Der Müller mahlt das Mehl digital
Die Ausbildung für den alten Beruf wurde modernisiert – Er heißt jetzt Verfahrenstechnologe für Mühlen- und Futterwirtschaft
Er schleppt keine Mehlsäcke. Die Mühle wird auch nicht mehr durch Wasser- oder Windkraft angetrieben. Trotzdem gibt es den Müller noch. Inzwischen nennt man ihn Verfahrenstechnologe für Mühlen- und Futterwirtschaft. Der Beruf ist vielseitig und hat Zukunft.
Als Paul Reinholz seinen Freunden erzählte, dass er Müller wird, konnten die sich darunter gar nichts vorstellen. „Ich musste erst mal erklären, wie technisch das Herstellen von Mehl inzwischen abläuft“, erklärt er. Der Beruf ist viele Jahrhunderte alt – und auch heute noch unentbehrlich. Die Nahrungsmittelindustrie käme zum Erliegen ohne Mehl oder Futter für die Masttiere.
Nach einem Schulpraktikum in den Nordland Mühlen Jarmen in Mecklenburg-Vorpommern stand für Reinholz fest: Hier will ich eine Ausbildung machen. Die begann er nach dem Realschulabschluss. „Ich mag die Vielseitigkeit. Kein Tag gleicht dem anderen“, sagt der 19-Jährige.
Tatsächlich ist das Aufgabenfeld der Müller, die man seit 2006 Verfahrenstechnologen nennt, groß. „Verfahrenstechnologen sind Allrounder“, sagt Peter Haarbeck, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Mühlen. Sie kümmern sich nicht nur um die Einstellung der Maschinen, sondern halten auch Kontakt zu Kunden und Landwirten.
Längst bindet der Beruf einen nicht mehr an eine Region, in der Landwirtschaft betrieben wird. Einige Verfahrenstechnologen bereisen im Laufe ihres Berufslebens die ganze Welt: Müllermeister Martin Bärtich zum Beispiel war im Auftrag seines Arbeitgebers acht Jahre lang rund um den Globus unterwegs, um neu gebaute Mühlen in Betrieb zu nehmen. Es verschlug ihn nach Thailand und Südamerika. Mühlen-Technologie „Made in Germany“ist weltweit gefragt.
Wer eine moderne Mühle betritt, weiß auch warum: Man taucht ein in eine computergesteuerte Hightech-Welt – komplett automatisiert und mancherorts vollständig digitalisiert. „Es gibt Mühlen, die von überall auf der Welt aus gesteuert werden können“, erklärt Haarbeck.
Warten, schalten, einstellen – Verfahrenstechnologen wissen, wie die Maschinen funktionieren. „Die älteren Kollegen hören schon am Geräusch einer Maschine, wenn etwas nicht stimmt“, sagt Reinholz. Er arbeitet in einer vergleichsweise kleinen Anlage, die gut 150 Tonnen Getreide am Tag mahlt. In großen Mühlen kommen täglich mehr als 1000 Tonnen Getreide unter die Walze. Um diese Mengen zu bewältigen, gibt es Schichtbetrieb. „Das ist das Einzige, was mich an meinem Job wirklich stört“, schildert Reinholz.
Neben Mühlen, die Mehl und Futtermittel herstellen, gibt es auch Schälmühlen, die Hafer und andere Getreidesorten von ihrer unverdaulichen Schale befreien.
Wer die dreijährige Ausbildung machen will, braucht ein Interesse für Technik. Angehende Azubis müssen außerdem fit in Naturwissenschaften sein. Die formalen Voraussetzungen sind niedrig: „Es reicht zum Beispiel ein Hauptschulabschluss“, erklärt Haarbeck. Aber gute Leistungen in Mathe und Physik sollten sich auf dem Zeugnis widerspiegeln. Wichtig für den Beruf sei außerdem handwerkliches Talent und kaufmännisches Geschick.
Noch eine Männerdomäne
Wer sich zu einer Ausbildung entschließt, hat gute Aussichten: „Mühlenbetriebe haben Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden“, sagt Haarbeck. Zu unbekannt sei der Beruf. Daher seien auch Quereinsteiger willkommen. Die Mühle ist eine Männerdomäne: Der Frauenanteil unter den Auszubildenden lag 2014 nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) bei 8,2 Prozent.
Die Ausbildungsvergütung liegt im ersten Jahr je nach Region zwischen 373 und 881 Euro, wie das BIBB mitteilt. Ein Müllergeselle kommt nach Angaben des Verbands Deutscher Mühlen auf ein Einkommen zwischen 24 000 und 36 000 Euro brutto pro Jahr. Es kann aber auch einmal deutlich weniger sein. Ein Müllermeister verdient ab 40 000 Euro brutto. „Verfahrenstechnologen haben auf dem Arbeitsmarkt gute Aussichten“, sagt Haarbeck. Tatsächlich waren nur rund ein Prozent der Verfahrenstechnologen im vergangenen Jahr nach Angaben der Arbeitsagentur arbeitslos.
Bei der Mühlenindustrie handelt es sich allerdings um eine sehr kleine Branche mit vergleichsweise wenigen Stellen. „Das erschwert die Situation sowohl für Bewerber als auch für Betriebe“, sagt Susanne Eikemeier, Sprecherin bei der Bundesagentur für Arbeit. Wenn Betriebe eine Fachkraft suchen, sei es bei so wenigen Arbeitssuchenden nicht gesagt, dass der potenzielle Bewerber auch umziehen will. Umgekehrt fordert ein neuer Job oft ein hohes Maß an Flexibilität von den Bewerbern. Die Ausbildung öffnet jedoch auch die Tür zu anderen Branchen: „Das sind hoch technisch ausgebildete Leute, die man auch im Automobilsektor einsetzen kann“, erklärt Haarbeck.
Für Paul Reinholz ist die nächste Station die Meisterschule in Braunschweig. Er hat große Pläne: „Ich will irgendwann eine Mühle leiten.“Er weiß, dass er dafür den Ort wechseln muss, aber er hat damit kein Problem. „Das ist einfach fesselnd, wenn man diesen riesen Maschinenraum betritt, für den man dann verantwortlich ist.“