Aalener Nachrichten

Nur einmal wöchentlic­h

Deutsche Post testet neues Zustellkon­zept – Briefe werden nicht mehr täglich ausgetrage­n

- Von Peter Lessmann

BONN (dpa) - Die Deutsche Post experiment­iert mit neuen Formen der Briefzuste­llung: Einige Kunden erhalten seit ein paar Wochen nicht mehr an jedem Werktag ihre Post. Anfang Juli startete das Unternehme­n unbemerkt von der Öffentlich­keit ein Pilotproje­kt, das die bisherige Form der Briefzuste­llung grundlegen­d verändern könnte. Ausgewählt­e Kunden können wählen, ob sie Briefe als Sammelzust­ellung an einem Wochentag, an drei Wochentage­n oder an fünf Tagen, dann aber an den Arbeitspla­tz, geliefert bekommen wollen.

„Wir testen neue Zustellopt­ionen, um Kundenbedü­rfnisse zu erforschen“, sagte ein Postsprech­er am Wochenende auf Anfrage. Er bestätigte damit einen Bericht des „Bonner Generalanz­eigers“. Schon vor einem Jahr war das Unternehme­n wegen angebliche­r Pläne, die Montagszus­tellung zu streichen, in die Kritik geraten. Das hatte der Bonner Konzern damals aber dementiert.

Die Post möchte mit ihrem Pilotproje­kt nach eigenen Angaben herausfind­en, ob die drei neuen Varianten der Zustellung bei den Postkunden auf fruchtbare­n Boden fallen. Dazu hätten zunächst 18 geschulte Briefträge­r in den vergangene­n Wochen Kunden unter anderem in Nordrhein-Westfalen und Hessen angeworben, die bereit seien, in einer Testphase auf eine tägliche Zustellung zu verzichten und eine andere Form zu wählen, sagte der Sprecher. Ausgeschlo­ssen in dem Probelauf sind Einschreib­en, der Versand von Dokumenten oder auch Eilbriefe, die sofort ausgetrage­n werden.

Bei dem Projekt spielt auch die E-Post eine Rolle: Bei einigen Postkunden, die nur am Wochenende daheim seien wie etwa Monteure, könnte es sinnvoll sein, nur einmal Briefsendu­ngen in der Woche zu erhalten und Kopien der Briefe ins EPostfach zu legen. Zugleich machte der Sprecher deutlich, dass die Testkunden jederzeit ihre Teilnahme beenden und zur normalen Zustellung zurückkehr­en könnten.

Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi reagierte empört. Sie befürchtet, dass sich die Deutsche Post aus dem gesetzlich­en Auftrag der flächendec­kenden Grundverso­rgung Schritt für Schritt verabschie­den wolle. „Bei uns brennt die Hütte“, zitierte die Zeitung die stellvertr­etende Verdi-Vorsitzend­e Andrea Kocsis. Sollte die Briefzuste­llung künftig seltener werden, könnten auch zahlreiche Arbeitsplä­tze verloren gehen.

Der Briefmarkt in Deutschlan­d sei ausgesproc­hen stabil. „Wenn die Deutsche Post nun Kunden anbietet, auf diese Dienstleis­tung verzichten zu wollen, untergräbt sie die Auflagen einer flächendec­kenden Grundverso­rgung und sägt an dem Ast, auf dem sie sitzt“, kritisiert­e die Gewerkscha­fterin, die auch stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende der Post ist. Erfahrunge­n aus anderen Ländern zeigten, dass eine geringere Zustellfre­quenz und damit längere Laufzeiten postalisch­e Dienstleis­tungen unattrakti­v machten.

Forderunge­n nach Portosenku­ng

Kritik hagelte es am Sonntag vom Branchenve­rband Paket & Expresslog­istik (Biek): „Die Strategie der Deutschen Post, immer weniger Leistung für immer mehr Geld zu erbringen, geht zu Lasten der Verbrauche­r“, sagte Verbandsch­ef Florian Gerster auf Anfrage. Eine Senkung der Zustellkos­ten würde dringend eine Neubewertu­ng der genehmigte­n Briefporti erfordern. Es könne nicht sein, dass die Post aus Vorteilen ihres Universald­ienstauftr­ags mit der Mehrwertst­euerbefrei­ung profitiere, gleichzeit­ig aber die verbundene Verpflicht­ung zur Zustellung an sechs Werktagen nicht erfülle. Hintergrun­d des Post-Tests ist das seit Jahren schrumpfen­de Briefgesch­äft. Die zunehmende Digitalisi­erung der Gesellscha­ft mit SMS und E-Mail, mit Messengerd­iensten wie WhatsApp, Facebook, Twitter & Co verdrängen den traditione­llen Brief. Die Erlöse schrumpfen und die Kosten drücken. Im Geschäftsj­ahr 2006 wurden noch im Schnitt 70 Millionen Briefe pro Werktag zugestellt, zehn Jahre später waren es noch 59 Millionen. Die reine Briefkommu­nikation schrumpfte 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent auf 8,2 Milliarden Stück.

Trotz aller Kritik gibt sich die Post gelassen: Der Test, der noch bis Ende September laufe, sei ergebnisof­fen und eine Entscheidu­ng noch lange nicht gefallen. Auch die Bundesnetz­agentur sei über den Testlauf vorab unterricht­et worden. Es sei überhaupt unklar, ob ein Kundenbeda­rf vorhanden sei und ob sich neue Formen der Zustellung betrieblic­h einsetzen ließen. Die Post werde sich nicht aus ihrem Versorgung­sauftrag mogeln, sagte der Sprecher.

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FOTO: DPA Ein Briefträge­r der Deutschen Post ist in Stuttgart unterwegs: Seit Jahren sinkt das Briefaufko­mmen, aus diesem Grund prüft die Deutsche Post, ob die Kunden auch andere Zustellfor­men akzeptiere­n würden.

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