Entsetzen über die Schande von Prag
Nationalspieler, DFB-Präsident Grindel und Bundestrainer Löw verurteilen Nazi-Parolen
PRAG - Wäre das Ganze, dieser pöbelnde, Naziparolen skandierende Abschaum, eigentlich zu verhindern gewesen? Die Schande von Prag: Aus einem Pulk von etwa 200 Personen gingen am Freitag beim 2:1 (1:0) im WM-Qualifikationsspiel der Nationalelf gegen Tschechien ständige Provokationen und Pöbeleien aus, waren üble Beleidigungen gegen den DFB und Leipzigs Timo Werner, der aus Sicht mancher für den falschen Verein spielt, zu hören. Und als negativer Höhepunkt: auch im TV klar zu vernehmende „Sieg-Heil“-Wechselgesänge. Vor Anpfiff störten die Chaoten beide Nationalhymnen und eine Schweigeminute mit Unflätigkeiten.
Verhindern? Wenn ja – wie? Gute Frage, keine Antwort. Nachdem die Spieler bereits am Freitagabend die Idioten aus der Kurve mit Liebesentzug bestraften – sie entschieden nach Abpfiff, sich nicht wie üblich bei den Fans in der Kurve zu bedanken und zu verabschieden, reagierten im Laufe des Wochenendes auch DFBFunktionäre und Bundestrainer Joachim Löw empört. „Wir werden niemals faschistische, rassistische, beleidigende oder homophobe Schlachtrufe dulden!“, schrieb DFBPräsident Reinhard Grindel auf Facebook. Bundestrainer Joachim Löw, der am Freitagabend während des Coachings an der Seitenlinie von den Pöbeleien nichts mitbekommen und dies glaubhaft versichert hatte, sagte am Sonntag in Stuttgart, er sei „voller Wut und wirklich sehr, sehr angefressen“. Diese Problemfans hätten „die Bühne des Fußballs und eines Länderspiels benutzt und mit ihrem oberpeinlichen Auftreten viel Schande über unser Land“gebracht. Die Aktionen seien „zutiefst verachtenswert, unsäglich, unterste Schublade“.
„Das sind nicht unsere Fans“
So kennt man den immer netten und charmanten Bundestrainer überhaupt nicht, Löw zeigte seine wütende Seite und erklärte: „Diese Chaoten wollen wir nicht! Wir sind nicht deren Nationalmannschaft, das sind nicht unsere Fans.“Die Nationalmannschaft stehe für ein „respektvolles, tolerantes und weltoffenes Deutschland“, er forderte „absolut harte Sanktionen“.
Dies hatte die Nationalmannschaft selbst schon am Freitag mehr als deutlich gemacht. Wortführer war in Prag Siegtorschütze Mats Hummels gewesen: „Das war so weit daneben, dass es nicht mehr zur Diskussion stand, ob wir uns noch verabschieden“, sagte er. Auch wegen Mitspieler Werner, letzte Saison mit einer üblen Schwalbe auffällig, für die er sich längst entschuldigt hat. „Timo wurde beleidigt, bepöbelt, dann fangen die Fans an, diesen Scheiß zu rufen. Da distanzieren wir uns komplett von, damit wollen wir nichts zu tun haben“, ergänzte er. Um dann noch einmal ganz deutlich zu werden: „Das sind keine Fans, das sind Krawallmacher, Hooligans, die haben nichts mit Fußballfans zu tun. Die müssen wir aus dem Stadion raus kriegen.“
Nur – wie? Der beitragspflichtige und oft von vielen als reine Kommerzaktion verunglimpfte „Fan Club Nationalmannschaft powered by Cocy Cola“, über den Tickets für die DFB-Spiele bezogen werden, hat den Vorteil, dass nur Mitglieder an Eintrittskarten für Auswärtsspiele gelangen. Die Tickets sind personalisiert, der DFB weiß, mit wem er es in fremden Stadien zu tun hat. Für die „Eden Aréna“in Prag, überraschend nicht ganz ausverkauft, hatten sich die rund 200 Idioten über anderweitige Kanäle Tickets besorgt und im Unterrang neben dem offiziellen DFB-Block zusammengerottet. „In Deutschland haben es diese Leute schwerer“, sagte Mats Hummels, „was sehr gut ist.“
Bestimmte Gruppierungen, hierzulande teils mit Stadionverboten belegt, wählen insbesondere Auswärtsfahrten nach Osteuropa, um dort „Flagge zu zeigen“. Mit Reichskriegsflaggen, oder wie auch in der Prager Innenstadt zu sehen: dem Hitlergruß. Nicht zum ersten Mal und meist unbehelligt von lokalen Autoritäten. An der tschechischen Grenze sollen einige dieser „Fans“gestoppt worden sein, womöglich konnte so Schlimmeres verhindert werden. Es war ohnehin schlimm genug.
Der Bundestrainer will vor dem Spiel am Montag gegen Norwegen (20.45 Uhr/RTL) in Stuttgart die Vorfälle in der Mannschaftssitzung noch einmal thematisieren. Unterm Strich steht: Spieler, Bundestrainer und DFB-Präsident Reinhard Grindel gehen entschlossen auf Distanz zu den Problemfans. Ein im deutschen Fußball in dieser Form einmaliger Vorgang.