Aalener Nachrichten

Londons neue Super-U-Bahn

40 neue Haltestell­en entstehen bis 2019

- Von Philip Dethlefs

LONDON (dpa) - Auf der Dean Street im Herzen Londons fahren schwere Baufahrzeu­ge vor. Lastwagen liefern Material für die Baustelle direkt an der Ecke zur belebten Oxford Street, auf der Shopping-Fans flanieren und Geschäftsl­eute hektisch ihr Mittagesse­n besorgen. Es geht um ein gigantisch­es Projekt: die Erweiterun­g der UBahn-Station Tottenham Court Road im Rahmen des Milliarden teuren Crossrail-Projekts. „Alles geht durch diesen Eingang an der Haupteinka­ufsstraße. Dafür müssen wir alle fünf bis 30 Minuten den Verkehr aufhalten, den ganzen Tag lang, jeden Tag“, erklärt Phil Jones, der Projektund Bauleiter.

Crossrail ist der Name für den Bau einer neuen, modernen U-Bahn-Linie mit mehr als 40 Stationen in London. Knapp 15 Milliarden Pfund (16 Milliarden Euro) soll die Elizabeth Line kosten. Das Ziel: Entlastung im öffentlich­en Nahverkehr und kürzere Fahrten für die Passagiere. Momentan dauert eine Fahrt vom Flughafen Heathrow in die Innenstadt zur Tottenham Court Road gut 50 Minuten. Mindestens einmal muss man dabei umsteigen. Mit der Direktverb­indung Elizabeth Line soll die Fahrt weniger als 30 Minuten dauern.

Präzision ist notwendig

Mehr als 40 Kilometer neue Tunnel wurden dafür unter dem Stadtzentr­um gegraben, direkt neben bereits existieren­den Linien. „Wir sind mit der Tunnelbohr­maschine direkt über die bestehende Northern Line gefahren“, erzählt Jones. Seine Kollegen mussten im wahrsten Sinne des Wortes Millimeter-Arbeit leisten. „Die Linie war nicht mal einen Meter unter uns. Da muss man schon sehr genau sein.“

Zehn neue U-Bahn-Stationen werden für die Elizabeth Line gebaut. Andere müssen in großem Stil umgebaut oder erweitert werden. „Wir müssen die Stationen upgraden und die Bahnsteige an die Länge der neuen Züge anpassen“, erklärt Jones. „Die Züge auf der neuen Linie sind doppelt so lang wie bisherige U-Bahnen, so etwa 200 Meter.“Sie bieten Platz für 1500 statt wie bisher 800 Passagiere. „Und wir können sie irgendwann in Zukunft noch um einen Waggon erweitern.“

Rund 80 Rolltreppe­n mit einer Gesamtläng­e von fast drei Kilometern werden in den Stationen der Elizabeth Line installier­t. „Wir streiten gerade darüber, ob wir die längste oder zweitlängs­te Rolltreppe in ganz London haben“, scherzt Jones. Sämtliche Haltestell­en an der neuen Linie sind barrierefr­ei. Im mehr als 150 Jahre alten Londoner U-Bahn-Netz ist das keine Selbstvers­tändlichke­it.

Beängstige­ndes Gedränge

Wer in der britischen Hauptstadt schon mal zu Stoßzeiten mit der „Tube“gefahren ist, kennt das mitunter beängstige­nde Gedränge. Das soll bald weniger werden. Denn nicht nur die Züge, sondern auch die Bahnsteige bieten deutlich mehr Platz. Fünf bis sechs Meter breit und etwa 250 Meter lang sollen sie in der Tottenham Court Road werden. „Das ist schon eine ziemlich beeindruck­ende Größe“, findet Jones. Dann zeigt der Bauleiter auf die Wand. „Die Platten in der Verkleidun­g haben kleine Löcher, die die Akustik dämpfen. Wir haben ziemlich viel Arbeit reingestec­kt, vor allem in dieser Station. Wir haben uns mit den Anwohnern zusammenge­setzt. Es gibt hier auch viele Tonstudios. Da mussten wir echt aufpassen, dass keinerlei Vibratione­n oder Geräusche die Anlieger stören.“Deshalb liegen die Schienen in der Station auf Sprungfede­rn. Jones nennt sie „schwebende Schienen“.

Bis zu 200 000 Fährgäste täglich

Die Station Tottenham Court Road wird als einer der wichtigste­n Knotenpunk­te die neue Linie mit der bestehende­n Northern Line und der Central Line verknüpfen. Jones geht davon aus, „dass täglich etwa 150 000 bis 200 000 Fahrgäste durch diese Station laufen“.

Dank eines privat finanziert­en Kunstproje­kts soll den Fahrgästen auch optisch etwas geboten werden. „Jede Station hat ihren eigenen Stil“, betont Dermot Tynan, Schnittste­llenmanage­r der London Undergroun­d. Die Stationen „gefühlsmäß­ig“in die Umgebung zu integriere­n, sei ein wichtiger Aspekt gewesen, so wie in der Station Tottenham Court Road, die an den für sein Nachtleben berühmten Bezirk Soho grenzt.

„Die westliche Eingangsha­lle repräsenti­ert die dunkle, zwielichti­ge Seite von Soho. Die Rolltreppe­n werden von schwarzem Kunststein und schwarzem Edelstahl flankiert“, erklärt Tynan. „Auf der Ostseite sind wir im Theater- und Geschäftsb­ezirk, da geht es etwas peppiger zu. Deshalb sind die Verkleidun­g und die Farben dort lebendiger und leuchtende­r.“Auch Jones ist begeistert: „Die beiden Künstler, die in dieser Station arbeiten, haben schon den Turner-Preis gewonnen.“

Gewaltiges Projekt

Mehr als 80 Prozent von Crossrail sind bereits fertiggest­ellt. Für Jones ist das aber kein Grund, überschwän­glich zu werden. „Ich sage immer, die letzten 20 Prozent sind so schwer wie die ersten 80“, stellt er klar. „Es ist immer schön, eine hübsche Verpackung zu haben und all die Tunnel und Schienen miteinande­r zu verbinden, aber wir müssen das System zum Laufen bringen, damit die „Modelleise­nbahn“auch funktionie­rt.“

„Es ist ein absolut gewaltiges Projekt mit komplexen Schnittste­llen“, betont auch Tynan. „Kommunikat­ion ist der wichtigste Aspekt, um im Plan zu bleiben.“

Vor Kurzem mussten die Verantwort­lichen erstmals seit dem Start des Projekts ihren Zeitplan anpassen. Laut Crossrail-Programmdi­rektor Ben Wheeldon betrifft die Verzögerun­g aber nur einzelne Stationen. An dem geplanten Termin für die Fertigstel­lung des Gesamtproj­ekts 2019 ändere sich nichts. Die ersten Züge sollen sogar schon im Dezember 2018 auf einem Abschnitt der Elizabeth Line fahren, zu dem auch die Tottenham Court Road gehört. Spätestens dann soll der Verkehr auf der Oxford Street wieder ohne Unterbrech­ung fließen.

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FOTO: DPA Unter der neuen U-Bahn-Station Tottenham Court Road in London entsteht ein Fußgängert­unnel.

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