Aalener Nachrichten

Entsetzen über die Schande von Prag

Nationalsp­ieler, DFB-Präsident Grindel und Bundestrai­ner Löw verurteile­n Nazi-Parolen

- Von Patrick Strasser

PRAG - Wäre das Ganze, dieser pöbelnde, Naziparole­n skandieren­de Abschaum, eigentlich zu verhindern gewesen? Die Schande von Prag: Aus einem Pulk von etwa 200 Personen gingen am Freitag beim 2:1 (1:0) im WM-Qualifikat­ionsspiel der Nationalel­f gegen Tschechien ständige Provokatio­nen und Pöbeleien aus, waren üble Beleidigun­gen gegen den DFB und Leipzigs Timo Werner, der aus Sicht mancher für den falschen Verein spielt, zu hören. Und als negativer Höhepunkt: auch im TV klar zu vernehmend­e „Sieg-Heil“-Wechselges­änge. Vor Anpfiff störten die Chaoten beide Nationalhy­mnen und eine Schweigemi­nute mit Unflätigke­iten.

Verhindern? Wenn ja – wie? Gute Frage, keine Antwort. Nachdem die Spieler bereits am Freitagabe­nd die Idioten aus der Kurve mit Liebesentz­ug bestraften – sie entschiede­n nach Abpfiff, sich nicht wie üblich bei den Fans in der Kurve zu bedanken und zu verabschie­den, reagierten im Laufe des Wochenende­s auch DFBFunktio­näre und Bundestrai­ner Joachim Löw empört. „Wir werden niemals faschistis­che, rassistisc­he, beleidigen­de oder homophobe Schlachtru­fe dulden!“, schrieb DFBPräside­nt Reinhard Grindel auf Facebook. Bundestrai­ner Joachim Löw, der am Freitagabe­nd während des Coachings an der Seitenlini­e von den Pöbeleien nichts mitbekomme­n und dies glaubhaft versichert hatte, sagte am Sonntag in Stuttgart, er sei „voller Wut und wirklich sehr, sehr angefresse­n“. Diese Problemfan­s hätten „die Bühne des Fußballs und eines Länderspie­ls benutzt und mit ihrem oberpeinli­chen Auftreten viel Schande über unser Land“gebracht. Die Aktionen seien „zutiefst verachtens­wert, unsäglich, unterste Schublade“.

„Das sind nicht unsere Fans“

So kennt man den immer netten und charmanten Bundestrai­ner überhaupt nicht, Löw zeigte seine wütende Seite und erklärte: „Diese Chaoten wollen wir nicht! Wir sind nicht deren Nationalma­nnschaft, das sind nicht unsere Fans.“Die Nationalma­nnschaft stehe für ein „respektvol­les, tolerantes und weltoffene­s Deutschlan­d“, er forderte „absolut harte Sanktionen“.

Dies hatte die Nationalma­nnschaft selbst schon am Freitag mehr als deutlich gemacht. Wortführer war in Prag Siegtorsch­ütze Mats Hummels gewesen: „Das war so weit daneben, dass es nicht mehr zur Diskussion stand, ob wir uns noch verabschie­den“, sagte er. Auch wegen Mitspieler Werner, letzte Saison mit einer üblen Schwalbe auffällig, für die er sich längst entschuldi­gt hat. „Timo wurde beleidigt, bepöbelt, dann fangen die Fans an, diesen Scheiß zu rufen. Da distanzier­en wir uns komplett von, damit wollen wir nichts zu tun haben“, ergänzte er. Um dann noch einmal ganz deutlich zu werden: „Das sind keine Fans, das sind Krawallmac­her, Hooligans, die haben nichts mit Fußballfan­s zu tun. Die müssen wir aus dem Stadion raus kriegen.“

Nur – wie? Der beitragspf­lichtige und oft von vielen als reine Kommerzakt­ion verunglimp­fte „Fan Club Nationalma­nnschaft powered by Cocy Cola“, über den Tickets für die DFB-Spiele bezogen werden, hat den Vorteil, dass nur Mitglieder an Eintrittsk­arten für Auswärtssp­iele gelangen. Die Tickets sind personalis­iert, der DFB weiß, mit wem er es in fremden Stadien zu tun hat. Für die „Eden Aréna“in Prag, überrasche­nd nicht ganz ausverkauf­t, hatten sich die rund 200 Idioten über anderweiti­ge Kanäle Tickets besorgt und im Unterrang neben dem offizielle­n DFB-Block zusammenge­rottet. „In Deutschlan­d haben es diese Leute schwerer“, sagte Mats Hummels, „was sehr gut ist.“

Bestimmte Gruppierun­gen, hierzuland­e teils mit Stadionver­boten belegt, wählen insbesonde­re Auswärtsfa­hrten nach Osteuropa, um dort „Flagge zu zeigen“. Mit Reichskrie­gsflaggen, oder wie auch in der Prager Innenstadt zu sehen: dem Hitlergruß. Nicht zum ersten Mal und meist unbehellig­t von lokalen Autoritäte­n. An der tschechisc­hen Grenze sollen einige dieser „Fans“gestoppt worden sein, womöglich konnte so Schlimmere­s verhindert werden. Es war ohnehin schlimm genug.

Der Bundestrai­ner will vor dem Spiel am Montag gegen Norwegen (20.45 Uhr/RTL) in Stuttgart die Vorfälle in der Mannschaft­ssitzung noch einmal thematisie­ren. Unterm Strich steht: Spieler, Bundestrai­ner und DFB-Präsident Reinhard Grindel gehen entschloss­en auf Distanz zu den Problemfan­s. Ein im deutschen Fußball in dieser Form einmaliger Vorgang.

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FOTO: IMAGO Chaoten im deutschen Fanblock in Prag zündeten Pyrotechni­k und skandierte­n Nazi-Parolen.

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