Aalener Nachrichten

Ali Hassan Al-Gamrah arbeitet als Arzt in der LEA

Der „Brückenbau­er“aus dem Jemen ist mit einem Arbeitsvis­um nach Deutschlan­d gekommen

- Von Josef Schneider

ELLWANGEN - Sein Lebenslauf ist beeindruck­end: Dr. Ali Hassan AlGamrah kommt aus dem Jemen, spricht hervorrage­nd Deutsch und ist in der Landes-Erstaufnah­mestelle für Flüchtling­e (LEA). Allerdings nicht als Flüchtling, sondern als Arzt. Der 68-Jährige ist angestellt beim sozialen Dienstleis­ter European Homecare (EHC) und wohnt mit Frau und Tochter in Ellwangen.

Al-Gamrah versteht sich als Brückenbau­er, nicht zuletzt dank seiner Aus- und Weiterbild­ung in Deutschlan­d. In den vergangene­n 40 Jahren hat er viel für die deutsch-jemenitisc­hen Beziehunge­n auf dem medizinisc­hen Sektor getan. Er hat an der Universitä­t in Greifswald Medizin studiert. „Es war eine schöne Zeit“, erinnert sich der Arzt an die fast acht Jahre, die er in den 1970er Jahren in der damaligen DDR zugebracht hat. Nach Abschluss seines Studiums, 1977, ging er in seine Heimat, heiratete 1978 in der Hauptstadt Sanaa und praktizier­te fast drei Jahre lang. 1980 kam er mit seiner Familie erneut nach Deutschlan­d, um sich als Facharzt für Chirurgie weiterzubi­lden. Nach der Facharztpr­üfung 1987 hat er an der Universitä­t Bonn promoviert.

Die Kinderchir­urgie im Jemen gegründet

1988 kehrte Al-Gamrah wieder zurück in den Jemen, wo er an seinem Krankenhau­s die Kinderchir­urgie gegründet hat. Es war die erste im Jemen. Über Jahre hinweg habe er mit der Kinderchir­urgie der medizinisc­hen Hochschule Hannover kooperiert, erzählt er.

Die Kinderchir­urgie in Sanaa besteht auch heute noch, trotz Krieg. „Wir hatten vor dem Krieg regelmäßig Besuch aus Deutschlan­d und aus arabischen Ländern“, berichtet AlGamrah von Vorlesunge­n und Vorträgen, die an der Universitä­t Sanaa gehalten wurden. Dazu gab es deutsch-jemenitisc­he medizinisc­he Kongresse, bei denen der Austausch gepflegt wurde.

Al-Gamrah hat auch Ärzte zur Weiterbild­ung nach Deutschlan­d vermittelt. Jedes Jahr hat er am deutschen Chirurgie-Kongress in München oder Berlin teilgenomm­en und so viele Kontakte geknüpft.

2015 brach der Krieg aus und AlGamrah verließ sein Land, um sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen und damit auch die Weiterbild­ung seiner Kinder zu ermögliche­n. So verließ der vierfache Vater den Jemen, flog von Sanaa ins jordanisch­e Amman und beantragte in der deutschen Botschaft ein Arbeitsvis­um für Deutschlan­d. „Ich habe sehr viele, treue Freunde in ganz Deutschlan­d“, sagt er.

Im November 2015 kam er zu einem Freund nach Berlin, den er seit 37 Jahren kennt und der auch vier Jahre im Jemen gelebt hat. Zwei Monate später kam seine Familie nach. Über einen Freund in Kirchheim/ Teck kam Al-Gamrah schließlic­h zur LEA nach Ellwangen, denn er wollte gerne etwas für Flüchtling­e tun. So arbeitete er ein Jahr lang für das Gesundheit­samt Aalen in der LEA. Seit Anfang März 2017 ist er in der Arztpraxis tätig.

In Deutschlan­d bleiben darf er bis 2019. „Aber ich denke an einen langjährig­en Aufenthalt, bis sich die Situation im Jemen wieder normalisie­rt. Dieser Krieg hat sehr viel Schaden angerichte­t im ganzen Land: in der Infrastruk­tur, in der Bildung, im Gesundheit­swesen, in der inneren Einheit des Volkes“, kritisiert der Mediziner die Einmischun­g der Golfstaate­n, insbesonde­re SaudiArabi­ens, und des Iran im Jemen. „Das Problem ist, dass das Königreich Saudi-Arabien und die arabischen Golfstaate­n keine Demokratie und revolution­äre Parteien in ihrer Nähe haben wollen.“

„Bildung ist das A und O, ist die Lösung für alles“, sagt Al-Gamrah mit Blick auf das hohe Analphabet­entum von über 60 Prozent im Jemen. Seine Heimat sei ein geografisc­h interessan­tes und an Kultur und Architektu­r reiches Land mit 27 Millionen Einwohnern. Die Jemeniten seien bekannt als fleißige, aktive, ehrliche und offene Leute, und sie seien vor allem geschäftst­üchtig. Nach dem Arabischen Frühling habe es einen Nationaldi­alog unter Aufsicht von 18 Ländern gegeben, darunter auch Deutschlan­d.

Während Al-Gamrahs älteste Tochter mit ihrer Familie in New York lebt und die zweite in Essen verheirate­t ist und den Master in Business und Administra­tion macht, studiert der Sohn Betriebswi­rtschaftsl­ehre in Cottbus. Die jüngste Tochter (17) lernt in Ellwangen Deutsch.

 ?? FOTO: JOSEF SCHNEIDER ?? Dr. Ali Hassan Al-Gamrah ist Arzt in der LEA.
FOTO: JOSEF SCHNEIDER Dr. Ali Hassan Al-Gamrah ist Arzt in der LEA.

Newspapers in German

Newspapers from Germany