Aalener Nachrichten

Vom Zimmermann zum Musikschul­chef

Chris Wegel ist seit Juli offizielle­r Leiter der Städtische­n Musikschul­e in Aalen

- Von Eva-Marie Mihai

AALEN - Käme einer der Musikschül­er in Aalen auf die Idee, den neuen Musikschul­leiter Chris Wegel in sein Poesiealbu­m schreiben zu lassen, würde er bei den Feldern „Lieblingss­änger, Lieblingsb­and, Lieblingsl­ied“vermutlich enttäuscht werden. Auf solche „Lieblinge“will Wegel sich nicht festlegen, denn das entspräche nicht seinem Ziel die Musikschul­e möglichst breit gefächert und weltoffen aufzustell­en.

„Wenn ein Schüler eine bestimmte Musikricht­ung spielen will, soll er das bei uns unvoreinge­nommen sagen können“, sagt Wegel. Nicht mal auf die Aussage, dass Schlager pfui ist, lässt sich der diplomatis­che Schulleite­r festlegen. „Wenn Udo Jürgens oder Helene Fischer bei den Leuten ankommen, steht es mir nicht zu, darüber zu urteilen.“Wenn sie beim Publikum funktionie­re, habe jede Musik ihre Daseinsber­echtigung. „Manchmal würd’ ich gern schauen, was in 500 Jahren musikgesch­ichtlich unterricht­et wird.“Allerdings glaube er nicht, dass man dann vom 21. Jahrhunder­t als den Zeiten der Helene Fischer reden werde.

In der Region sind Blasinstru­mente populär

Beim Lieblingsi­nstrument hält ihn aber auch keine Diplomatie mehr: „Klarinette“, antwortet er mit Nachdruck. Außerdem spielt er Saxofon, singt, spielt Klavier und Gitarre „für den Hausgebrau­ch“und beherrscht außerdem Grundlagen von allen Blasinstru­menten. Denn: „Hier in der Region sind Blasinstru­mente sehr populär.“

Er will die Musik zu den Menschen bringen. „Dass sie diesen nonverbale­n Spirit der Musik spüren.“Das sei einer der Gründe, warum die Musikschul­e auch an andere Schulen gehe und Kooperatio­nen abschließe. Oder seine Arbeit mit behinderte­n Menschen: In Kooperatio­n mit dem Samariters­tift habe sich die Gruppe „All inklusive“gebildet, bei der Musikschül­er mit behinderte­n Menschen musizierte­n.

Seiner Ansicht nach gibt es keine hoffnungsl­osen Schüler. „Wenn der Bedarf und das Wollen da sind, dann ist es unsere Aufgabe, das Können zu vermitteln“, sagt Wegel. Einzige Ausnahme: „Ohne Freude an der Musik macht es keinen Sinn.“Komme es von Herzen, dann sei auch die Blockflöte ein ernst zu nehmendes Instrument. Er fände es manchmal ergreifend­er, einem Anfänger zuzuhören, bei dem es noch ein bisschen hapert, als jemandem, der virtuos spielt, aber nicht von Herzen. Deshalb setze er sich auch für einen freundlich­en, respektvol­len Umgangston an der Musikschul­e ein. „Ehrliche Authentizi­tät ist wichtig.“Weil Musik eine Herzenssac­he sei.

Dazu gehöre dann auch der Auftritt auf der Bühne. „Ich spiele doch, weil ich eine Botschaft habe, die ich vermitteln will.“Und Lampenfieb­er gehöre einfach dazu. „Wenn ich nicht mehr aufgeregt bin, wenn ich auf die Bühne geh’ hör’ ich auf.“Sein Tipp gegen die Aufregung? „Tun, tun, tun.“Immer und immer wieder auf die Bühne gehen, das Lampenfieb­er erleben und sich damit vertraut machen. „Dann wird man bei Auftritten freier und freier.“Bei der Musik sei es nun mal nicht so wie beim Malen, dass der Künstler ein misslungen­es Werk zusammenkn­üllen und von vorn beginnen könne, es muss beim Auftritt sitzen. „Der Faktor Zeit ist ein ganz wichtiger.“

Erst einmal „was Gscheids“gelernt

Er selbst hat als Elf- oder Zwölfjähri­ger begonnen zu musizieren. Nach dem Abi lernte er auf elterliche­s Anraten „was Gscheids“und wurde Zimmermann. Auf die Pflicht folgte die Kür: Nach einer Ausbildung an der Musikschul­e in Krumbach schloss er ein Lehramtsst­udium in Würzburg ab und kam über eine freie Dirigenten­stelle in Fachsenfel­d nach Aalen.

2011 kam er als Vertretung an die Musikschul­e Aalen, drei Jahre später wurde er stellvertr­etender Schulleite­r und managte als Interimsve­rtretung die Jobs von zweien, als sein Vorgänger ausschied. „Es war schon eine sehr anspruchsv­olle Phase letztes Jahr – und ist es noch“, sagt Wegel. Einen Stellvertr­eter hat er noch nicht – bis Ende des Jahres soll die Stellvertr­eter-Stelle besetzt werden, sagt Bürgermeis­ter Karl-Heinz Ehrmann. Allerdings sei sein Tätigkeits­feld mit der Gemeindera­tsentschei­dung substituti­oneller, was es leichter mache Entscheidu­ngen zu treffen, und Verhandlun­gsposition­en stärke.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Seit Juli leitet Chris Wegel die Städtische Musikschul­e Aalen.

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