„Statt draufhauen sagen, was man vorhat“
Roderich Kiesewetter (CDU) will sich erneut „Mandat, Stimmen und Vertrauen erarbeiten“
AALEN/ELLWANGEN - „Ich habe in der Politik schon meine Berufung gefunden“, sagt Roderich Kiesewetter. Zum dritten Mal strebt der in diesem Monat 54 Jahre alt gewordene CDUBundestagsabgeordnete bei der Wahl am 24. September das Direktmandat im Wahlkreis Aalen-Heidenheim an. Und nimmt dafür einiges in Kauf: Bereits Ende Juli hatte er seine „Ochsentour“begonnen, die ihn in über 100 Orten im Altkreis Aalen und im Landkreis Heidenheim an inzwischen rund 5500 Haustüren geführt hat. Zwei Paar Schuhabsätze hat er dabei abgelaufen. „Schauen und sagen, was man geleistet hat und was man vorhat, anstatt auf die anderen draufzuhauen und sie schlecht zu machen – das ist die Art von Wahlkampf, die ich mag“, begründet Kiesewetter, weshalb er das alles auf sich nimmt.
Selbstdisziplin gehört für den ehemaligen Bundeswehr-Oberst, der nach eigener Einschätzung heute sicher den Rang eines Generalleutnants, also eines Drei-Sterne-Generals, einnehmen würde, dazu, um dies alles durchzuhalten. Seit Wochen verzichtet er konsequent auf Alkohol, ernährt sich anstatt von viel Fleisch lieber von reichlich Obst und Gemüse, gerne auch aus dem eigenen Garten in Unterrombach, inklusive genügend Knoblauch. „Die einzige Fahne, die ich mir gönne“, wie er witzelt. Und er versucht trotz unzähliger Abendtermine im Wahlkampf, konsequent vor Mitternacht im Bett zu sein.
Seit Roderich Kiesewetter 2009 zum ersten Mal mit 45,1 Prozent der Erststimmen in den Deutschen Bundestag eingezogen war, sei es ihm wichtig gewesen, sich Mandat, Stimmen und Vertrauen zu erarbeiten und vor Ort, im Wahlkreis, auch greifbar zu sein, erzählt er nebenher, während er an einem Wahlkampfstand auf dem Ellwanger Wochenmarkt Stofftaschen verteilt und versucht, mit den Marktbesuchern ins Gespräch zu kommen. Sein Einsatz hat sich gelohnt. 2013, als er sich zum zweiten Mal um das Direktmandat bewarb, legte er satte zwölf Prozent drauf und schaffte fast schon traumhafte 57,6 Prozent der Erststimmen. Und diesmal? „Ich mache einen Erststimmen-Wahlkampf “, sagt Kiesewetter, „denn mit 38 Prozent kann man in Berlin nicht viel bewegen“. Und er ergänzt: „Dass ich keine 57 Prozent mehr bekomme, ist klar – die Konkurrenz ist groß“, meint er vor allem mit Blick auf eine Mitbewerberin im Wahlkreis, die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier.
Warnung vor Schulz
Auf dem Ellwanger Wochenmarkt warnt ihn eine Besucherin: „Schulz ist ein gefährlicher Gegner.“Eine Einschätzung, die Kiesewetter am Abend desselben Tages, bei einem politischen Dämmerschoppen mit der Essinger CDU in der brechend vollen Ausflugsgaststätte in Tauchenweiler, relativiert. Ohne Kabinettserfahrung Kanzler werden zu wollen, sei ein schwieriges Unterfangen, meint er da. Und als EU-Parlamentspräsident habe Schulz nie den Schulterschluss mit der europäischen Kommission gesucht, was er ihm ebenfalls als Fehler ankreidet.
Viel mehr als den politischen Gegner scheint Roderich Kiesewetter die laut Demoskopen noch große Zahl der Unentschlossenen und die der jetzt schon entschiedenen Nichtwähler zu fürchten. „Gehen Sie auf jeden Fall zur Wahl“, heißt denn auch ein häufiger Satz, als er am Nachmittag, bei teilweise prasselndem Regen, gemeinsam mit dem Essinger CDU-Vorsitzenden Markus Beyeler zum zweiten Mal in der Rems-Gemeinde „Klinken putzt“. „Wer Merkel eigentlich wählen möchte, hat möglicherweise ein Problem mit dem Thema Flüchtlinge. Und wer sie eher ablehnt, schreckt davor zurück, AfD zu wählen“, analysiert er unterwegs unterm Regenschirm das Dilemma, in dem auch potenzielle CDU-Wähler stecken könnten. An den Haustüren wird er dann noch konkreter: „Motivieren Sie auch Ihre Freunde, zur Wahl zu gehen, damit die Kräfte ganz links oder ganz rechts nicht zu stark werden“, empfiehlt er.
Ob an der Haustür, am Wochenmarktstand oder abends in der Wirtshaus-Diskussion – Roderich Kiesewetter geht auf die Menschen mit klarer Position, aber stellenweise fast schon in einer galanten Form zu. „Vielen Dank, dass sie nicht hinten herum schimpfen, danke für Ihre Offenheit“, sagt er etwa einer Passantin auf dem Ellwanger Wochenmarkt, die von ihm wissen will, weshalb er im Bundestag für die Ehe für alle gestimmt hatte. „Ich wollte verhindern, dass die Union nach der Wahl in dieser Frage umkippen muss, da wäre der Schaden für sie weitaus größer geworden“, erklärt er der Frau.
Abends, im Gasthaus, macht Kiesewetter, der sich normalerweise eines astreinen Hochdeutschs bedient, den vielen Besuchern klar, dass „das Wiesle“für die Union mit Blick auf die Bundestagswahl noch lange nicht „g’mäht“sei. Seine Folgerung daraus: „Wenn wir nicht zur Wahl gehen, verlieren wir gnadenlos.“
40 Prozent sind das Ziel
Die Union müsse so nahe wie möglich an die 40 Prozent heran kommen, „dann ist ein Regieren ohne uns nicht möglich“. Wobei er auch das deutlich unterstreicht: „Eine weitere große Koalition tut uns nicht gut.“Denn das Manko der letzten vier Jahre sei die schwache Opposition gewesen. Für den Fall einer Regierungsbeteiligung von CDU und CSU geht Kiesewetter davon aus, dass er als Vorsitzender des Bundesfachausschusses Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik seiner Partei dann auch wieder bei Koalitionsverhandlungen mit dabei sein wird.