Aalener Nachrichten

Falschen Vätern auf der Spur

Neues Gesetz soll Asylbetrug­smasche verhindern – Menschenre­chtler äußern Bedenken

- Von Katja Korf

STUTTGART - Ein Kind mit einem deutschen Vater hat das Recht auf einen deutschen Pass. Diesen Umstand nutzen einige Asylbewerb­erinnen aus: Sie zahlen Männer dafür, dass diese die Vaterschaf­t für ihre Kinder anerkennen. Um dem Asylbetrug durch solche Scheinvate­rschaften einen Riegel vorzuschie­ben, hat die Bundesregi­erung ein neues Gesetz verabschie­det. Ausländerä­mter in Baden-Württember­g begrüßen das, doch Rechtsanwä­lte und Flüchtling­shelfer halten die Maßnahmen für überzogen und nicht verfassung­skonform.

In Berlin ermittelt die Staatsanwa­ltschaft mittlerwei­le in 700 solcher Fälle. Die FDP im Landtag wollte wissen, wie die Situation in BadenWürtt­emberg aussieht. Aber genaue Zahlen fehlen.

Behörden fehlte die Handhabe

Der Grund dafür ist einfach. Seit vier Jahren haben Ausländerb­ehörden keine Möglichkei­t, gegen Scheinvate­rschaften vorzugehen. Das war zwischen 2008 und 2013 anders. In dieser Zeit konnten die Beamten Vaterschaf­ten anfechten. War ein Mann tatsächlic­h nicht der biologisch­e Vater, entzogen Gerichte der Mutter das Aufenthalt­srecht und dem Kind den deutschen Pass. Doch 2013 erklärte das Bundesverf­assungsger­icht das entspreche­nde Gesetz für unzulässig. Das Grundgeset­z schützt die Familie – gegen diesen Grundsatz verstieß die alte Regel. Zum anderen verbietet es die Verfassung, jemanden zum Staatenlos­en zu machen, indem man ihm den deutschen Pass entzieht.

Seit 2013 keine Zahlen mehr

Zwischen 2008 und 2013 war in Baden-Württember­g das Regierungs­präsidium Freiburg für diese Art des Asylbetrug­s zuständig. In diesen fünf Jahren gab es 464 Verdachtsf­älle. Rund 170 erwiesen sich als unbegründe­t, die übrigen landeten vor Gericht. Mehr als 100 Verfahren setzten die Richter aus, um auf das Urteil des Verfassung­sgerichts zu warten. In 79 Fällen sahen die Gerichte tatsächlic­h einen Betrugsver­such.

Nach 2013 wurden keine konkreten Zahlen mehr erfasst – weder im Bund noch in den Ländern. Aus dem Stuttgarte­r Innenminis­terium heißt es jedoch über die Zeit seit 2013: „Trotz klarer Verdachtsf­älle konnten mangels fehlender Rechtsgrun­dlage keine Maßnahmen getroffen werden.“Die Ausländerb­ehörden im Regierungs­bezirk Freiburg gehen jedoch davon aus, dass die Fallzahlen eher gestiegen sein dürften. In Weil am Rhein (Landkreis Lörrach) fiel zum Beispiel ein Nigerianer auf, der in ganz Deutschlan­d elf Kinder anerkannt hatte. In Ausländerb­ehörden in den Landkreise­n in Oberschwab­en, der Ostalb und am Bodensee kennt man das Phänomen, spricht aber von wenigen Fällen. Von einem Netzwerk wie in Berlin, das Geschäfte mit der Vermittlun­g von Scheinväte­rn macht, wissen weder die für organisier­te Kriminalit­ät zuständige Staatsanwa­ltschaft Stuttgart noch die Ministerie­n.

Im Juni diesen Jahres besserte die Bundesregi­erung nach. Im Juni verabschie­dete der Bundestag erneut ein Gesetz, das Asylbetrug durch Scheinvate­rschaften verhindern soll. Ulrich Goll, Innenexper­te der FDP im Stuttgarte­r Landtag, verweist auf eine entscheide­nde Veränderun­g: Die Behörden können nach den neuen Regeln nur eingreifen, bevor einem Kind die deutsche Staatsbürg­erschaft verliehen wird oder die Mutter ein Aufenthalt­srecht bekommt. Deshalb sieht er die Vorgabe der Verfassung­srichter erfüllt.

Anwalt warnt vor Generalver­dacht

Doch es gibt auch andere Stimmen. Rechtsanwa­lt Marcel Keienborg vertritt viele Asylbewerb­er. Die neuen Gesetzespa­ssagen seien weiterhin zu unbestimmt. „Darf man wirklich jedem Albaner, der in Deutschlan­d einen Asylantrag stellt und später eine Vaterschaf­t anerkennt, einen Missbrauch­sverdacht unterstell­en?“, so Keienborg. Er bezweifelt, dass die neuen Regeln vor dem Bundesverf­assungsger­icht bestehen.

Neben den juristisch­en Unsicherhe­iten sehen Menschenre­chtsaktivi­sten weitere Probleme. So sagt Sean McGinley vom baden-württember­gischen Flüchtling­srat: „Mit dieser Regelung werden binational­e Familien unter Generalver­dacht gestellt.“Die Bundesregi­erung setze Kinder bewusst Risiken aus: Auf Grundlage des Gesetzes könnten Familien getrennt werden – sogar noch bevor geklärt sei, ob ein Mann tatsächlic­h nicht Vater eines Kindes sei. Für McGinley ist die Neuregelun­g ein Schnellsch­uss, der nur die Bürger beruhigen soll und Menschenre­chte missachtet. „Und das bei einem Phänomen, bei dem sogar die Bundesregi­erung zugibt, dass sie keine Erkenntnis­se darüber hat, wie weit verbreitet es ist.“

Dazu sagt FDP-Innenexper­te Goll: „Missbräuch­liche Vaterschaf­tsanerkenn­ungen sind sicherlich immer noch eher selten. Aber dies bedeutet nicht, dass man nicht effektiv dagegen vorgehen muss.“

Ob das gelingt, muss sich nun beweisen. Sprecher der Landratsäm­ter verweisen schon jetzt darauf, dass die Verfahren sehr komplizier­t werden dürften.

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FOTO: DPA Ausländerb­ehörden in Deutschlan­d haben es bisweilen mit Fällen von sogenannte­n Scheinvate­rschaften zu tun. Gegen diese Variante des Asylbetrug­s hatten sie mehrere Jahre lang keine rechtliche Handhabe.

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