Enttäuscht von der Merkel-CDU
Der 27-jährige Ruben Rupp kämpft im Bundestagswahlkampf für die AfD
AALEN-UNTERKOCHEN - „Über den Schulz oder lieber da hinten über den Kiesewetter?“Emil Pöltl sieht Ruben Rupp fragend an. Der 27-jährige Bundestagskandidat der Alternative für Deutschland (AfD) entscheidet sich schnell. „Über den Kiesewetter, da wird es ja auch noch beleuchtet.“Und so landet das AfD-Wahlplakat mit dem Slogan „Genug abGEZockt“schlussendlich an einem Laternenmasten in der Oberkochener Ortsdurchfahrt. Über dem politischen Konkurrenten von der CDU und möglichst weit oben am Masten – damit das Plakat niemand so schnell abreißen oder beschädigen kann. Die AfDler haben aus dem letzten Landtagswahlkampf gelernt.
Am letzten heißen Tag dieses Sommers ist Ruben Rupp in Oberkochen unterwegs – Wahlplakate aufhängen. Bei der AfD ist das noch ein Job, den der Bundestagskandidat selbst übernehmen muss. 40 Plakate hat Rupp an diesem Tag in seinen Kleinwagen gestopft – inklusive Leiter und seinem Helfer Emil Pöltl.
Pöltl ist Rentner und seit anderthalb Jahren Mitglied in der AfD. Davor war er CDU-Stammwähler. „Mitunter hat auch mal die FDP meine Stimme bekommen“, verrät der ehemalige Elektriker. Doch damit sei es jetzt vorbei. Verantwortlich für seinen Wechsel zur AfD sei die Flüchtlingskrise 2015 gewesen. „Da habe ich es mit der Angst zu tun bekommen und mir Sorgen gemacht – um meine Familie und um mein Land“, sagt Pöltl. Und so unterstützt er nun Ruben Rupp im Wahlkampf, sei es an Infoständen oder eben auch beim Aufhängen von Wahlplakaten.
Bei 35 Grad eine durchaus schweißtreibende Angelegenheit, die aber sein muss, sagt Rupp. Er erzählt, dass die AfD in diesem Jahr extra spät dran sei mit den Plakaten. Dann blieben nämlich auch mehr hängen. Den letzten Landtagswahlkampf habe nahezu jedes zweite Wahlplakat der AfD nicht überstanden. Damit es beim Bundestagswahlkampf besser läuft, werden die AfDPlakate aber nicht nur spät aufgehängt, sondern auch so hoch wie möglich. Pöltl hat sich dazu extra mit einer Gartenharke bewaffnet; damit wird nachgeschoben. „Da oben sieht man die Dinger zwar nicht sofort, aber ihnen passiert auch nichts“, sagt der Rentner, grinst und stochert mit seiner Harke noch mal etwas nach.
Ehemals Mitglied in der CDU
Rupp erzählt derweil, dass die AfDler ihre Plakate grundsätzlich nur in Zweier-Teams aufhängen. „Das ist sicherer. Da kann niemand einfach mal so eine Leiter umtreten.“Auch wenn der Bundestagswahlkampf in seinem Wahlkreis fair verlaufe und sich die Anfeindungen, auch an den AfD-Infoständen, im Rahmen hielten, hätten es die Vertreter seiner Partei nicht immer leicht. Wie zum Beweis rauscht just in dem Moment ein Moped-Fahrer vorbei und ruft den Wahlkämpfern ein schimpfendes „Scheißdreck“zu. Rupp nimmt es gelassen. „Mit so was kann ich leben.“Der 27-jährige gelernte Einzelhandelskaufmann und Student der Wirtschaftswissenschaften betreibt Politik nach eigenen Worten aus „purem Idealismus“. Eine berufliche Karriere in der Politik? Kann sein, muss aber nicht, sagt Rupp, der mit seiner Lebensgefährtin und seinen zwei Kindern in Unterkochen lebt. Dem Ausgang der Wahl im eigenen Wahlkreis sieht er gelassen entgegen. „Ich bin jung, ein Newcomer. Ich muss nicht sofort die Zehn-Prozent-Marke knacken“, sagt Rupp. Aber: Einen Denkzettel für die CDU, den wünsche er sich auf der Ostalb schon.
Rupp war von 2010 bis 2012 selbst Mitglied bei den Schwarzen. Merkels abrupter Sinneswandel im Bezug auf den Energiewandel und ihre „alternativlose Eurorettungspolitik“habe ihn dann allerdings zum Austritt aus der Partei bewogen. Gebe es noch eine „CDU wie vor 20 Jahren“, er wäre Mitglied, sagt Rupp.
Vorwürfe, dass seine Partei fremdenfeindlich, rassistisch oder rechtsextrem ausgerichtet sein soll, weist er zurück. „Wäre es so, ich wäre der Erste, der aus dieser Partei austreten würde.“Er selbst plädiere sogar für ein Einwanderungsgesetz – eines nach kanadischem Muster.
Umstrittene Äußerungen, wie unlängst von AfDSpitzenkandidat Gauland, der Staatsministerin Aydan Özoguz in Anatolien „entsorgen“wollte, findet Rupp „unglücklich“– erst Recht im Wahlkampf. „Trotzdem müssen wir deshalb als AfD noch lange nicht Alexander Gauland entsorgen. Es war anders gemeint, als es in den Medien ausgelegt worden ist.“
Die Medien sind ein weiteres Thema, das Rupp ärgert. Die AfD und ihre Mitglieder würden zu einem „Schreckgespenst“gemacht, das sie nicht seien. „Wer mit uns redet, wird schnell feststellen, dass wir ganz normale Menschen sind.“
Dann hängen Rupp und Pöltl schwitzend weiter Plakate: Jene, die den Grenzschutz und ein Burkaverbot thematisieren, werden an den wichtigsten Knotenpunkten platziert. „Das bewegt die Menschen derzeit einfach am meisten“, ist Rupp überzeugt. Freundliche Begegnungen gibt es an diesem Tag übrigens auch. Ein Mann vom Bauhof, offenkundig mit Migrationshintergrund, geht auf Pöltl und Rupp zu, als sie eines ihrer Plakate befestigen wollen. „Ihr müsst das höher hängen, sonst ist es weg“, rät er und lächelt. Die beiden AfDler bedanken sich – und schieben mit der Harke nochmals nach.