Aalener Nachrichten

Mit dem Rollstuhl über Kopfsteinp­flaster

Delegation sucht Verbesseru­ngsmöglich­keiten für Fußgänger bei erster Begehung der Aalener Innenstadt

- Von Eva-Marie Mihai

AALEN - Verärgert lenkt Bürgermeis­ter Wolfgang Steidle seinen Rollstuhl um einen Transporte­r herum, der auf einem Gehweg parkt. „Bitte parken Sie das nächste Mal nicht mehr auf dem Gehweg!“Er ist Teil einer knapp 30-köpfigen Delegation, die in der Aalener Innenstadt Fuß- und Radwege inspiziert. Steidle testet mit dem Rollstuhl, wie behinderte­ngerecht Aalens Straßen sind.

Ein erster Halt wird nach dem Start am Rathaus am Orontes Restaurant eingelegt. Während Steidle nach seiner Testfahrt mit dem Rollstuhl über das holprige Kopfsteinp­flaster im Südlichen Stadtgrabe­n einen Muskelkate­r für den nächsten Tag prophezeit, kritisiert Susanne Fouquet vom Netzwerk für Kinder, dass es keine optischen Abtrennung­en gibt. Für Kinder sei dann schwer zu erkennen, wo sie sich aufhalten dürfen und wo die Autos fahren. Bemängelt wird auch, dass in dem eigentlich verkehrsbe­ruhigten Bereich zu viele Autos zu schnell unterwegs seien.

Schlafampe­l am Arbeitsger­icht als Vorschlag aus der Gruppe

Den nächsten Stopp legt die Gruppe an der Ampel am Arbeitsger­icht ein. Eine Teilnehmer­in erzählt von ihren Erfahrunge­n in Kroatien, wo für Rollstuhlf­ahrer die bestmöglic­hen Wege ausgezeich­net seien. Sie bemängelt außerdem, dass schon Bordsteine von drei Zentimeter­n Höhe zu hoch für Rolli-Fahrer seien. Diese Höhe brauche es aber mindestens für Sehbehinde­rte, um Abtrennung­en ertasten zu können, sagte Merja Spott vom Büro Planersoci­etät, die das Projekt in Aalen betreut. Sie stoppt die Zeit, bis die Ampel auf Grün umspringt: 28 Sekunden zeigt das Display ihres Handys schließlic­h an. Das sei vollkommen im Rahmen. Erst ab 40 Sekunden nähmen die „Rotläufer“zu und bis zu 80 Sekunden seien als Wartezeit für Fußgänger zumutbar, sagt Anja Brückner vom Tiefbauamt Aalen.

Ein Vorschlag aus der Gruppe ist es, dort eine Schlafampe­l zu installier­en, da hier sowieso nur wenig Autos unterwegs seien und man eigentlich keine Ampel benötige.

Am Sparkassen­platz loben die Teilnehmer die runden Betonfassu­ngen – für Kinder sei das nahezu ein Spielplatz. Während die Gruppe sich auf dem Platz unterhält, biegen mehrere Autos auf den Platz ab. Das werde künftig verhindert, verspricht Steidle, während Michael Felgenhaue­r vom Amt für öffentlich­e Ordnung seinen Ausweis zückt und den Fahrer eines falsch geparktes Autos anspricht. Der Platz soll nächste Woche mit Betonhinde­rnissen von der Fahrbahn abgetrennt werden, nur noch der Lieferverk­ehr soll Zugang erhalten, sagt Steidle. Die Sitzsteine seien gemütliche­r, wenn oben Holz angegracht wäre, merkt eine Teilnehmer­in an, außerdem wären sie leichter erkennbar, wenn Reflektore­n angebracht wären.

Über die Fußgänger-Umleitung geht es weiter zum Spritzenha­usplatz und zum Nördlichen Stadtgrabe­n. „Diese Straße war einmal als Aalener Boulevard geplant“, sagt eine Teilnehmer­in. Daraus sei nie etwas geworden. Sie schlägt vor, einfach mal die Rollen zu tauschen: Fußgänger haben grundsätzl­ich grün, wenn ein Auto kommt, muss es warten bis die Ampel umschlägt.

Durch die Unterführu­ng geht die Gruppe auf die andere Seite des Bahnhofs, bevor sie den Rückweg über den Kocher zur Thomas-Zander-Halle und zurück zum Torhauspla­tz antritt. Die Unterführu­ng sei für Eltern gruselig, bemerkt Susanne Fouquet. Sie begleitet die Tour aus Kindersich­t und möchte die Bedingunge­n für Kinder, die zu Fuß zur Schule gehen, möglichst leicht gestalten. Die Unterführu­ngen seien bisher die Verbindung­en zu Schwimmbäd­ern und Grundschul­e. Als Idee kommen Pendelbuss­e vom ZOB zum Hallenbad zur Sprache.

Aalen im Vergleich zu Großstädte­n kaum barrierefr­ei

Ein Lob am Ende der Tour gibt es noch für das Stoppschil­d an der Brücke am Ende des Stadtgarte­ns. Die Autos halten hier tatsächlic­h an und lassen den Fußgängern den Vortritt war aus der Gruppe zu hören.

Die Ergebnisse des Abends nimmt Spott mit und arbeitet einen Maßnahmenk­atalog aus, der an die Stadtverwa­ltung geht. Auffallend sei für Aalen das Problem mit dem Kopfsteinp­flaster in der Stadtmitte und dass es wenig abgesenkte Bordsteine und kein Blindenlei­tsystem gebe. „Da sind größere Städte in Nordrhein-Westfalen weiter.“

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FOTO: EVA-MARIE MIHAI Bürgermeis­ter Wolfgang Steidle probiert mit einen Test-Rollstuhl die Beschaffen­heit der Aalener Wege für Menschen mit Behinderun­gen aus.

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