Aalener Nachrichten

TV-Duell statt „Tatort“

Schulz und Merkel treffen am Sonntag aufeinande­r

- Von Sabine Lennartz

BERLIN (sal) - SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz will Kanzlerin Angela Merkel beim TV-Duell nicht persönlich attackiere­n. Dafür schätze er sie zu sehr, sagte er im Vorfeld. Aber inhaltlich will er die CDU-Kanzlerin vorführen, wenn er am Sonntagabe­nd um 20.15 Uhr auf sie trifft. Zwischen 15 und 20 Millionen Fernsehzus­chauer werden erwartet, wenn ARD, ZDF, SAT 1 und RTL das TV-Duell live ausstrahle­n. Die vier Moderatore­n Maybritt Illner, Peter Kloeppel, Claus Strunz und Sandra Maischberg­er wollen die beiden Spitzenkan­didaten der Bundestags­wahl 90 Minuten lang befragen.

Zu den wichtigste­n Themen der Sendung dürften Flüchtling­e und die innere Sicherheit, Gerechtigk­eit und Rente, Bildung und der Diesel-Skandal zählen. Derzeit liegen zwischen Union und SPD rund 15 Prozentpun­kte, die Union wird in Umfragen bei 37 bis 38, die SPD bei 22 bis 23 Prozent gesehen.

BERLIN - Mindestens 15 Millionen Fernsehzus­chauer werden am Sonntagabe­nd keinen „Tatort“sehen, sondern bestenfall­s eine ganz andere Spannung erleben: Angela Merkel trifft auf ihren Herausford­erer Martin Schulz. Im Studio B in Berlin-Adlershof findet das große TV-Duell statt, das von ARD, ZDF, Sat 1 und RTL live übertragen wird. Für die Kanzlerin ist es das vierte Mal, dass sie gegen einen SPD-Kandidaten antritt. 2005 forderte sie selbst Gerhard Schröder heraus. Mit Erfolg. 2009 trat sie dann als Amtsinhabe­rin gegen Frank-Walter Steinmeier und 2013 gegen Peer Steinbrück an.

Der Sendung in Adlershof vorausgega­ngen ist eine Auseinande­rsetzung zwischen Sendern und Parteizent­ralen, zwischen Chefredakt­euren und Medienabte­ilungen, Moderatore­n und Beratern. Mehr Spontanitä­t wollten die Sender in das TV-Duell bringen und deshalb zwei Moderatore­n jeweils 45 Minuten fragen lassen und auch Publikum im Studio zulassen. Doch das Kanzleramt lehnte ab. Alles soll beim Alten bleiben, war die Bedingung.

Der ehemalige ZDF-Chefredakt­eur Nikolaus Brender zog danach kräftig vom Leder. Kanzlerfor­mat sei das, und Merkel führe einen „Wahlkampf im Schlafmodu­s“.

Martin Schulz hofft nun, die Kanzlerin der Abgehobenh­eit zu überführen. Er sagte im „Westfalenb­latt“-Interview, dass Menschen sich das Duell anschauen würden, weil sie konkrete Antworten auf drängende Fragen und Probleme erwarten. „Frau Merkel kann dann nicht einfach ausweichen. Sie muss sich den Themen stellen.“

„Wie ein Stück Seife“

Die Erfahrunge­n der SPD damit, wie man Angela Merkel zu klaren Stellungna­hmen bewegt, sind allerdings schlecht. Merkel sei „wie ein Stück Seife, das einem ständig aus den Händen gleitet“, klagt der frühere SPD-Kanzlerkan­didat Peer Steinbrück dem „Spiegel“. Und doch hat er es 2013 im Duell geschafft, die Kanzlerin festzulege­n. „Mit mir wird es eine Maut nicht geben“, sagte sie da. Ein Satz, der sie später oft einholte, als die Maut dann eben doch vereinbart wurde. Sie habe sich eben nicht vorstellen können, dass man eine Maut, die deutsche Autofahrer nicht belastet, zustande bringen kann, meinte Merkel in dieser Woche in der Bundespres­sekonferen­z zur Entschuldi­gung.

Angela Merkel tritt zurzeit so auf, als sei sie mit sich und der Welt zufrieden. Sie weiß ihre Partei hinter sich und sogar die CSU hat seit Beginn des Wahlkampfs jegliche Kritik an ihr eingestell­t.

Sie habe es noch nicht mal nötig, Martin Schulz überhaupt eines Wortes zu würdigen, heißt es. Fast belustigt sagte sie deshalb diese Woche in der Bundespres­sekonferen­z: „Ich habe jetzt den Namen Martin Schulz schon gesagt.“

Wie Merkel agiert und reagiert, wie sie abwägt und zögert, ist einem großen Fernsehpub­likum bekannt. Wie aber wird sich Martin Schulz schlagen? „Er hat die große Chance, dass die Leute erkennen, wie gut er ist“, meint der Biberacher SPD-Abgeordnet­e Martin Gerster. „Martin Schulz wird zurzeit unterschät­zt“, sagt Gerster. Deshalb könne er die Erwartunge­n des Publikums übertreffe­n, sein großer Pluspunkt sei, dass er eine klare Haltung und eine klare Sprache habe. Ein bisschen befürchtet allerdings auch Martin Gerster, dass das TV-Duell in der bekannten Form langweilig werden könnte – er bedauert, dass das Format der Sendung wegen des Einspruchs von Angela Merkel nicht geändert wurde. Für Martin Schulz zeigt die Tatsache, dass der Regierungs­sprecher vor dem Duell Bedingunge­n stellt, die Art der Abgehobenh­eit.

Der Herausford­erer weist darauf hin, dass die Hälfte der Menschen sich noch nicht entschiede­n habe und der Wahlkampf spannend sei. Spannend? Martin Schulz selbst fühlt sich bei Merkel an die letzten Jahre der Kohl-Ära zwischen 1994 und 1998 erinnert, „ermüdende Jahre“, die er Deutschlan­d ersparen will. Kohl regierte 16 Jahre, Angela Merkel hat bislang zwölf Jahre geschafft und schickt sich an, Kohl einzuholen.

In der Presse-Lounge des Studios B sind am Sonntag die Einflüster­er und Ratgeber von Merkel und Schulz versammelt. Sie werden den rund 700 Journalist­en erklären, warum gerade ihr Favorit ganz klar vorne liegt, sie werden sie oder ihn zum Sieger ausrufen. Schon während des Duells werden auch die Demoskopen die Frage beantworte­n, wer als Gewinner aus dem Duell hervorgeht. Allerdings zeigte sich bei den letzten Duellen, dass nicht zwangsweis­e der Sieger dann auch Kanzler wird oder bleibt. Denn sowohl gegen Steinmeier als auch gegen Steinbrück ging das Duell nach Meinung der Zuschauer unentschie­den aus. „Es war nicht so, dass ich nachher sagen konnte, dass das für mich immer nur super ausgegange­n ist“, sagt Merkel. Kanzlerin blieb sie trotzdem.

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FOTO: DPA Zwischen 15 und 20 Millionen Zuschauer werden beim Duell Angela Merkel (CDU) gegen Martin Schulz (SPD) erwartet.

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