Die Demontage der Väter
Filme von George Clooney und Samuel Maoz in Venedig und ein Selfie mit Flüchtlingen von Ai Weiwei
VENEDIG - Es war ein strahlender Auftritt: George Clooney, der für viele immer noch schönste Mann Hollywoods, besuchte sein erklärtes Lieblingsfestival und präsentierte sich mit seinem Hauptdarsteller Matt Damon auf dem Roten Teppich am Lidostrand, gemeinsam mit Julianne Moore. Sie spielt in Clooneys neuer Regiearbeit eine Doppelrolle.
„Suburbicon“ist eine schwarze, brutal abgründige, politische Komödie. Das Drehbuch stammt von den Coen-Brüdern, deren Werke dieser Film noch mehr ähnelt als Clooneys bisherige Regiearbeiten. Wie bereits Guillermo Del Toros Wettbewerbsbeitrag spielt der Film um 1960, in der Endphase der Eisenhower-Ära, als das „amerikanische Jahrhundert“bereits fragwürdig und die amerikanischen Träume brüchig wurden. Und wieder spielt das Goldene Zeitalter des Fernsehens eine besondere Rolle als weltordnende quasi religiöse Macht, eine zweite Traumfabrik. George Clooney über die politische Lage in den USA
„Suburbicon“ist eine fiktive Vorstadtsiedlung, idealtypisches 1950erJahre Leben. Aber als eine schwarze Familie in die Nachbarschaft zieht, zeigt die Idylle ihr hässliches Gesicht. Spießer-Faschos machen vor dem Haus der Neuankömmlinge hasserfüllte Dauerrandale. Erzählt werden aus doppelter Kinderperspektive ein paar Tage im Leben von Nicky und Noah. Nicky lebt hier mit Vater Gardner (Matt Damon), Mutter Rose (Julianne Moore) und deren Zwillingsschwester Maggie (wieder Moore). Noah ist der neue schwarze Nachbarsjunge. Eines Nachts wird Nickys Familie überfallen, am nächsten Morgen ist die Mutter tot. Schnell begreift Nicky, dass sein Vater und Maggie ein Verhältnis haben, und Killer engagierten, um Rose zu töten, und die Versicherung zu kassieren.
Es ist die Perversion des American Dream, um die es Clooney geht, die zeitgenössische, die aber in seinem Blick eine historische Tiefendimension bekommt. Vor allem die in Hollywood so beliebte Vaterfigur wird hier ein für alle mal demontiert. Matt Damon spielt den Vater abgründig als eiskalten Vollidioten.
„Suburbicon“ist antiautoritär und abgründig. Denn alles, was Nicky passiert, lenkt nur von der Lynchstimmung des Mobs vor Noahs Elternhaus ab. Dies sind genaugenommen die weitaus empörenderen Vorfälle. Im Gegensatz zu Noah ist für Nicky der Alptraum irgendwann zu Ende. Im letzten Bild spielen Noah und Nicky Baseball – über den Gartenzaun hinweg.
Auch für den Israeli Samuel Maoz, der vor acht Jahren mit „Lebanon“den Goldenen Löwen gewann, ist der Nahost-Krieg ein Alptraum ohne Ende: „Foxtrott“erzählt in drei Akten von einer Familie, die die Nachricht erhält, der Sohn sei gefallen. Doch es handelt sich um eine Verwechslung. Als die auffliegt, ist die Erleichterung kurz, denn bald darauf stirbt der Sohn bei einem Unfall tatsächlich.
Diesen Rahmen nutzt Maoz zu einer Kritik israelischer Männlichkeit, die in vielen kleinen Szenen und Episoden erzählt wird, anhand von Vater und Sohn, Generälen und Soldaten. Alles mündet in das Porträt einer kaputten Familie und die Verachtung des Regisseurs für den – angeblichen – Ausverkauf der Erinnerung an die Shoa und der jüdischen Tradition an die Pop- und Konsumkultur. Ein künstlerisch konsequenter Film mit vielen Stärken, politisch aber ein antiisraelischer Film aus Israel.
„Sarah spielt einen Werwolf“heißt das sehr gelungene Debüt der Berliner Filmhochschülerin Katharina Wyss, das in einer Nebensektion läuft. Das einfühlsame, originell erzählte Porträt einer selbstmordgefährdeten 17-jährigen ist einer von zwei deutschen Beiträgen am Lido.
„Über unserem Land hängt eine dunkle Wolke.“