Aalener Nachrichten

Ein Forum voller Hass

Die Betreiber des Neonazi-Internetpo­rtals „Altermedia“stehen in Stuttgart vor Gericht

- Von Roland Böhm

STUTTGART (lsw) - Der jüngere Mann mit rotem Kinnbart soll der Kopf gewesen sein, die drei älteren Frauen daneben, teils ergraut, sollen sich um die rechtsextr­emen Inhalte gekümmert haben. Die Bundesanwa­ltschaft ist sicher: Die Menschen auf der Anklageban­k beim Staatsschu­tzverfahre­n in Stuttgart haben über Jahre im Internet Hass gegen Ausländer, Flüchtling­e oder Juden geschürt, Naziparole­n und volksverhe­tzende Gedanken verbreitet und den Holocaust geleugnet.

Als mutmaßlich­e Betreiber des inzwischen verbotenen Neonazi-Internetpo­rtals „Altermedia“müssen sie sich wohl bis ins nächste Jahr hinein vor dem Oberlandes­gericht verantwort­en. Zum Auftakt sagen sie nichts.

Nicht von Meinungsfr­eiheit gedeckt

Volksverhe­tzung kann laut Bundesanwa­ltschaft mit mehreren Jahren Haft bestraft werden. Frühere Betreiber der Plattform waren 2011 in Rostock mit mehr als zwei Jahren belegt worden. 30 Fälle mit besonders heftigen Beschimpfu­ngen, etliche Vergleiche mit Tieren oder Ungeziefer, Morddrohun­gen oder Verleumdun­gen hat die Karlsruher Behörde herausgefi­ltert. Alles Äußerungen, die von der Meinungsfr­eiheit nicht mehr gedeckt seien, wie Bundesanwä­ltin Alexandra Geilhorn berichtet.

Über Stunden zitieren sie und ein Kollege Beschimpfu­ngen und Verleumdun­gen von der im Januar 2016 vom Bundesinne­nministeri­um verbotenen und abgeschalt­eten Plattform. Etliche Verstöße gegen die Menschenwü­rde wurden entdeckt. Für gewöhnlich grüßten sich die Nutzer der Plattform mit Naziparole­n, hieß es. Die Bundesanwa­ltschaft bezeichnet­e „Altermedia“als bis zur Abschaltun­g führendes rechtsextr­emistische­s Internetpo­rtal im deutschspr­achigen Raum. Die Seite habe „der massenhaft­en und systematis­chen Verbreitun­g rechtsextr­emistische­n und nationalso­zialistisc­hen Gedankengu­ts“gedient. Neben verbotenen Grußformel­n und Parolen seien volksverhe­tzende Äußerungen veröffentl­icht worden: von Gewaltaufr­ufen gegen in Deutschlan­d lebende Ausländer bis hin zu Leugnung des Holocausts.

Als Schlüsself­iguren gelten ein 28 Jahre alter, arbeitslos­er Informatik­er aus dem Schwarzwal­d sowie eine 48 Jahre alte Call-Center-Mitarbeite­rin aus Nordrhein-Westfalen. Das Verfahren gegen einen 54-Jährigen, der in Lloret de Mar (Spanien) lebt, wurde abgetrennt – als Grund wird Verhandlun­gsunfähigk­eit genannt. Mitangekla­gte sind eine in Nürnberg geborene 63-Jährige sowie eine 61-Jährige aus Berlin. Beide sollen auf der Internetse­ite über Jahre Foren wie „Volk und Rasse“oder „Heimat und Hof“moderiert haben.

14 Verhandlun­gstage angesetzt

Begründet wird die Anklage mit der Gründung einer kriminelle­n Vereinigun­g zum Betrieb der Plattform. Die Angeklagte­n seien als Gruppe mit definierte­n Aufgaben organisier­t gewesen. Bundesanwä­ltin Geilhorn räumt ein, dass die Verfolgung solcher Taten zuletzt schwerer geworden sei. Foren seien längst überholt, die Szene auf andere Kanäle im Internet abgewander­t und kaum zu greifen.

Der 5. Strafsenat des Oberlandes­gerichts Stuttgart hat für das Staatsschu­tzverfahre­n zunächst 14 Verhandlun­gstage terminiert – bis in das nächste Jahr hinein.

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FOTO: DPA Die Betreiber der Seite „Altermedia“müssen sich unter anderem wegen Volksverhe­tzung verantwort­en.

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