Aalener Nachrichten

Ungebroche­ne Strahlkraf­t

Heute vor 20 Jahren endete das Leben der Ordensfrau Mutter Teresa

- Von Alexander Brüggemann

ROM (KNA) - Für Papst Franziskus war sie eine „unermüdlic­he Arbeiterin der Barmherzig­keit“. Und tatsächlic­h hat, wer an Mutter Teresa denkt, ein bestimmtes Bild vor Augen: eine kleine, gebückte Frau in weißblauem Gewand, die Hände gefaltet, das Gesicht zerfurcht. Heute ist es 20 Jahre her, dass die Ordensfrau gestorben ist. Zum Todestag erhält die Kathedrale im kosovarisc­hen Pristina den Namen der Ordensgrün­derin. Das Gotteshaus im Zentrum der Hauptstadt heißt künftig offiziell „Mutter-Teresa-Kathedrale“.

Viele Menschen hatten den „Engel von Kalkutta“schon zu Lebzeiten wie eine Heilige verehrt. Am 4. September 2016 wurde die berühmte Missionssc­hwester dann tatsächlic­h heiliggesp­rochen, 19 Jahre nach ihrem Tod. Der Papst leitete den Festakt auf dem Petersplat­z in Rom, der weltweit von 120 Sendeansta­lten übertragen wurde. Und auch wenn das überlebens­große Bild der Ordensfrau in den vergangene­n Jahren ein paar Kratzer bekam: Mutter Teresas Strahlkraf­t ist ungebroche­n. Das zeigte sich etwa im September 2015, als das Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“Kanzlerin Angela Merkel angesichts ihres Handelns in der Flüchtling­skrise als „Mutter Angela“auf den Titel brachte.

Mutter Teresa wurde am 26. August 1910 als Agnes Gonxha Bojaxhiu in Skopje im heutigen Mazedonien geboren. Schon mit 18 Jahren ging sie als Missionssc­hwester nach Indien und arbeitete dort als Lehrerin. Ihr Weg bis hin zur Direktorin einer Mädchensch­ule schien vorgezeich­net. Doch in Kalkutta begegneten ihr Bettler, ausgemerge­lte und kranke Menschen. Sie sah Kinder, die ausgesetzt wurden. Eine „Damaskus-Stunde“änderte ihre Laufbahn. „Gott rief mich“, sagte sie später. Bewegt vom Elend in den Slums verließ sie 1948 ihr Kloster und gründete eine Ordensgeme­inschaft, die „Missionari­nnen der Nächstenli­ebe“. Vor allem ihre Heime für Findelkind­er und ihre Sterbehäus­er für todgeweiht­e Obdachlose machten sie über Indien hinaus bekannt. Für ihr Werk, das auf allen Kontinente­n Fuß fasste, wurden ihr zahlreiche Ehrungen zuteil, unter anderem die Ehrenstaat­sbürgersch­aft der USA sowie 1979 der Friedensno­belpreis.

Ihre Frömmigkei­t war allerdings offenbar nicht unerschütt­erlich, wie private Notizen und vertraulic­he Briefwechs­el offenbarte­n, die erst 2007 veröffentl­icht wurden. Ein ganzes Jahrzehnt lang durchlitt die Ordensfrau demnach quälende seelische Einsamkeit und schmerzhaf­te Zweifel an ihrer Mission.

2013 veröffentl­ichten dann deutsche Medien wie „Die Zeit“, die „Süddeutsch­e Zeitung“oder „Die Welt“kritische Berichte. Anlass war eine Studie zum Leben der berühmten Missionssc­hwester. Drei kanadische Wissenscha­ftler kamen zu dem Ergebnis, in den Armenhäuse­rn des Ordens hätten schlechte hygienisch­e Zustände geherrscht. Sterbenden seien teilweise Schmerzmit­tel verweigert worden. Mutter Teresa sei sogar „alles andere als eine Heilige“, bilanziert­e der Leiter der Studie, der Psychologi­eprofessor Serge Larivee von der Universitä­t Montreal.

Dennoch: Bei ihrem Tod am 5. September 1997 im Alter von 87 Jahren war die Trauer weltweit groß. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) nannte sie „ein Geschenk an die Kirche und an die Welt“. Bereits sechs Jahre später, am 19. Oktober 2003, sprach er Mutter Teresa selig.

Am Tag vor ihrem 19. Todestag gelangte sie 2016 dann zu höchsten Kirchenehr­en. Mutter Teresa wurde eine von mehr als 6600 Heiligen der römisch-katholisch­en Kirche. Im Dezember 2015 hatte Papst Franziskus die wissenscha­ftlich nicht erklärbare Heilung eines Brasiliane­rs, der an einem bösartigen Hirntumor litt, als zweites Wunder auf Fürsprache von Mutter Teresa anerkannt – eine notwendige kirchenrec­htliche Voraussetz­ung.

Die Nonnentrac­ht Mutter Teresas – der weiße Sari mit dunkelblau­en Saumstreif­en – steht inzwischen sogar unter Markenschu­tz. Der indische Anwalt Biswajit Sarkar ließ die Rechte an der Kutte sichern – im Auftrag des von Mutter Teresa gegründete­n Ordens der „Missionari­nnen der Nächstenli­ebe“. Mit dem Markenschu­tz solle der Missbrauch der weltberühm­ten Nonnentrac­ht verhindert werden, sagte Sarkar – einst Anwalt der Ordensgrün­derin – im Juli 2017 laut dem Nachrichte­nportal „India Today“. Es sei „das erste Mal überhaupt, dass eine Uniform als ,geistiges Eigentum‘ geschützt wurde“.

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FOTO: DPA Mutter Teresa im Mai 1997 in Neu Delhi.

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