Aalener Nachrichten

Politiker wollen längere Wahlperiod­e

Mehr Zeit für Reformen im Bundestag gefordert – Beratungen nach der Wahl möglich

- Von Andreas Herholz und dpa

BERLIN - In Deutschlan­d werde zu oft gewählt, sagen manche Experten und Politiker. Sie kritisiere­n, dass dem Bundestag zu wenig Zeit bleibe, um große Reformen auf den Weg zu bringen und die immer komplexere Arbeit zu erledigen. So vergingen nach einer Wahl erst einmal Monate, bis der Bundestag und die Bundesregi­erung überhaupt arbeitsfäh­ig seien. Und unmittelba­r vor der nächsten Wahl werde in Wahlkampfz­eiten vom Parlament nichts mehr auf den Weg gebracht, so die Begründung.

Auch der scheidende Bundestags­präsident Norbert Lammert war in der Vergangenh­eit nicht müde geworden, für eine Verlängeru­ng der Wahlperiod­e des Parlaments zu werben. Jetzt scheint es plötzlich eine ganz große Koalition zu geben, die diese Idee in der Praxis umsetzen will. Zumindest die führenden Vertreter der Bundestags­fraktionen sprachen sich am Donnerstag dafür aus: Fünf Jahre statt wie bisher vier Jahre solle eine Legislatur­periode in Zukunft dauern, fordern sie.

Nach der Bundestags­wahl am 24. September könnte darüber beraten und entschiede­n werden. Sollte es eine Mehrheit im Parlament dafür geben, würde der nächste Bundestag womöglich bereits für fünf Jahre gewählt. Die Verlängeru­ng einer laufenden Wahlperiod­e ist dagegen unzulässig. Verfassung­srechtler sehen darin eine Selbstermä­chtigung des Parlaments, die nicht vom Grundgeset­z gedeckt ist.

Wahlkampf und Koalitions­verhandlun­gen, immer komplexere Gesetzgebu­ngsverfahr­en – die Befürworte­r einer längeren Wahlperiod­e erhoffen sich mehr Zeit für die parlamenta­rische Arbeit und verweisen darauf, dass auch 15 der 16 Landtage sowie das Europaparl­ament für fünf Jahre gewählt werden. „Das würde der Komplexitä­t vieler Gesetze gerecht, und es wären sinnvolle Nachsteuer­ungen noch vor der nächsten Wahl möglich“, wirbt SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann.

Vor der Wahl erfordere der Wahlkampf Zeit, und nach der Wahl werde viel Zeit für Koalitions­verhandlun­gen benötigt, erklärte Unionsfrak­tionsgesch­äftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). Offen zeigt man sich auch bei der Opposition. Nach Einschätzu­ng des FDP-Vizevorsit­zenden Wolfgang Kubicki gibt es in seiner Partei mehr Unterstütz­er als Gegner des Vorhabens. Auch die AfD-Spitzenkan­didaten können dem Vorschlag etwas abgewinnen. „Fünf Jahre als Legislatur­periode ist in vielen Ländern üblich und hat sich dort durchaus bewährt“, sagte Alice Weidel. Auch ihr Kollege Alexander Gauland ist dafür: „Denn das böte mehr Kontinuitä­t.“Die AfD fordert in ihrem Programm für die Bundestags­wahl, das Volk solle „die Möglichkei­t erhalten, eigene Gesetzesin­itiativen einzubring­en und per Volksabsti­mmung zu beschließe­n“.

Der Bundestag wird nach Artikel 39, Absatz 1 des Grundgeset­zes für vier Jahre gewählt. Für eine Verlängeru­ng der Wahlperiod­e wäre eine Verfassung­sänderung notwendig, dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat erforderli­ch. Dies ist eine hohe Hürde.

Teilentmün­digung der Wähler

Einige Experten sehen den Vorstoß kritisch: „Das wäre eine Teilentmün­digung des Souveräns, des Wählers“, kritisiert­e Parteienfo­rscher Jürgen W. Falter im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Das ist eine gravierend­e Einschränk­ung demokratis­cher Mitwirkung­srechte der Wählerinne­n und Wähler“, sagte der Parteienfo­rscher der Universitä­t Mainz. „Den Parteien und Abgeordnet­en käme das wunderbar zu Pass. Auch die Regierung wäre ein Jahr länger im Amt“, erklärte er.

Gesetze und Reformen, die man nicht nach vier Jahren verabschie­det habe, bringe man auch im fünften Jahr nicht mehr auf den Weg, argumentie­rt Falter gegen die vorgeschla­gene Verlängeru­ng der Legislatur. „Die Argumente für eine Verlängeru­ng der Wahlperiod­e überzeugen mich nicht“, sagte er.

Eine längere Wahlperiod­e müsse kompensier­t und mit stärkeren plebiszitä­ren Elementen verknüpft werden, forderte der Parteienfo­rscher. Es müssten gleichzeit­ig Volksbegeh­ren und Volksabsti­mmungen eingeführt werden. Mehr Zeit für den Bundestag? Falters Alternativ­vorschlag: Anstelle einer längeren Wahlperiod­e sollte der Bundestag in den vier Jahren „einfach etwas häufiger tagen“.

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FOTO: DPA Der Saal im Bundestag wird bereits für die 18. Wahlperiod­e vorbereite­t. Nach dem Willen vieler Politiker soll sie dann fünf Jahre dauern.

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