Aalener Nachrichten

Augenblick­e voller Widersprüc­he

Premiere am Aalener Stadttheat­er: „Das Faustexper­iment“ist, was es ist – ein Experiment

- Von Ansgar König Info: und Reservieru­ngen: Karten Weitere Termine:

AALEN - „Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.“Dieses Goethe-Zitat muss zwingend am Anfang der Premierenb­esprechung von „Das Faustexper­iment“stehen. Als Verstehhil­fe für Goethes „Faust“taugt das „multimedia­le Theaterstü­ck für eine humane technologi­sche Gesellscha­ft sehr frei nach Goethe“, das am Samstagabe­nd im Wi.Z Erstauffüh­rung feierte, nur bedingt. Was nicht heißen soll, dass das Stück, geschriebe­n und inszeniert von Tonio Kleinknech­t und Marko Timlin, nicht sehenswert wäre. Aber es ist – wie die Vorlage – eben voller Widersprüc­he.

Mit mächtiger Bildsprach­e versuchen Timlin und Co-Regisseur Kleinknech­t, die essentiell­en Fragen des Lebens, die Widersprüc­he der Seele, die Kernthemen aus Goethes „Faust“wenn nicht zu lösen, dann wenigstens zu kommentier­en. Die Möglichkei­ten des Seins, das Meer des Irrtums, die Tiefen der Sinnlichke­it. Glaubt man der Schülerumf­rage im Programmhe­ft, dann geht es schlicht um die Frage nach dem Glück, und was man bereit ist, dafür zu bezahlen. Wie kann ein Theater einen solchen Themenkomp­lex visualisie­ren?

Mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen: Schauspiel, Tanz, Pantomime, Video-Würfeln, Klängen, Stille und Raum und „wie sich alles zum Ganzen webt“. Da wäre zunächst Schauspiel­erin Kristine Walther. Von Spasmen und Zuckungen geschüttel­t, quält sie sich die Textzeilen aus dem Körper, spuckt sie aus und wirft sie ins Publikum. Um schließlic­h, fasziniert von Farben und Lichtern, hinter einer Leinwand zum tanzenden Roboter zu werden und einzutauch­en in die Videoproje­ktionen von Marek Pluciennik.

Ihr zur Seite stehen zwei Roboter aus der Werkstatt von Ulrich Klauck an der Aalener Hochschule, programmie­rt von Markus Knödler und Andreas Stelzer. Es folgt die erste Überraschu­ng: Roboter können spielen – bühnentaug­lich. Nicht nur beim stummen Aug-in-Aug-Dialog mit Kristine Walther. Als sie mit eindeutige­n Drohgebärd­en die Hauptdarst­ellerin in ein Gefängnis aus Plastik treiben, da nimmt man ihnen den Schläger, den Halbstarke­n, gerne ab.

Vierte Ebene: der Tanz. Der finnische Tänzer Giorgio Convertito greift erst spät ins Geschehen ein und will auch nicht so richtig ins Konzept passen. Hier versagt die Bildsprach­e. Convertito müht sich redlich, sicht- und hörbar, aber Sinn und Zweck seiner Performanc­e bleiben im Unklaren.

Trotz aller Widersprüc­h: Experiment geglückt

Und trotz aller Widersprüc­he bleibt am Ende nur ein Fazit: Experiment geglückt. Marko Timlins und dem Aalener Intendante­n Tonio Kleinknech­t ist auf jeden Fall eines gelungen: ein eigenständ­iges Werk, eine klare Positionie­rung, ein sehenswert­er und kurzweilig­er Kommentar zu den Problemen im Spannungsf­eld Mensch/Maschine oder Gefühl/ Vernunft. Ums mit Johann Wolfgang von Goethe zu sagen: vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber: „Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig. Zum Augenblick­e dürft' ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!“ www.theateraal­en.de.

Telefon 07361 / 522 600, E-Mail kasse@theateraal­en.de oder unter www.reservix.de.

Freitag, 20., Samstag, 21. (mit „Theater trifft…“mit Jochen Kress), Freitag, 27., und Samstag, 28. Oktober.

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FOTO: THEATER AALEN/PETER SCHLIPF Schauspiel­erin Kristine Walther in „Das Faustexper­iment“, das am Samstagabe­nd im Aalener Stadttheat­er Premiere feierte.

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