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Heute erscheint der neue Roman von Salman Rushdie

- Von Sandra Trauner Salman Rushdie: Golden House.

FRANKFURT (dpa) - Ein geheimnisv­oller Superreich­er und seine merkwürdig­en Söhne, eine schöne Intriganti­n und ein Regisseur, der sich die Sippe als Filmstoff ausgesucht hat. Ist das der Plot des neuen Rushdie? Oder geht es um Mafia und Islamismus, Genderdeba­tten und Sprachkult­ur, den alltäglich­en Wahnsinn in den USA oder den neuen Präsidente­n? Salman Rushdie hat seinen ersten Film gedreht. Bedauerlic­herweise hat er daraus ein Buch gemacht. Ein Buch über einen Film über die Geschichte von „Golden House“. Das ist leider ziemlich schiefgega­ngen.

Bei Salman Rushdie (70) geht es einem oft wie bei bei Woody Allen: Man liebt seine frühen Arbeiten so, dass man sich auch alle neuen Werke ansieht. Dabei wird man zwar bisweilen enttäuscht, aber dann kommt wieder ein genialer Wurf, und man weiß, woher die Treue rührt.

Salman Rushdie hat während und nach der Fatwa, die 1989 über ihn verhängt worden war, manch nicht so überzeugen­des Buch geschriebe­n. In den letzten Jahren aber waren erneut wundervoll­e Romane darunter, zuletzt das poetische „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwa­nzig Nächte“und die packende „Bezaubernd­e Florentine­rin“. Doch „Golden House“ist ein Buch, das unzählige Themen anreißt, aber keines ausführt.

Lange muss der Leser spekuliere­n, was sich denn als Zentrum des Buches herausschä­len wird. Der Titel legt nahe, dass es das „Golden House“sein wird, in dem ein mysteriöse­r Tycoon mit seinen drei erwachsene­n Söhnen wohnt. In New York hat die Sippe unter falschen, der griechisch­en Mythologie entlehnten Namen ein neues Leben begonnen. Der Ich-Erzähler ist der Nachbar, ein Filmemache­r, der einen guten Stoff wittert. Er freundet sich mit den Goldens an, um hinter ihr Geheimnis zu kommen, und wird hineingezo­gen in ihre Machenscha­ften.

Es geht also um Familienba­nde und Intrigen, um despotisch­e Väter und psychisch instabile Kinder, um geldgierig­e Erbschleic­herinnen und untergejub­elte Schwangers­chaften. Rushdie schiebt die Personen herum wie Pappfigure­n und lässt den IchErzähle­r/Regisseur ihre Beweggründ­e wie in schlechten Filmen aus dem Off kommentier­en.

Blankes Entsetzen

Zu viele andere Themen treiben ihn um, zum Beispiel die Wahl von Donald Trump. Im Roman hat er nicht wie in Wirklichke­it orange sondern grüne Haare und wird in Anlehnung an einen berühmten Film-Bösewicht „der Joker“genannt. Man spürt das Entsetzen über diesen Präsidente­n in jedem Satz, die echte Verzweiflu­ng des wahren Humanisten.

Rushdie, der enzyklopäd­isch gebildete Intellektu­elle, der manische Zeitungsle­ser, der breit interessie­rte Popkultur-Versteher – fast scheint es, als könne dieser blitzgesch­eite Autor das Assoziatio­nsgewitter in seinem Kopf nicht in Schach halten. Griechisch­e Mythen rasen durch das „Golden House“, Terroransc­hläge und Amokläufe – und natürlich Filmszenen, Filmtitel, Filmzitate. Manche Szenen beschreibt er wie Regieanwei­sungen, andere sind Dialoge wie in einem Drehbuch.

Zum stärksten seiner vielen Themen kommt Rushdie erst kurz vor Schluss. Auf den letzten Seiten geht es um Mafia-Strukturen in Indien und Pakistan und ihre Verquickun­g mit dem internatio­nalen Terrorismu­s. Das wäre das Buch gewesen, das wir hätten lesen wollen. Deutsch von Sabine Herting, C. Bertelsman­n Verlag München, 512 Seiten, 25 Euro.

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FOTO: BERTELSMAN­N Das Cover von „Golden House“

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