Neues vom Sultan
Dem Grund, weshalb jemand etwas tut, kann gar nicht genügend Beachtung geschenkt werden. Zum Beispiel macht es einen Riesenunterschied, ob die Oma ihrer Enkelin 50 Euro in die Hand drückt, oder ob ein Schwerreicher Boris Becker 4 Millionen überlässt und eine Rückzahlung von 5 Millionen erwartet. Nicht nur im Alltag, auch vor Gericht und in der neueren türkischen Geschichte spielt das Motiv eine große Rolle.
Es gibt natürlich keinerlei plausible Gründe dafür, einem Ehrenmann wie Recep Tayyip Erdogan niedere Beweggründe zu unterstellen, aber die neue Bescheidenheit unseres Lieblingssultans sorgt schon für Irritation. Erdogan hat die Bürgermeister seines Reichs darum gebeten, keine Statuen von ihm mehr errichten zu lassen. „Ich will weder, dass eine Statue von mir aufgestellt wird, noch dass Masken angefertigt oder sonstige Abbildungen dieser Art gemacht werden“, hat er vor Bürgermeistern in Ankara gesagt.
Dafür gibt es unseres Erachtens nur zwei plausible Motive. 1) Erdogan ist der Ansicht, dass die Bildhauer seines Landes nicht in der Lage sind, seiner Großartigkeit mit ihrem Bemühen auch nur annähernd gerecht zu werden. Dafür spricht, dass die regierungsnahe Zeitung „Sabah“erst vor wenigen Tagen die mangelnde Ähnlichkeit bereits existierender Statuen mit dem Präsidenten beklagt hat. 2) Erdogan ist entgegen allgemeiner Annahme nicht daran gelegen, die Bande zur Christenheit komplett abreißen zu lassen, und will seinen guten Willen mit Bibelfestigkeit dokumentieren. „Du sollst dir kein Bildnis von mir machen.“(hü)