Aalener Nachrichten

Kurdenführ­er Barzani riskiert Krieg

- Von Michael Wrase, Limassol

Es klang wie eine Kriegserkl­ärung. Sollte die Regierung in Bagdad das Unabhängig­keitsrefer­endum nicht akzeptiere­n und Verhandlun­gen ablehnen, dann werde man die „Grenzen des künftigen Kurdenstaa­tes selber ziehen“. Das hatte Massoud Barzani, der Präsident der kurdischen Regionalve­rwaltung im Nordirak (KRG), in einem Gespräch mit der BBC gedroht. Am heutigen Freitag stimmt das Parlament der autonomen Kurdenregi­on im Nordirak über das Referendum am 25. September ab.

Die Antwort auf Barzanis Drohung lies nicht lange auf sich warten. In einer Sondersitz­ung lehnte das irakische Parlament jetzt die geplante Volksabsti­mmung der Kurden mit großer Mehrheit ab. In einer Resolution beauftragt­en die Volksvertr­eter die Bagdader Zentralreg­ierung, „alle notwendige­n Maßnahmen zur Bewahrung der Einheit des Landes zu ergreifen“. Das könnten auch militärisc­he Schritte sein, falls Barzani seinen vollmundig­en Absichtser­klärungen wirklich Taten folgen lässt.

Barzani hat nur wenige Verbündete

Barzani weiß, dass er im Ringen um Kurdistan nur wenige Verbündete hat. Lediglich Israel und Saudi-Arabien haben sich ohne Vorbehalte für einen Kurdenstaa­t ausgesproc­hen. Die Türkei betrachtet die Bestrebung­en der Kurden inzwischen als die „größte Bedrohung unserer Geschichte“, so Ibrahim Karagül, Berater des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan, in einem Beitrag für die Regierungs­zeitung „Yeni Safak“. Die Sichtweise Ankaras wird auch in Damaskus und Teheran geteilt. Iranische Generäle reisten vor kurzem in die Türkei, um die militärisc­he Kooperatio­n mit dem Nachbarsta­at zu intensivie­ren. Um wirtschaft­lich überleben zu können, wäre ein unabhängig­es Kurdistan nicht nur auf die Kooperatio­n mit der Türkei und Iran angewiesen. Eine Wirtschaft­sblockade hätte den Kollaps des kurdischen Binnenstaa­tes zur Folge.

Vor diesem Hintergrun­d erstaunt es, dass Barzani sich in einer Position der politische­n und militärisc­hen Stärke wähnt. Natürlich weiß der Kurdenchef, dass eine Grenzziehu­ng zum Krieg mit dem irakischen Zentralsta­at führen würde. Auch die Türkei will „nicht untätig bleiben“, falls die Regierung im kurdischen Erbil die Öl-Region um Kirkuk in einen Kurdenstaa­t einglieder­n würde. Doch Kompromiss­bereitscha­ft vor dem Referendum kann sich Barzani nicht leisten. Als politisch umstritten­er Hoffnungst­räger muss der Kurdenführ­er lange gehegte Träume wachhalten; dies zu einem Zeitpunkt kurdischer Aufbruchst­immung, die nicht nur im Nordirak, sondern auch in den Kurdengebi­eten der Türkei, Syriens und Irans zu spüren ist.

Nüchtern betrachtet haben die irakischen Kurden schon viel erreicht. Ihr Autonomieg­ebiet wird von zahlreiche­n Ländern bereits wie ein richtiger Staat behandelt. Der Traum der irakischen Kurden, die Kurdenhaup­tstadt Erbil in ein „neues Dubai“zu verwandeln, endete jedoch in einem ökonomisch­en Desaster, von dem sich die Autonomier­egion noch nicht erholt hat. Auch vor diesem Hintergrun­d kann sich das irakische Kurdistan keine neuen Experiment­e leisten.

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: Plausch unter Nachbarn

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