Kultivierte Klangwelt in der Klosterkirche
Royal Academy London erobert mit Chorgesang und Orgelmusik die Herzen
NERESHEIM - Seit 26 Jahren gibt es eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Royal Academy of Music London und den Benediktinern in Neresheim. Kloster und Stadt wurde vergangenes Jahr die Ehrenmitgliedschaft der berühmten englischen Hochschule verliehen. Das Konzert am vergangenen Sonntag begeisterte nahezu 1000 Besucher aus nah und fern.
Patrick Russill, der seit 1987 an der renommierten Musikhochschule Chorleiter ausbildet, hat für das Konzertprogramm englische und deutsche Musik des Rokoko und der Romantik ausgewählt. „Zur Zeit des Baues dieser Abteikirche anfangs des 18. Jahrhunderts wurde beispielsweise die Musik von Michael Haydn, des Bruders des berühmten Joseph Haydn, als ganz modern empfunden“, erinnerte PriorAdministrator Pater Albert Knebel. Noch heute kommt die Musik an. Das „Ave Regina Coelorum“von Michael Haydn (1737-1806) war die richtige Wahl, um die unterschiedlichen Singlagen des 20-köpfigen Kammerchores repräsentativ vorzuführen. Es war spannend zu verfolgen, wie das Signalwort „Salve“zwischen Sopran, Alt, Tenor und Bass weitergereicht und immer neu zum Aufleuchten gebracht wurde.
Angenehm warme Register zog Andrzej Malitowski für seine Interpretation der Toccata und Fuge F-Dur von Johann Ernst Eberlin (1702-1762) auf der Holzhay-Orgel. Der feinen und subtilen Toccata aus der Klangwelt der Salzburger Kirchenmusik folgten die raschen Läufe der Fuge mit ihren farbigen Entfaltungen des Themas. Der Organist hielt das außergewöhnlich lange Stück in Tempo und Gestaltung voll konzentriert durch.
Artikulation lässt zu wünschen übrig
Nach Berlin ging es mit drei Motetten von Albert Becker (1834-1899). Die würdevollen Werke des Berliner Domkapellmeisters in der Tradition Mendelssohns werden erst in jüngster Zeit wieder geschätzt. Aus der Grabesstille ins Licht führte der Chor bei dem packenden Werk „Ich bin die Auferstehung“. Die Artikulation ließ allerdings etwas zu wünschen übrig. Wuchtig setzte die Orgel mit August Gottfried Ritters Sonate Nr. 1 d-Moll ein. Der Zeitgenosse Wagners und Liszts, der in Merseburg und Magdeburg tätig war, setzte die romantische Sonatentradition fort.
Glänzte James Orford bei diesem Werk mit exakten Pizzicati im Pedal, zelebrierte Marko Sever souverän und einfühlsam das Choralvorspiel über das weihnachtliche „Christe redemptor omnium“von Charles H. Parry (1848-1918), Leiter des Royal College of Music in London. Faszinierendes Klangspektrum von mystischen Tiefen bis zu strahlenden, aber immer disziplinierten Höhen demonstrierte der Chor in dem Choral Song „God and the universe“von Charles Villiers Stanford (1852-1924), Kirchenmusiker in Cambridge, Leipzig und Berlin.
Von Stanfords Schüler Herbert Howells stammt die Motette „Take him earth for cherishing“, ein ausdrucksstarkes Werk, das der Komponist dem im Jahr zuvor ermordeten Präsidenten John Kennedy widmet. Ihre bewundernswerte Virtuosität und Gestaltungsvielfalt in geradezu kühner und höchst kultivierter Klangwelt brachten Chor und Dirigent jedoch im Schlusswerk von Samuel Sebastian Wesley (1810-1876) zum Ausdruck. Mit den beiden Anthems, etwa unserer Motette entsprechend, „Thou wilt keep him“und „Blessed be the God and Father“verabschiedeten sich die Sänger und der Organist James Orford. Ihnen und ihren ausgezeichneten Musikpädagogen, den Professoren Patrick Russill und David Titterington, huldigte das Publikum mit Standing Ovations.