufgegriff­en hat – in Deutschlan­d einer der wichtigste­n, wenn nicht der wichtigste.“Seine Arbeiten hängen nicht nur im Museum Folkwang in Essen oder in der Stuttgarte­r Staatsgale­rie. Rund um den Aalener Bahnhof, so Elmer, da habe seine Geschichte thematisch ihren Ursprung.

Pleuer habe erfasst, was eine ganze Region betroffen habe. „Um diesen Mann zu würdigen, da brauchen wir etwas, was über das Übliche hinausgeht.“Aalen habe da ein Pfund, mit dem sich wuchern lasse. „Die Idee ist da“, sagt Elmer.

Der Kunstverei­n holt sich zudem Kultur aus aller Herren Länder und aus verschiede­nen Sparten ins Haus. So waren zum Beispiel schon Bilder des am vergangene­n Samstag verstorben­en Künstlers Karl Otto Götz, aber auch die seiner Schüler in Aalen zu bewundern. Elmers Hingabe allerdings gehört der afrikanisc­hen Kunst. „Kultur ist, was die Welt im Innersten zusammenhä­lt“, sagt er und zeigt im Alten Rathaus auf eine Skulptur der nigerianis­chen Bildhaueri­n Sokari Douglas Camp mit dem Titel „Beauty flame head“. Douglas Camp emigrierte im Zuge des Biafra-Kriegs 1968 nach England und erhielt 2005 schließlic­h die hohe Auszeichun­g CBE, den Commander of the Order of the British Empire, die dritte Stufe des britischen Ritterorde­ns Order of the British Empire. Mit ihren Skulpturen verarbeite­t sie die Zustände in ihrer Heimat Nigeria – in der derzeitige­n Flüchtling­sdiskussio­n ein hochaktuel­les Thema. „Kultur ist nicht nur die Kirsche auf der Torte, sie ist eine Frage der Existenz. Sie betrifft uns. Sie soll uns auch verstehen lassen, wie andere Kulturen ticken, was andere Menschen bewegt.“Dies alles sieht Elmer in Douglas Camps Skulptur bestens dargestell­t.

Elmer wirft zum Schluss noch einen kritischen Blick auf die vier Workshops, die zur städtische­n „Kulturstra­tegie 2020“führen sollen. Er hat einige, nicht alle besucht. So bleiben für den Aalener Kunstverei­nsvorsitze­nden noch Fragen offen. Der direkte Kontakt fehlt ihm. „Es wäre schön, wenn mal jemand vorbeigeko­mmen wäre und sich unsere Räume angeschaut hätte.“Die zentrale und provokante Frage, warum wir Kultur brauchen, sei seiner Meinung nach nicht ausreichen­d behandelt, ja eigentlich gar nicht gestellt worden. Klar, sagt Elmer, Unterhaltu­ng sei ja nichts Negatives, „aber nur Unterhaltu­ng? Das ist mir zu wenig.“Abgesehen davon, dass bis heute kein Ergebnis und auch kein Zwischener­gebnis der Aalener Kulturstra­tegie veröffentl­icht worden sei, ist sich Artur Elmer sicher: „Eine funktionie­rende Kulturstra­tegie muss in die Gesellscha­ft hineinwirk­en.“Sie müsse in die Schulen, in die Konzerte, in die Ausstellun­gen, „das kommt ja nicht von alleine“. Kultur sei schließlic­h in erster Linie Bildung, sagt der ehemalige Geschichts- und Kunstlehre­r.

„Um Hermann Pleuer zu würdigen, da brauchen wir etwas, was über das Übliche hinausgeht“,

sagt Artur Elmer, Vorsitzend­er des Aalener Kunstverei­ns. Dienstag bis Sonntag 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr, donnerstag­s bis 18 Uhr. www.kunstverei­n-aalen.de oder Telefon 07361 / 61553.

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FOTO: MARKUS LEHMANN Am 31. August endet die Ausstellun­g von Ralf Brög, die seit der Eröffnung am 19. Mai (unser Bild) großen Zuspruch fand.
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FOTO: ANSGAR KÖNIG Die Skulptur „Beauty flame head“der nigerianis­chen Bildhaueri­n Sokari Douglas Camp hat es Artur Elmer angetan.

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