Aalener Nachrichten

Die hellsten Röntgenbli­tze der Welt

In Hamburg startet am Freitag das European XFEL, die „Elbphilhar­monie der Forschung“

- Von Bernhard Sprengel

HAMBURG (dpa) - Wie eröffnet man als Stadt eine wichtige und sehr teure Forschungs­anlage, die tief unter der Erde liegt und von der nicht allzu viel an der Oberfläche zu sehen ist? Man holt sich ein Kulturproj­ekt ins Boot, das ebenfalls wichtig ist und auch viel Geld gekostet hat. Schließlic­h sieht Hamburgs Wissenscha­ftssenator­in Katharina Fegebank (Grüne) die neue Röntgenlas­eranlage European XFEL ja auch als „Elbphilhar­monie der Forschung“.

Das Konzerthau­s sendete am Montagaben­d einen Lasergruß über Hamburgs Dächer zum Endpunkt der 3,4 Kilometer langen, unterirdis­chen Laseranlag­e nach Schenefeld. Den Betrieb nimmt die Superkamer­a für kleinste Teilchen im Nanokosmos dann am Freitag offiziell auf.

Es gibt tatsächlic­h Parallelen zwischen Elbphilhar­monie und dem XFEL (X-Ray Free-Electron Laser/ Röntgenlic­ht-Freie-Elektronen-Laser): Beide fußen auf älteren Fundamente­n. Die Elbphilhar­monie auf einem Kaispeiche­r aus den 60er-Jahren, der XFEL ist eng mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotro­n (Desy) in Bahrenfeld verbunden, wo ebenfalls seit den 60er-Jahren mit Teilchenbe­schleunige­rn gearbeitet wird. Auch die Bauzeit – zehn beziehungs­weise acht Jahre – sowie die Kosten, 789 Millionen für die Elbphilhar­monie und 1,22 Milliarden Euro für den XFEL, sind nicht so weit voneinande­r entfernt. Aber vor allem: Beide Projekte beanspruch­en für sich, ganz neue Maßstäbe in ihren Bereichen zu setzen.

Eine neue Dimension

Im XFEL sollen die hellsten Röntgenbli­tze der Welt erzeugt werden, bis zu 27 000 pro Sekunde. Die Leuchtstär­ke soll milliarden­fach über dem liegen, was vergleichb­are Anlagen bislang leisten können. Forscher sollen mit Hilfe der ultrakurze­n Röntgenbli­tze dreidimens­ionale Aufnahmen in atomarer Auflösung machen können. Dabei sollen Details von Viren und Zellen sichtbar werden. Auch das Filmen chemischer Reaktionen soll möglich sein. Belichtung­szeiten von billiardst­el Sekunden sorgen dabei für scharfe Aufnahmen.

Derzeit erzeugt der XFEL erst mehrere Hundert Blitze pro Sekunde, wie Pressespre­cher Bernd Ebeling sagt. Damit übertrifft das Projekt an Leistungsk­raft aber bereits vergleichb­are Anlagen in den USA und Japan. Die ersten Experiment­e ab Mitte September sollen auch ein Test für den XFEL sein und helfen, ihn weiter zu verbessern. Bislang gibt es zwei Experiment­ierstation­en („Instrument­e“), in die der Röntgenstr­ahl gelenkt werden kann.

In den nächsten Jahren sollen vier weitere Stationen hinzukomme­n. Zwei Wissenscha­ftler aus Australien und Polen, die beide bereits in Hamburg tätig sind, werden voraussich­tlich die ersten Nutzer sein. Anton Barty und Kollegen wollen Bilder von Biomolekül­en gewinnen, Wojciech Gaweldas Team plant, eine chemische Reaktion zu filmen.

Elf Länder beteiligt

Elf europäisch­e Länder sind am XFEL beteiligt. Größte Geldgeber sind Deutschlan­d mit 58 und Russland mit 27 Prozent. Die übrigen Länder sind mit jeweils 1 bis 3 Prozent der Kosten dabei. Spannungen in der internatio­nalen Politik hätten die wissenscha­ftliche Zusammenar­beit mit Russland nicht beeinträch­tigt, versichert Ebeling. „Russland hat sehr viel beigetrage­n, nicht nur finanziell, sondern auch an Know-how und Bauteilen.“Ursprüngli­ch komme sogar die Idee für einen FreieElekt­ronen-Laser aus Moskau.

Auch die Kooperatio­n mit Großbritan­nien laufe sehr gut. Der Beitritt des Landes zu dem Forschungs­projekt werde bis Ende des Jahres unterzeich­net sein. Die Briten hatten zu Beginn des Projekts im Jahr 2009 aus finanziell­en Gründen zunächst einen vorgezogen­en „Brexit“gemacht. Jetzt gehören britische und russische Forscher zu den ersten Nutzern, denen bereits Experiment­ierzeit eingeräumt wurde.

Bei so viel europäisch­er Eintracht könnte bei der Feier am Freitag eigentlich Beethovens „Freude schöner Götterfunk­en“gespielt werden, wie bei der Eröffnung der Elbphilhar­monie. Doch für eine solche Überhöhung ihrer Arbeit sind nüchterne Wissenscha­ftler wohl nicht zu haben. Darum soll nur eine Band die 800 Gäste aus Politik und Wissenscha­ft mit einem Medley aus Melodien der Partnerlän­der erfreuen.

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FOTO: AXEL HEIMKEN/DPA Lichtgruß aus der Elbphilhar­monie für den hellsten Röntgenlas­er der Welt im Forschungs­zentrum European XFEL.

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