85 Millionen für Sport, Kultur und Freizeit
Oberbürgermeister Thilo Rentschler über die Stadt Aalen als Wirtschaftsstandort
AALEN - In Aalen wird zurzeit kräftig investiert: Zwei Milliarden Euro kommen von Privaten, eine halbe Milliarde von der öffentlichen Hand, unter anderem für den weiteren Ausbau der Hochschule. Was sich dort tut, darüber hat Viktor Turad mit Oberbürgermeister Thilo Rentschler gesprochen.
Sie sprechen von Aalen gerne als Boomtown. Woran machen Sie das fest?
Wir haben es geschafft, von einem dringend notwendigen Aufbruch zu einem Aufschwung zu kommen. Private investieren zurzeit insgesamt zwei Milliarden Euro. Das sind gewaltige Summen. Hinzu kommt rund eine halbe Milliarde von der öffentlichen Hand, beispielsweise für den weiteren Ausbau der Hochschule. Nicht eingerechnet sind hier rund 400 Millionen Euro, die der Bund in den Ausbau des Verkehrsnetzes investiert.
Was trägt die Stadt selbst dazu bei?
Im Bereich Bildung und Betreuung wollen wir zwölf Millionen in den Ausbau der Kindergärten stecken und 60 Millionen in die Verbesserung der Schulen, von der energetischen Sanierung über den pädagogischen Bereich und den Brandschutz bis hin zur Digitalisierung. Der zweite große Brocken ist der Wohnungsbau. Dort wollen wir über 100 Millionen Euro investieren, um deutlich mehr Wohnraum zu schaffen und zu einem ausgeglicheneren Wohnungsmarkt zu kommen mit bezahlbaren Wohnungen und stabilen Mieten. Wir haben eine große Nachfrage nach Wohnungen, weil die Zahl der Studierenden und der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wächst. Im Land und im Ostalbkreis gibt es ein Bevölkerungswachstum und auch Aalen als größte Stadt in der Region legt deutlich zu. Und schließlich wollen wir 85 Millionen für den Bereich Sport, Kultur und Freizeit aufwenden – von der Neuordnung der Bäderlandschaft über den Kulturbahnhof bis zu den Sportstätten.
Wie wollen Sie das alles finanzieren?
Das ist leistbar, weil wir jetzt im achten Jahr in Folge einen ordentlichen Wirtschaftsaufschwung und damit ordentliche Steuereinnahmen haben. Das hat zur Folge, dass wir verstärkt Zuschüsse von Bund und Land bekommen, die früher nicht so üppig geflossen sind. Man merkt also, dass Minister Schäuble seine Milliarden reinvestieren will. Und nicht zuletzt erfreut sich die Stadt selbst einer stabilen Einnahmesituation dank ihrer gesunden mittelständischen Unternehmensstruktur. Hinzu kommt, dass die Zinsen praktisch verschwunden sind und dass es daher sinnvoll ist, jetzt zu investieren.
Man könnte aber auch sagen: Es läuft doch alles gut. Aalen kann sich zufrieden zurücklehnen.
Wenn man die Sache volkswirtschaftlich betrachtet, weiß man, dass jede Investition einen positiven Effekt hat. Öffentliche Zuschüsse mobilisieren freies Kapital, sichern damit indirekt Arbeitsplätze und neue Steuereinnahmen. Jeder Euro löst neue Impulse und Wachstum aus. Von diesem Aufschwung profitiert Deutschland und natürlich auch die Stadt Aalen. Oder betrachten Sie es umgekehrt: Wenn wir sagen würden, wir halten uns jetzt zurück, ginge auch die Nachfrage zurück, Arbeitsplätze würden abgebaut, es würde weniger konsumiert. So kämen wir in eine Negativspirale. Zur Klarstellung: Wir sprechen nicht von einer überhitzten Konjunktur. Wir haben seit Jahren Preisstabilität, die Lohnnebenkosten sind günstiger denn je und die Sozialkassen sind ordentlich gefüllt. Das alles zeigt mir: Ein gesunder Optimismus ist besser als mit dem Kopf unter dem Arm daher zu kommen.
Die Stadt Aalen hat einen Hochschulplan 2020 aufgelegt. Warum ist er nötig?
Wir brauchen nicht nur einen Hochschulplan 2020, sondern sogar eine Hochschulphantasie 2050. Denn die jungen Menschen, die jetzt ausgebildet werden, werden eines Tages für Innovation und Entwicklung sorgen. Und wir brauchen eine forschungsstarke Hochschule in Aalen. Sie ist für die Region der zentrale Treiber für zukünftigen Wohlstand. In die Hochschule werden daher mit Hilfe des Landes als starkem Partner in den kommenden Jahren 90 Millionen Euro investiert.
Noch relativ neu an der Hochschule ist das Innovationszentrum. Was muss man sich darunter vorstellen?
Es ist seit zwei Jahren ein Ort der Begegnung für junge, kreative Menschen, die sich dort einmieten, auf das Know-how der Hochschule zurückgreifen können und so die ersten Schritte zum Aufbau eines eigenen Unternehmens machen. Das Innovationszentrum dient damit der Stärkung und Professionalisierung des Transfers zwischen der Hochschule – sie ist zusammen mit der Stadt Gesellschafter der GmbH – und Unternehmen der Region, um den Wirtschaftsstandort Ostwürttemberg nachhaltig zu fördern. Teil dieses Masterplans 2020 sind zwei Leuchtturmprojekte, nämlich das ZiMATE (Zentrum für innovative Materialien und Technologien für effiziente elektrische Energieumwandler-Maschinen) und das ZTN (Zentrum Technik für Nachhaltigkeit). Zu diesem Gesamtensemble gehört weiter der explorhino-Neubau, ein kleiner Campus für junge Forscher. Es ist nämlich wichtig, dass wir Kinder frühzeitig an die Naturwissenschaften heranführen, denn sie werden morgen die Studierenden unserer Hochschule und der Nachwuchs an Fachkräften für unsere Wirtschaftsunternehmen sein.