Neresheim hat die Wahl
Bürgermeisterkandidaten stellen sich bei dreistündiger Veranstaltung vor
NERESHEIM – Nach drei Stunden hat Bürgermeister Gerd Dannenmann eine Prognose gewagt: „Das wird eine spannende Wahl.“Zu dieser Vorhersage bewog ihn, dass das rund 1300-köpfige Publikum in der überfüllten Härtsfeld-Sport-Arena so lange geduldig den sechs Männern zugehört hatte, die den amtierenden Bürgermeister im Januar beerben wollen. Und nicht nur das: Jeder Aspirant wurde jeweils zehn Minuten lang gelöchert, auch wenn die Fragen manchmal etwas zaghaft kamen.
Über die Reden von Thomas Häfele, Oliver Weber, Volker Schirling und Manuel Reiger haben wir gestern bereits berichtet.
Der Sozialwissenschaftler Stefan Holder trat ohne ausgefeiltes Manuskript ans Rednerpult und sagte, er sei zwar in Ludwigsburg geboren und in Backnang aufgewachsen, aber in ganz Deutschland herumgekommen. Bei der Bundeswehr habe er erstmals mit Bürokratie und Verwaltung zu tun gehabt und habe beim Rundfunk ein Praktikum gemacht, weil er „irgendetwas mit Medien“machen wollte. Er habe einen Patientenrundfunk aufgebaut und dabei die Arbeit von Kommunen ebenso kennengelernt wie bei Tätigkeiten für die Gemeinde Asperg.
Mit der ganzen Bandbreite der Kommunalverwaltung habe er es als Fraktionsgeschäftsführer in Mannheim zu tun gehabt – als Manager für die vierköpfige Gruppe von Alfa, der von Ex-AfD-Chef Lucke gegründeten Partei „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“, wie Holder erst auf Nachfrage offenbarte.
Neresheim, sagte er weiter, kenne er seit 1982, als ihn seine Eltern ins dortige Kloster „geschleppt“hätten, damit er dort die Beichte zur Erstkommunion nachholen konnte. „Seither hat mich Neresheim nicht mehr losgelassen.“Einmal sei er eine Woche „über die Felder geirrt“, habe hier übernachtet und Neresheim in guter Erinnerung behalten.
Hier wolle er fürs Gemeinwohl wirken, so Holder, Sacharbeit leisten und zusammenführen. Als er bekannte, er sei Fußgänger und Radfahrer, wollte ein Fragesteller wissen, ob Holder aus eigenem Entschluss kein Autofahrer sei oder dazu gezwungen worden sei. Er sei ohne Auto aufgewachsen, sagte der Kandidat, und sei trotzdem überall hingekommen. In Neresheim würde er sich ein E-Bike kaufen.
Dass er Diplom-Verwaltungswirt (FH) sei, sei zwar eine gute Basis, sagte Gerd Hüll, es reiche aber nicht. Zu einem Bürgermeister gehörten eine Portion Herzblut, viel Gespür für Situationen und Empathie. Er müsse Netzwerker sein, den Draht nach oben suchen und immer am Puls der Zeit sein. Hinzu kämen ein Schuss Durchhaltevermögen und ein dickes Fell.
Ihn befähige als Stadtoberhaupt die Summe aus Verwaltungsstudium, 20 Jahren Berufserfahrung und einem daraus resultierenden Netzwerk, wobei Hüll sich selbst Verhandlungsgeschick attestierte. Dazu kämen Erfahrungen in Handwerksbetrieben und im Vereinsleben. Als Personal- und BusinessCoach habe er gelernt, an Aufgaben anders heranzugehen als es in der Verwaltung üblich sei, Bedürfnisse zu erkennen und als Führungskraft die richtigen Schlüsse zu ziehen. Neresheim brauche dringend neue Gewerbeflächen, sagte Hüll weiter, denn die aktuellen Gewerbesteuereinnahmen reichten nicht aus. Die Neuausrichtung der Verwaltung, die in den nächsten Jahren tragende Säulen verlieren werde, müsse man rechtzeitig und behutsam angehen. Er machte sich für Kommunikation zwischen Gremien und Verwaltung, vor allem aber mit den Bürgern und Vereinen stark. Konkret heiße dies, gezielte Gespräche zu führen statt um den heißen Brei herumzureden und die Erkenntnisse bestmöglich zu filtern und umzusetzen. Hüll: „Mein Ziel ist es, die Gesamtstadt Neresheim als Ganzes noch lebenswerter zu machen als sie jetzt schon ist.“