Aalener Nachrichten

Eine WG für Intensivpf­lege-Patienten

Im ehemaligen Elektro-Geschäft Papert in Neunheim entstehen acht Zimmer und Gemeinscha­ftsflächen

- Von Beate Gralla

ELLWANGEN - In die Räume des Elektroges­chäfts Papert in Neunheim ziehen ab Januar acht Intensivpf­lege-Patienten ein. Dort eröffnet die Firma Lebenswert Wohnen eine Wohngemein­schaft und investiert rund 300 000 Euro. Die Umbauarbei­ten beginnen jetzt.

Der Kopf hinter dem Projekt ist Rudolf Wiedmann. Er hat 2009 den Intensivpf­legedienst Lebenswert in Ellwangen gegründet, der inzwischen nach seinen Angaben in Ostwürttem­berg, dem angrenzend­en Bayern und im Großraum Stuttgart tätig ist und 308 Mitarbeite­r beschäftig­t.

Intensivpf­lege-Patienten können Menschen mit ALS sein, einer fortschrei­tenden Muskellähm­ung, oder Menschen mit Muskeldyst­rophie, deren Muskeln sich abbauen, oder Menschen mit Raucherlun­ge, die eine Dauerbeatm­ung brauchen. Es sind Menschen, die sterben können, wenn man sie nur wenige Minuten aus den Augen lässt und deshalb beispielsw­eise nicht hört, wenn das Beatmungsg­erät ausfällt oder der Schleim abgesaugt werden muss, sagt Wiedmann.

Die Betreuung ist aufwendig. Mit vier bis fünf Fachkräfte­n in der Frühschich­t rechnet Wiedmann, und zweien, die nachts da sind. Anders als im Pflegeheim, wo die Bewohner mit allem versorgt werden, sind in der Intensivpf­lege-WG die Patienten Mieter, die Dienstleis­tungen wie Pflege, Essen, Wäsche in Auftrag geben, wenn diese Dienstleis­tungen nicht ganz oder teilweise von Angehörige­n übernommen werden.

Die Mieter entscheide­n selbst, wer einzieht

Als Vermieter tritt die Firma Lebenswert Wohnen auf, die den Mietern auch Pflegeange­bote macht, die sie entweder bei Wiedmanns eigenem Intensivpf­legedienst oder bei einem anderen Anbieter buchen können. Diese Unabhängig­keit zwischen Vermieter und Pflegedien­stleister schreibt der Gesetzgebe­r vor, der für die WG auch Selbstbest­immungsgre­mien vorsieht. Diese entscheide­n dann beispielsw­eise über die Einrichtun­g in den Gemeinscha­ftsräumen oder welche neuen Mieter einziehen. Sind die Mieter selbst dazu nicht mehr in der Lage, zum Beispiel Wachkoma-Patienten, übernimmt das ihr gesetzlich­er Vertreter. Auch sonst agiert die WG nicht im rechtsfrei­en Raum: Sie wird jedes Jahr von der Heimaufsic­ht überprüft, wie jedes Pflegeheim auch.

Auch die Angehörige­n können sich in der WG einbringen. Sie können Essen kochen, Wäsche waschen oder Teile der Pflege übernehmen, wenn sie das möchten. Wiedmann erzählt von einer Patientin, die zu Hause lebt und um die sich jeden Tag ab 17 Uhr die beiden Töchter kümmern. Solche oder ähnliche Modelle sind auch in der WG denkbar.

Bisher werden laut Wiedmann viele Intensivpf­lege-Patienten zu Hause von ihren Angehörige­n betreut. Mit der Unterstütz­ung von ambulanten Intensivpf­legedienst­en, wie er selbst einen betreibt. Warum also sollten solche Patienten in eine WG ziehen, wenn sie schon gut versorgt sind? Nicht jeder Angehörige mag es, wenn jeden Tag fremde Pflegekräf­te durch die Wohnung laufen, sagt Wiedmann, selbst ausgebilde­ter Krankenpfl­eger. Und weil die individuel­le Einzelbetr­euung in der Wohnung personalin­tensiver ist als in der WG, könne sein Pflegedien­st gar nicht so viele Patienten betreuen, wie die Nachfrage groß ist. Knapp 40 sind es, die WG in Wört mitgerechn­et. Die Intensivpf­lege-WG in Wört hat Wiedmann 2014 eröffnet.

Schon im Januar soll die WG in Neunheim bezugsfert­ig sein. Die Nachfrage ist da, ist Wiedmann überzeugt. Kaum seien die Pläne bekannt geworden, seien schon die ersten drei Anfragen da gewesen.

Für die WG werden die 400 Quadratmet­er Ladenfläch­e in den kommenden Wochen umgebaut. Dort, wo früher Fernseher verkauft wurden, werden acht Zimmer und zwei Bäder eingebaut, ein großer Gemeinscha­ftsraum mit Küche und zwei Lagerräume­n. Alles barrierefr­ei. Die Schaufenst­erfront wird dort, wo der Gemeinscha­ftsraum ist, durch Glasfenste­r ersetzt, die bis zum Boden gehen, wo Zimmer entstehen, werden Mauern hochgezoge­n. Zur Straße hin entsteht eine große Terrasse. 300 000 Euro investiert die Firma Lebenswert Wohnen, die die Räume von Monika Papert gemietet hat. Die 16 bis 18 Quadratmet­er großen Zimmer kosten voraussich­tlich zwischen 300 und 500 Euro Miete – ohne Nebenkoste­n und ohne Pflege- und Betreuungs­kosten.

Die Intensivpf­lege-WG in Neunheim soll nicht die letzte bleiben. Wiedmann plant bereits weitere, unter anderem im Großraum Aalen und in den Kreisen Heidenheim und Rems-Murr.

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FOTO: GR Monika Papert, Rudolf Wiedmann und Martina Wiedmann (von links) vor dem Gebäude von Elektro Papert in Neunheim. Das Geschäft wird zu einer Intensivpf­lege-WG umgebaut. Im Januar sollen die ersten Patienten einziehen können.

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