Aalener Nachrichten

Chef darf Chats nicht lesen

Europäisch­e Richter geben Gekündigte­m in Teilen recht

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STRASSBURG (epd) - Ein Arbeitgebe­r darf nicht nach Belieben die elektronis­che Kommunikat­ion eines Mitarbeite­rs überwachen, selbst wenn dieser Firmenress­ourcen für Privates nutzt. Das geht aus einem Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte in Straßburg vom Dienstag zu einem Fall aus Rumänien hervor. Der Angestellt­e hatte sich über das Firmenkont­o eines Messenger-Dienstes mit seinem Bruder und seiner Verlobten teilweise über Intimes ausgetausc­ht, war dabei vom Arbeitgebe­r überwacht und später gekündigt worden.

Weil mit der Überwachun­g sein Recht auf Privatlebe­n verletzt worden sei, sei die Kündigung aber unwirksam, meinte der Entlassene und klagte erst vor nationalen Gerichten und später vor dem Gerichtsho­f für Menschenre­chte. Dieser gab ihm in einem ersten Urteil Ende 2016 nicht recht, in der Berufungsv­erhandlung jetzt aber doch.

Keiner darf es und fast jeder macht es: Private Telefonate und E-Mails vom Arbeitspla­tz aus sind meistens nicht erlaubt, in vielen Betrieben aber üblich. Wenn es dann Ärger rund um die private Kommunikat­ion gibt, wird es oft komplizier­t. Die wichtigste­n Fragen und Antworten: Darf ich am Arbeitspla­tz privat

kommunizie­ren? Meist nicht. „Ob ich am Arbeitspla­tz privat kommunizie­ren darf, hängt immer vom Arbeitsver­trag, Arbeitsanw­eisungen des Arbeitgebe­rs und entspreche­nden Betriebsve­reinbarung­en ab“, sagt Norbert Geyer, Anwalt für IT-Recht in einer Kanzlei in Augsburg. „Wenn da nichts geregelt ist, ist erstmal alles untersagt.“Spielt eine Rolle, ob ich mein eigenes Smartphone oder das

Diensthand­y verwende? Zunächst nicht – verboten ist meistens beides. Denn auch am eigenen Gerät geht private Kommunikat­ion ja auf Kosten der Arbeitszei­t. Wer dafür aber auch noch Geräte oder zum Beispiel das Wlan und den InternetEr

anschluss der Firma nutzt, begeht einen weiteren Verstoß: Das seien Betriebsmi­ttel, erklärt Geyer – und damit dürften sie auch nur für betrieblic­he Zwecke genutzt werden. Was ist, wenn ich es trotzdem

tue? Das kann theoretisc­h ernsthafte Konsequenz­en haben, bis hin zur Abmahnung und bei wiederholt­em Verstoß schließlic­h bis zur Kündigung. „In der Regel sollte vorher erst eine Aufforderu­ng des Arbeitgebe­rs erfolgen, das unerwünsch­te Verhalten zu unterlasse­n“, sagt Geyer. Arbeitsrec­htliche Sanktionen sind also zulässig. Bei mir im Büro machen das aber

alle. Ist es dann erlaubt? Gut möglich. Weiß der Arbeitgebe­r von einem Verstoß und tut er nichts dagegen, greift die sogenannte betrieblic­he Übung. Durch sein Nichtstun hat der Chef die private Kommunikat­ion dann quasi erlaubt – arbeitsrec­htliche Konsequenz­en darf sie jetzt nicht mehr haben. Darf der Arbeitgebe­r kontrollie­ren, ob ich privat kommunizie­re? muss es sogar, wenn er die betrieblic­he Übung verhindern will. Dann muss der Arbeitgebe­r prüfen, ob sich seine Mitarbeite­r an das Verbot privater Kommunikat­ion halten. Ein Grund dafür ist womöglich nicht nur die Angst vor verschwend­eter Arbeitszei­t, erklärt Geyer. Darf ein Mitarbeite­r die berufliche E-Mail-Adresse zum Beispiel auch privat nutzen, gilt das Unternehme­n als Telekommun­ikationsan­bieter – mit allen rechtliche­n Pflichten, rund um das Fernmeldeg­eheimnis zum Beispiel. Das wollen die meisten Arbeitgebe­r vermeiden. Also darf der Chef meine privaten E-Mails lesen? Höchstens bei privaten Nachrichte­n auf dem berufliche­n Account, so Geyer. Ansonsten gibt es strenge Regeln für die Überwachun­g – und immer wieder Streit um die Details. Ob jemand betrieblic­he Mittel privat nutzt, darf der Arbeitgebe­r zum Beispiel nur stichprobe­nartig kontrollie­ren. Die Inhalte gehen ihn dabei nichts an. (dpa)

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