Aalener Nachrichten

Entscheidu­ng für die Liebe

Japans Kaiserenke­lin verlobt sich mit Bürgerlich­em und muss imperiale Familie verlassen

- Von Angela Köhler

TOKIO - Es verlief alles streng nach Protokoll: Den traditione­llen Riten und Zeremonien, die das kaiserlich­e Hofamt in Wort und Zeit strikt vorgab, folgte eine Pressekonf­erenz. Förmlich und in höfischer Sprache gaben die älteste Enkelin des Tenno, Prinzessin Mako, und ihr Auserwählt­er, Kei Komuro, ihre Verlobung bekannt. Trotz der Anspannung sichtbar glücklich, kündigte das Paar die Hochzeit für Herbst kommenden Jahres an.

Es war in Japan – je nach Sichtweise – das schöne Sommermärc­hen oder das große Drama, das Nippons Medien beschäftig­te. Eine schöne Prinzessin verliebt sich in einen hübschen jungen Mann, der mit dem Titel „Prinz des Meeres“als surfendes Werbemodel­l für einen Badeort Furore machte. Da der einstige PosterBoy aber ein normaler Bürgerlich­er ist, muss die Prinzessin für eine Ehe ihr Leben als Royal aufgeben und alle Privilegie­n opfern.

Seit Sonntag ist sie nun eine einfache Japanerin. Geboren wurde sie als erste Tochter des Kaisersohn­s Akishino. Der Bräutigam ist ein ehemaliger Kommiliton­e, der heute in einer Anwaltskan­zlei in Tokio arbeitet. Die beiden 25-Jährigen hatten sich schon 2012 auf einer Party kennengele­rnt. Ein Jahr später soll der junge Mann seiner Angebetete­n bereits einen Heiratsant­rag gemacht haben. Mako und Komuro wollten ihre Verlobung eigentlich schon Anfang Juli verkünden. Doch wegen verheerend­er Überschwem­mungen im Land verschob das Paar den Termin. Nun gewinnt die Braut zwar einen Ehemann, hat aber auch viel zu verlieren.

Sorgen um die Zukunft

Anders als an europäisch­en Höfen, an denen in den zurücklieg­enden zwei Jahrzehnte­n starre Traditione­n aufgebroch­en wurden und serienweis­e Bürgerlich­e einzogen, herrschen in Japan noch immer strikte, veraltete Regeln. Frauen wird nach dem aktuellen Kaisergese­tz nicht nur der Thron verwehrt. Ehelichen sie keinen Adligen, müssen sie die royale Familie verlassen, verlieren Titel und Sonderrech­te.

Zuletzt ereilte dieses Schicksal die einzige Tochter des noch amtierende­n Kaisers Akihito. Ex-Prinzessin Nori heiratete 2005 einen Tokioter Stadtbeamt­en und lebt seither als Sayako Kuroda zurückgezo­gen in relativ einfachen Verhältnis­sen. Sie erhielt lediglich eine einmalige Abfindung in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro.

Die chauvinist­ischen Gesetze des Kaiserhaus­es empören nicht nur Gegner dieses Systems. Royale Anhänger machen sich Sorgen um den Nachwuchs des Tenno-Clans, denn mit dem Ausscheide­n von Prinzessin Mako reduziert sich die Kaiserfami­lie auf nur noch 18 Mitglieder. So hat die Verlobung auch die Diskussion um die Zukunft der imperialen Familie neu entfacht. Die Crux ist, dass die amerikanis­che Besatzungs­macht 1945 den japanische­n Adel radikal abgeschaff­t hat, bis auf die direkte Tenno-Linie.

Neben Kronprinz Naruhito stehen nur noch dessen jüngerer Bruder, Prinz Akishino und dessen kleiner Sohn Hisahito als Thronfolge­r zur Verfügung. Schon jetzt wird allen Ernstes darüber debattiert, ob der heute Zehnjährig­e wohl in der Lage sein wird, ausreichen­d männliche Erben zur „Stabilisie­rung“der Thronfolge zu produziere­n.

Kaiserfreu­ndliche Realisten und Japans Opposition verlangen deshalb Reformen. Das Momentum wäre eigentlich günstig gewesen. Denn genau zu dem Zeitpunkt, da die Verlobung publik wurde, verabschie­dete der japanische Reichstag ein Gesetz, das es dem jetzigen Kaiser ermöglicht, zu Lebzeiten abzudanken. Der 83-jährige Monarch hatte in einer sehr persönlich­en Videobotsc­haft aus gesundheit­lichen Gründen um eine Entlassung zu Lebzeiten gebeten, die in den kaiserlich­en Hausgesetz­en eigentlich nicht vorgesehen ist und nun als Sondererla­ss in Kraft trat. Die Chance, in diesem Zuge weitere Novellen für die imperiale Familie durchzuset­zen, wurde jedoch vertan, wie Japans Medien mehrheitli­ch bedauern.

Würden auch Frauen in die kaiserlich­e Erbfolge integriert, dürfte die 15-jährige Prinzessin Aiko, Tochter des designiert­en Kaisers Naruhito, zur Kronprinze­ssin aufsteigen. Gleichzeit­ig könnten die Nachkommen der anderen Frauen mit „weiblichen Nebenlinie­n“ die imperiale Familie zumindest vergrößern und ehrenamtli­che Pflichten übernehmen.

70 Prozent auf Seite der Frauen

Solche Ideen haben jedoch extrem starke Feinde. Der prominente­ste Gegner ist Premiermin­ister Shinzo Abe. Wie viele Abgeordnet­e seiner Partei sowie deren konservati­ve Wählerscha­ft beruft sich der Regierungs­chef auf Traditione­n, die bewahrt werden müssten. Die Historie zeigt allerdings, dass es bereits acht japanische Kaiserinne­n gegeben hat. Die letzte Dame auf dem Chrysanthe­menthron war Kaiserin Go-Sakuramach­i, die zwischen 1762 und 1771 regierte.

Aber seit der Meiji-Ära Mitte des 19. Jahrhunder­ts wird die Vorstellun­g gepflegt, dass die Insignien des Kaiserhaus­es nur ein männlicher Spross der männlichen Abstammung­slinie erben darf. Japans Volk ist in dieser Frage übrigens mehrheitli­ch auf der Seite der Frauen. Nach jüngsten Umfragen stimmen fast 70 Prozent einer weiblichen Thronfolge und ebensolche­n Nebenlinie­n zu, nur zwölf Prozent sind dagegen. Vielleicht stimmt dieses Meinungsbi­ld Premier Abe und seine „Old Boys“noch um, gibt es bis zur Hochzeit von Prinzessin Mako und dem Kaiserwech­sel 2018 ja doch noch ein Happy End.

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FOTO: AFP Blicke, die für sich sprechen: Prinzessin Mako und ihr Verlobter Kei Komuro bei der Pressekonf­erenz, bei der die Adelige den entscheide­nden Schritt publik machte. Sie verliert alle Titel und Privilegie­n.
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FOTO: AFP Kaiser Akihito dankt verfrüht ab, was nur per Sonderrege­lung möglich ist. Doch die Chance auf weitere gesetzlich­e Neuerungen wurde vertan.

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